Privatuniversitäten: Die Uni mit dem Verwöhnaroma

Nr. 12 –

Eine Bremer Privatuni versucht sich auf dem globalen Bildungsmarkt zu etablieren und kämpft mit den Finanzen. Eine Schweizer Stiftung kommt ihr zu Hilfe.

Ist eine Fünftelmilliarde Euro viel Geld, wenn man eine Uni betreiben will? Die International University Bremen (IUB), eine junge private Eliteuniversität, hat von der Zürcher Jacobs Foundation im letzten Dezember 200 Millionen Euro erhalten - das Vierfache ihres Jahresetats. Damit muss sie sich keine finanziellen Sorgen machen. Jedenfalls für die nächste Zukunft.

Private Unis gibt es in Deutschland seit längerem (etwa die Uni Witten-Herdecke oder die Bucerius Law School in Hamburg), doch sind sie allesamt zumindest zwischenzeitlich finanziell ins Schlingern geraten. Am Anfang herrschte jeweils Euphorie, grosse Investitionen wurden getätigt. Wenn es aber um die regelmässigen Kosten für den laufenden Betrieb ging, drohte der Geldfluss zu versiegen.

So auch in Bremen. 1998 gründeten private InitiantInnen die IUB; bereits 2001 nahm der erste Jahrgang das Studium auf. Die Stadt hatte grosszügige Anschubhilfe geleistet, das Projekt fand weitherum lobende Worte. Man war sich einig, dass die IUB Signalwirkung habe für eine Region, in der die Werftindustrie am Boden war und von der kaum wirtschaftliche Impulse ausgingen. Man vermochte zahlreiche Donatorinnen und Sponsoren zu gewinnen, der Aufbau der Uni kam zügig voran.

Doch schon nach fünf Jahren drohte das neue Uniflaggschiff wieder zu stranden. Nun soll es die Schweizer Stiftung wieder flottmachen: Über die nächsten fünf Jahre zahlt sie jeweils fünfzehn Millionen Euro in die Betriebskasse; zusätzliche 125 Millionen gehen in den Kapitalstock der Uni - sofern diese in fünf Jahren wieder auf eigenen Beinen steht und nicht mehr auf die Finanzspritze aus Zürich angewiesen ist. Bernd Ebersold von der Jacobs Foundation macht keinen Hehl aus der akuten Notlage: «Es stimmt, dass unser Engagement an der IUB zunächst deren Überleben sichern sollte. Wir wollen aber auch einen Beitrag zu ihrer nachhaltigen Sicherung leisten, was den Aufbau eines ausreichenden Kapitalstocks voraussetzt.» Es ist durchaus beeindruckend, was man innerhalb von ein paar Jahren im tief verschuldeten Stadtstaat aus dem Boden gestampft hat. Vor zehn Jahren war der Park im Norden von Bremen noch ein verlassenes Kasernenareal, heute haben sich in den ansehnlichen Klinkerbauten Forscherinnen und Studenten eingenistet. Die Panzergaragen dienen als Räume für psychologische Studien, in den Werkstätten haben die Ozeanologinnen einen Swimmingpool für ihre Roboter angelegt, und aus der Kapelle im Zentrum wurde ein interkonfessioneller Begegnungsraum. Die Anlage atmet amerikanischen Campusgeist, grosszügig wirkt sie und ein wenig altbacken.

Nicht nur architektonisch richtet sich die IUB nach amerikanischem Vorbild. Hochschulen wie Harvard oder Yale sind von öffentlichen Geldern unabhängig, weil sie über einen grossen Kapitalstock verfügen (bei Harvard inzwischen über zwanzig Milliarden Dollar). Aus den Erträgen dieses Kapitals finanzieren sie ihren Betrieb. Dazu kommen Studiengebühren und projektbezogene Drittmittel. Letztlich ist die Finanzierung einer nicht gewinnorientierten privaten Uni vergleichbar mit der einer öffentlichen Hochschule. Der Unterschied liegt im Wesentlichen in der Quelle der Grundfinanzierung sowie der Höhe der Gebühren. Die Grenzen verschwimmen aber mehr und mehr: In Bremen hat die öffentliche Hand über hundert Millionen Euro beigesteuert; umgekehrt bemüht sich etwa die ETH Foundation seit kurzem offensiv um private Gelder, die in die Sockelfinanzierung einfliessen sollen. Die Gebühren an den öffentlichen Unis steigen tendenziell (auch in Deutschland gehts der heiligen Kuh Gebührenfreiheit an den Kragen), während man in Bremen grosse Anstrengungen unternimmt, zusätzliche SponsorInnen für das Stipendiensystem zu gewinnen.

Bei einer Neugründung ist der Kapitalstock natürlich bescheiden; es gibt auch noch keine ehemaligen Studierenden, die ihrer Uni in monetärer Dankbarkeit ein Leben lang verbunden bleiben. Ebenso muss man bei den Gebühren Abstriche machen, bis sich die Uni auf dem Bildungsmarkt so weit einen Namen gemacht hat, dass genügend StudentInnen auch aus wohlhabenderen Ländern angelockt werden. In Bremen zahlt bis anhin kaum jemand die vollen Gebühren. Die Uni verzichtet auf etwa die Hälfte der veranschlagten Einnahmen aus dieser Quelle, da viele der StudentInnen aus Osteuropa oder Afrika nicht die Möglichkeit haben, 15 000 Euro pro Schuljahr aufzubringen. Die Multikulturalität ist aber erklärtes Ziel der IUB, man will StudentInnen nicht nach der Finanzkraft ihrer Eltern auswählen, sondern nach ihrer Eignung.

Es ist ein verbreitetes Vorurteil, eine Privatuni finanziere sich vorwiegend durch horrende Gebühren. «Das funktioniert nirgends auf der Welt», sagt Joachim Treusch, der Präsident der IUB. Man strebe an, gut ein Fünftel der Einnahmen aus den Gebühren bestreiten zu können. Damit würde die Universität im Vergleich mit anderen Privatunis schon sehr gut dastehen.

Es gibt natürlich auch Privatunis, die unverblümt unternehmerische Ziele verfolgen, und diese kennen eine wesentlich unbarmherzigere Gebührenordnung. Dieser Tage wagt in Rostock die kommerzielle Hanseuniversität den Gang auf den Bildungsmarkt. Neun Prozent Gewinn verspricht der Gründer potenziellen Anlegerinnen, und den Studenten verspricht er einen Wirtschaftsabschluss für 7500 Euro pro Semester. Die Hanseuni kommt mit einem geringen Stammkapital aus, dafür ist sie unbedingt auf zahlende StudentInnen angewiesen - da liegt der Gedanke an den gekauften Abschluss nicht so fern.

Mit der IUB will niemand Gewinn erwirtschaften. «Die Rendite sind gut ausgebildete junge Leute, die Verantwortung in der Gesellschaft mittragen werden», tönen die Schulleitung und die Jacobs Foundation im Gleichklang. Die Stiftung engagiert sich weltweit in der Bildungsförderung, vom Reintegrationsprogramm schlecht ausgebildeter Jugendlicher in Costa Rica bis hin zur IUB, die über die nächsten fünf Jahre gut die Hälfte des Stiftungsbudgets verschlingen wird. Die Uni dankte es mit einer Namensänderung. Seit diesem Jahr heisst sie Jacobs University Bremen. Hat der Mäzen (der Kaffeemagnat Klaus J. Jacobs, dessen Kapital in der Stiftung steckt) der Verlockung nicht widerstehen können, sich in seiner Heimatstadt zu verewigen? Ebersold weist das zurück und spricht von der akademischen Qualität und Internationalität der Jacobs University als Beweggrund des Engagements. «Die Universität ist ein lohnendes Experiment, doch ist es noch lange nicht im Trockenen.»

Tatsächlich hat im deutschsprachigen Raum noch niemand ernsthaft versucht, an einer privaten Hochschule das klassische Vollprogramm mit Natur- und Geisteswissenschaften anzubieten. Bis anhin haben Privatunis vor allem auf Renommierfächer wie Wirtschaft und Recht gesetzt. Auf die Medizin, das finanziell mit Abstand aufwendigste Fach, verzichtet allerdings auch Bremen.

Visionär ist das Projekt noch in anderer Hinsicht. Bei der IUB kommen die tausend StudentInnen aus über achtzig Nationen. Der Unterricht erfolgt in Englisch. Man schmückt sich gern mit diversen «Inter»-Schlagwörtern: Neben der Interkulturalität möchte man auch die Interdisziplinarität fördern, man achtet auf einen regen Austausch zwischen Geistes- und Naturwissenschaften.

Es mag sein, dass diese innovativen Ansätze im reglementarischen Unterholz der Universitätsverordnung stecken geblieben wären, hätte man sie an einer staatlichen Uni verwirklichen wollen. Doch die wichtigste Freiheit, die man sich als private Uni verschaffen kann, ist die freie Auswahl der StudentInnen. Die IUB ist ihrem Wesen nach eine Eliteuni und kann deshalb keine allgemeingültigen Lösungen für die Bildungsmisere in Deutschland anbieten. Sie zeigt aber einige der wunden Punkte im deutschen Hochschulsystem auf. Das Betreuungsverhältnis in Bremen liegt bei zehn zu eins, an öffentlichen Unis kommen auf eine Professorin im Schnitt gut siebzig Studenten. Und auch die Abbrecherquote liegt an der IUB verständlicherweise wesentlich niedriger als im Landesschnitt.

Die Schulleitung ist optimistisch, dass sie die Kaffeekasse nach dem Rückzug der Jacobs Foundation selbst mit den nötigen Millionen wird füllen können. Allerdings sind Bildungsmäzene in Europa nicht breit gestreut, also holt man sich in Bremen die Industrie mit an Bord. Bereits gibt es ein E.On Energy Lab, gesponsert von einem der grössten Energiekonzerne Deutschlands; weitere Kollaborationen werden angestrebt. Die Verantwortlichen der IUB beschwören zwar die Freiheit von Forschung und Lehre, doch dürfte die Privatuni zumindest in den Anfangsjahren einiges an Rückgrat brauchen, um sich nicht in den Erwartungen der industriellen Geldgeber zu verstricken. Die Vorgabe ist klar: Erst wenn es der IUB gelingt, das Grundkapital von derzeit gut hundert Millionen Euro auf zumindest das Fünffache oder besser gleich eine Milliarde aufzustocken, wird man eine mit öffentlichen Unis vergleichbare Unabhängigkeit erringen. Ist eine private Spitzenuni aber erst einmal entsprechend gut dotiert, forscht und lehrt es sich dort womöglich sogar unbehelligter als an öffentlichen Instituten, die von kurzsichtigen Bildungspolitikern immer öfter gezwungen werden, undurchsichtige Deals mit der Industrie einzugehen.

In der Schweiz kein Bedarf


WOZ: Wie steht es in der Schweiz mit privaten Hochschulen?

Stefan Wolter: Es gibt eine lange Tradition von Privatschulen zur höheren Berufsausbildung, beispielsweise bei den Hotelfachschulen. Auch privat getragene Fachhochschulen gibt es bereits eine ganze Reihe, vor allem im Wirtschaftsbereich. Verschiedentlich wurden Anläufe unternommen, private Universitäten zu gründen, doch ernsthaft umgesetzt wurde diese Idee noch nie.

Es gibt also kein staatliches Monopol auf universitäre Bildung?

Nein.

Weshalb gibt es hierzulande dennoch keine namhafte private Uni?

Das Problem liegt bei der Finanzierung: Private Schulen haben kein prinzipielles Anrecht auf staatliche Unterstützung. Und ohne Zuschüsse kann sich eine Uni in der Schweiz kaum über Wasser halten.

... im Unterschied zu Deutschland?

Der Unterschied liegt vor allem im bereits bestehenden Angebot. Die Schweiz hat eine grosse Dichte an Unis, darunter einige von so guter Qualität, dass schlicht kein Bedarf ist an einer privaten Eliteuni. Es gibt keinen lukrativen Markt für ein umfassendes privates Hochschulunternehmen.

Und wie sieht es mit Ausbildungsgängen aus, die spezifisch auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnitten sind?

Das kann durchaus funktionieren. Allerdings sind solche massgeschneiderten Abschlüsse eine zwiespältige Sache, sie bergen immer das Risiko von Fehlausbildungen. Bei Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt ist man mit ganz spezifischen Kenntnissen wenig flexibel. Der Staat hat ein grosses Interesse daran, Leute generalistisch auszubilden. Auch wenn ihm mitunter vorgeworfen wird, das an den konkreten Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei zu tun.



Stefan Wolter ist Bildungsökonom und Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung.