Zürcher Kantonalbank: Bock oder Gärtner?

Nr. 22 –

Wieso muss eine Staatsbank bei fragwürdigen Geschäften Hand reichen? Was lernt die ZKB aus ihren Fehlern? Eine Analyse aus linker Sicht.

WOZ: Thomas Heilmann, Sie sitzen für die Grünen im Bankrat der ZKB, der wie ein Verwaltungsrat funktioniert. Was halten Sie von der jetzt bekannt gewordenen Beteiligung der ZKB am international umstrittenen Ilisu-Staudamm in der Türkei?

Thomas Heilmann: Der Bankrat war darüber nicht informiert, das Bankpräsidium, quasi der Verwaltungsratsausschuss, hingegen schon. Und offenbar sah das Gremium kein Reputationsrisiko, das heisst möglichen Imageschaden, für die Bank. Das ist für mich nicht nur völlig unverständlich, sondern auch absolut unhaltbar.

Das Image der ZKB erlitt schon einen massiven Schaden wegen ihrer Mithilfe beim Angriff auf Sulzer vergangenen April. Wie konnte das passieren?

Ende der neunziger Jahre änderte die ZKB ihre Strategie. Sie wollte ihre Aktivitäten diversifizieren, also vom herkömmlichen Zins- und Hypothekargeschäft wegkommen. So wurde die Handelsabteilung aufgebaut - und dies sehr erfolgreich, auch dank einer anerkannten Risikoabsicherung im finanziellen Bereich. Mögliche Reputationsrisiken im Zusammenhang mit den Handelsgeschäften wurden nicht beachtet.

Worin zeigt sich das?

Nun, der Bankrat wusste nichts über das Sulzer-Geschäft, obwohl bei Kapitalmarktgeschäften eine Meldepflicht bei möglichen Reputationsrisiken an das Bankpräsidium besteht. Auch ZKB-Chef Hans Vögeli wurde angeblich erst informiert, als der Sulzer-Deal bereits gelaufen war. Und schliesslich hiess es immer, die Handelsgewinne der ZKB seien breit abgestützt, also nicht einzelnen grossen Geschäften zu verdanken. Vögeli hatte sehr wahrscheinlich auch kein besonderes Interesse daran, genauer hinzuschauen, solange man so gut verdiente.

Hans Vögeli hat ja nie einen Hehl aus seiner aggressiven Wachstumsstrategie gemacht. Wieso hat ihm niemand genauer auf die Finger geschaut?

Der Bankrat hat etwa im Fall der Übernahme von Unaxis Ende 2005 und des nun gescheiterten Angriffs auf Ascom durch die Beteiligungsgesellschaft Victory etliche Male nachgefragt und auf mögliche Reputationsrisiken hingewiesen. Doch wir wurden von Vögeli und dem Chef des Investment Bankings, Hans Fischer, stets hingehalten. Überhaupt gab es seit 2003 - damals wurden Bankrat und Präsidium neu gewählt - ständige Querelen mit der Geschäftsleitung. Man warf uns vor, uns ins operative Geschäft einzumischen. Dabei nahm der Bankrat lediglich seine Verantwortung wahr. Das passte Vögeli und einigen andern Leuten nicht.

Der Bankrat der ZKB hat eine Aufsichts- und Kontrollpflicht. Hat er beim Sulzer-Deal versagt?

Nein. Schliesslich hat nicht mal das Präsidium Bescheid gewusst.

Ist es nicht fahrlässig, dass bei der Wahl in das Aufsichtsorgan der drittgrössten Bank der Schweiz die politische Couleur und nicht die Kompetenz entscheidend ist?

Das ist in anderen Unternehmen auch so. Die Politik spielt immer eine wichtige Rolle. Man denke an den Freisinn und seine Rolle bei der Swissair. Der Kantonsrat ist Eigentümer der ZKB. Es liegt in der Verantwortung der Parteien, kompetente Leute aufzustellen. Dazu gehört nicht nur Banken-Know-how, sondern auch ein gutes Gespür für Personalentscheide auf der Führungsebene.

Mit Martin Scholl als Nachfolger von Hans Vögeli hat sich der Bankrat für eine interne Lösung entschieden. Aussenstehende bezeichnen ihn als einen Apparatschik, der die alte, biedere ZKB-Kultur verkörpert. Als einen ohne Visionen. Sind Sie mit der Wahl zufrieden?

Ich bin mit der Wahl sehr zufrieden, weil ich Martin Scholl anders einschätze. Er ist kein bürokratischer Verwalter. Als Leiter hat er etwa das Firmenkundengeschäft reorganisiert. Das dort eingesetzte Verfahren im Risikomanagement im Kreditgeschäft wird unter anderem auch von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als vorbildlich eingestuft. Der neue CEO steht für Entbürokratisierung und für eine Verflachung der Hierarchiestrukturen.

Bedeutet die Wahl Scholls eine Rückbesinnung auf alte Werte und weniger Tempo beim Wachstum?

Ja. Die ZKB wird wieder eine Strategie verfolgen, die den Leistungsauftrag ernst nimmt. Das bedeutet: Kein Zwang zur Profitmaximierung, Befriedigung der volkswirtschaftlichen Interessen des Wirtschaftsraums Zürich und die Verpflichtung zu einer nachhaltigen Geschäftstätigkeit, auch sozial und ökologisch.

Wie kann die ZKB künftig solche Fehler und Imageschäden vermeiden?

Reputationsrisiken müssen bei der Geschäftstätigkeit genauso berücksichtigt werden wie alle anderen Risiken. In anderen Banken muss über grosse Handelsgeschäfte in der Geschäftsleitung Bericht erstattet werden. Das war bei der ZKB bisher nicht der Fall. Die Handelsabteilung funktionierte als Firma in der Firma. Doch nun gibt es neu eine Richtlinie, nach der die Geschäftsleitung bei Derivatgeschäften im Zusammenhang mit Firmenübernahmen einbezogen werden muss.

Gibt es weitere Bereiche, die verbessert werden müssen?

Die Struktur des zweigeteilten Aufsichtsorgans - Bankrat und Bankpräsidium - muss hinterfragt werden. Das zeigt auch das Ilisu-Geschäft. Bisher ist der Bankrat für die Strategie zuständig, während das Bankpräsidium die Aufsicht über die Generaldirektion hat und grosse Kredit- oder Kapitalmarktgeschäfte bewilligt. Niemand aber beaufsichtigt auf dieser Ebene beispielsweise die Handelsgeschäfte, ausser im Hinblick auf die Einhaltung bestimmter finanzieller Limiten. Diese Struktur ist zu schwerfällig. Der Bankrat muss gestärkt werden, um solche Fehler des Managements künftig zu verhindern.

Mit dem Debakel rund um Sulzer und Unaxis ist die Forderung nach Privatisierung der ZKB wieder auf dem Tisch.

Das hiesse den Bock zum Gärtner machen. Ohne Leistungsauftrag, ohne Staatsgarantie kann eine Bank erst recht machen, was sie will. Die ZKB hat jedoch gerade dank ihres Leistungsauftrags einen grossen Stellenwert im Wirtschaftsraum Zürich: Sie bietet Firmenkunden eine wichtige Alternative zu den Grossbanken.

Inwiefern?

Die ZKB übernimmt zum Beispiel eine wichtige Rolle bei der Exportfinanzierung. Dies betrifft auch Geschäfte mit Staaten, die den USA nicht genehm sind, wie dem Iran. Zwar forciert die ZKB solche Geschäfte nicht, aber sie sind nicht tabu, solange sie nicht durch internationale Sanktionen verboten sind. Firmen können hier nicht auf die Zusammenarbeit mit der CS oder der UBS zählen, weil diese sich dem politischen Druck durch die USA beugen müssen. Der Grund: Sowohl die UBS als auch die CS haben in den USA Niederlassungen, und ihre Aktien sind an der New Yorker Börse kotiert. Sie unterstehen damit der US-Gesetzgebung.

Besteht eine linke Finanzplatzpolitik darin, in Gremien wie im Bankrat der ZKB zu sitzen und ab und zu eine kritische Frage zu stellen?

Es ist wichtig, in diesen Gremien zu sein. Man kann aus der ZKB keine Alternative Bank Schweiz machen, aber ich kann mich dafür einsetzen, dass die ZKB ihren Leistungsauftrag erfüllt und eine nachhaltige Geschäftstätigkeit betreibt. Ich kann mich dafür einsetzen, dass Gewinnmaximierung nicht auf Kosten der Angestellten stattfindet. Deshalb will ich auch weiterhin im Bankrat bleiben und zu einer ethischen, anständigen Politik beitragen. Man sollte der ZKB die Chance geben, aus ihren Fehlern zu lernen.



Sulzer und die ZKB

Mithilfe der ZKB konnten internationale Finanzinvestoren in grossem Stil in die Schweizer Industriebetriebe Saurer, Unaxis (heute OC Oerlikon) und Sulzer - ein langjähriger Kunde bei der Staatsbank - einsteigen. Nun ermittelt die Eidgenössische Bankenkommission, ob das Vorgehen der ZKB rechtens war. Deren CEO Hans Vögeli trat in der Folge des Debakels frühzeitig zurück, Martin Scholl tritt seine Nachfolge am 1. Juni an. Auch der dreizehnköpfige Bankrat - nach parteipolitischen Kriterien zusammengesetzt - steht im Juni im Kantonsrat zur Wiederwahl.

Thomas Heilmann

Der 57-jährige Heilmann sitzt seit 2003 für die Grünen im Bankrat der ZKB. Er gehörte zu den GründerInnen der Progressiven Organisationen Schweiz (POCH). Heilmann baute auch die Alternative Bank Schweiz und den Rotpunktverlag mit auf. Er sitzt in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung der Imag, der Herausgeberin der Schweizer Ausgabe von «Le Monde diplomatique».