Zürcher Kantonalbank: Drei Visionen, doch nur eine Bank

Nr. 47 –

Die Zürcher Kantonalbank gilt neu als systemrelevant. Über ihre künftige Geschäftspolitik hat die öffentliche Diskussion gerade begonnen. Und schon geht die ZKB gegen KritikerInnen vor und legt eine Website lahm.

Das Stelleninserat wurde letzte Woche aufgeschaltet, nachdem die Zürcher Kantonalbank für systemrelevant erklärt wurde. «Aufgrund einer Neuorientierung zugunsten der Zürcher Bevölkerung und einer möglichen Anklage und Verhaftung in den USA wegen illegaler Machenschaften des bisherigen Stelleninhabers» sucht die ZKB «einen Vorsitzenden der Geschäftsleitung». Mitzubringen sind neben einem «wirtschaftswissenschaftlichen Studium» auch «Vernunft, Anstand und Bodenständigkeit». Erwartet wird die «Umstrukturierung der Geschäftspolitik hin zu einer Bank mit einer nachhaltigen und sozialen Ausrichtung». Bewerbungen von Frauen werden begrüsst, weil bisher keine in der Geschäftsleitung vertreten sind. Schön wärs.

Die Website zkb-ceo.ch aufgeschaltet hat nicht die Bank, sondern die Juso des Kantons Zürich. Die gelungene Parodie macht deutlich, dass rund um die Bank eine Diskussion über ihre Ausrichtung entbrannt ist. Drei Visionen liegen im Wettstreit: die linke Vorstellung einer Bank, die ihrem sozialen und nachhaltigen Grundauftrag konsequent nachkommt. Dafür würde es eine härtere politische Aufsicht brauchen. Die liberale Vorstellung einer Bank, die sowieso längst privatisiert gehört. Dafür würde es keine direkte politische Aufsicht mehr brauchen. Und drittens die offizielle Version einer Bank, die behauptet, ihre Risiken im Griff zu haben. Bevor die Diskussion aber losgeht, ein Blick zurück. Die Bedeutung der Kantonalbanken versteht man am besten aus ihrer Geschichte.

Die Umwälzung

Mitte des 19. Jahrhunderts, im Gleichschritt mit der Bundesstaatsgründung, entstand in der Schweiz ein modernes Bankensystem mit den bereits bestehenden Privatbanken (ermöglichten Reichen die Steuerhinterziehung), den Geschäftsbanken (finanzierten den Eisenbahnbau und die Grossindustrie) sowie den Kantonalbanken (unterstützten das kantonale Gewerbe und Handwerk mit Krediten und Hypotheken auf Immobilien). Die Kantonalbanken verfügen bis heute fast alle über eine Staatsgarantie, die SteuerzahlerInnen haften also für die Verbindlichkeiten. Über das Dotationskapital, das der Staat als Eigner zur Verfügung stellt, sind die Kantone umgekehrt am Gewinn beteiligt. Das Dotationskapital entspricht dem Aktienkapital bei Geschäftsbanken.

Nach den beiden Weltkriegen war die Ordnung auf dem Finanzplatz stabil wie ein Tresor, zur grossen Umwälzung kam es erst in den neunziger Jahren: Eine hausgemachte Immobilienkrise traf die Kantonalbanken. Unter den Gewinnern waren bald die Geschäftsbanken, die in der Globalisierung der Finanzmärkte zu UBS und CS fusionierten. Zu den neoliberalen Ideen, die damals diskutiert wurden, zählte auch die Privatisierung der Kantonalbanken. Allerdings kam es nur in der Hälfte der Kantone zu einer Teilprivatisierung über die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft oder die Ausgabe von Partizipationsscheinen. Die Zürcher Kantonalbank blieb eine öffentlich-rechtliche Anstalt.

Was sie allerdings nicht daran hinderte, den Grossbanken bei ihren riskanten Geschäften nachzueifern: Der damalige CEO Hans Vögeli musste 2007 gehen, weil er dem russischen Oligarchen Viktor Vekselberg trickreich zu einer Beteiligung am Industriekonzern Sulzer verholfen hatte. Unter Nachfolger Martin Scholl nahm die Bank die Vermögen von mehr als 300 SteuerhinterzieherInnen aus den USA auf, weshalb ihr in den USA eine Strafe von geschätzten 300 Millionen Dollar droht.

Die Streitpunkte

So wie die Geschäftsbanken von der Immobilienkrise profitiert hatten, wurde die ZKB ab dem Jahr 2008 zu einer Gewinnerin der Finanzmarktkrise: 16 Milliarden Franken an Privatvermögen flossen zu der als sicher geltenden Institution. Ihre Bilanzsumme stieg bis 2012 auf 150 Milliarden, hinter UBS, CS und Raiffeisen ist sie damit die viertgrösste Bank der Schweiz. Wegen ihres hohen Marktanteils im Spar- und Kreditgeschäft wurde sie nun von der Nationalbank wie zuvor schon die UBS und die CS für systemrelevant erklärt: Gemäss dem aktuellen Geschäftsbericht ist jede zweite Zürcherin, jeder zweite Zürcher Kundin oder Kunde bei der ZKB, bei den Krediten beträgt der Anteil im Wirtschaftsraum Zürich vierzig Prozent.

Als systemrelevante Bank muss die ZKB höhere Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität erfüllen sowie einen Notfallplan entwickeln. Vorgaben sind noch keine bekannt. Die ZKB geht davon aus, dass sie die Anforderungen bereits heute erfüllt, weil sie kürzlich ihre Eigenkapitalquote von 9,6 auf 14,2 Prozent angehoben hat. Dafür hat sie ihre strategische Reserve von mehr als 2 Milliarden Franken eingesetzt.

In diesem Zusammenhang steht das dritte Thema nach Steuerstreit und Systemrelevanz, dessentwegen die Bank zu reden gibt: Auf Antrag des Bankrats soll der Zürcher Kantonsrat den Rahmen des Dotationskapitals von heute 2,5 Milliarden auf 4,5 Milliarden erhöhen, damit die Bank wieder eine Reserve bilden kann. Ausserdem will die ZKB in anderen Kantonen Zweigniederlassungen gründen und an Private Partizipationsscheine abgeben lassen. Kurz: Es geht um Stabilität und Expansion zugleich (gerüchteweise soll die Valiant-Regionalbank übernommen werden) – und um eine Privatisierung light.

In Zürich hat nicht die Regierung, sondern das Parlament die Oberaufsicht über die Kantonalbank. Es wählt den dreizehnköpfigen Bankrat, vergleichbar einem Verwaltungsrat, mit vollamtlichem Bankpräsidium, für das SP, FDP und SVP je einen Vertreter stellen.

Die Diskussion

«Die Bankräte sind oft Kopfnicker», findet Pascal Bührig, Kopräsident der Juso des Kantons Zürich. «Zwischen dem Leistungsauftrag der Kantonalbank und der Geschäftswirklichkeit besteht eine Diskrepanz.» Bei der Betreuung von US-SteuerhinterzieherInnen handle es sich nicht um «Mätzchen», sondern um ein «unseriöses Geschäft». Zum Leistungsauftrag der ZKB gehört neben Dienstleistungen für die Wirtschaft auch das Prinzip der Nachhaltigkeit. Die Juso fordert in einem Positionspapier, dass es bei allen Geschäften konsequent verfolgt wird. So soll sich die ZKB aus Derivatgeschäften zurückziehen, wenn sie einzig spekulativem Nutzen folgen, etwa bei Nahrungsmitteln.

«Die ZKB muss aus den Fesseln der Politik befreit werden», meint hingegen FDP-Kantonsrat Hans-Peter Portmann. Dass die Bank nun als systemrelevant gelte, will er zum Anlass nehmen, «ernsthaft über ihre Struktur zu diskutieren»: Ein Notfallplan werde die Parlamentsbank mit ihren langsamen Entscheidungsprozessen überfordern. Als mögliche Variante könnte er sich vorstellen, dass der Geschäftsteil mit den Tätigkeiten im Kanton Zürich bleibt wie bis anhin, aber alle ausserkantonalen Geschäfte sowie Bereiche wie das Investmentgeschäft als Universalbank ohne Staatsgarantie in eine Aktiengesellschaft überführt werden.

Zwischen den VertreterInnen der beiden Visionen herrscht ein Patt. Im bürgerlich dominierten Kantonsrat wird auch eine Privatisierung chancenlos bleiben, weil sich die SVP dagegenstellt. Es geht dabei, das merkt jeder Schelm, um eine enorme Staatseinnahme, die Privaten zufallen würde: 374 Millionen Franken schüttete die ZKB im letzten Jahr als Gewinn an Kanton und Gemeinden aus.

So bleibt die offizielle Vision der Bank. János Blum, SP-Vertreter im Bankratspräsidium, betont, dass er die Interessen der Kantonalbank zu vertreten habe. «Eine Privatisierung ist im Bankrat kein Thema, ebenso wenig wird die Nachhaltigkeit als Ziel infrage gestellt», sagt Blum. Auch der Vermutung, dass die ZKB mit dem Investmentbanking für ihre KundInnen ein Risiko darstelle, erteilt er eine Absage: «Das Handelsgeschäft spielte keine Rolle für die Einstufung der Zürcher Kantonalbank als systemrelevant.» Für die Erhöhung des Dotationskapitals durch den Kantonsrat gibt er sich zuversichtlich, auch wenn die SP noch «Ja, aber» und die Grünen Nein sagen wollen: «Dass Banken mehr Eigenmittel halten sollen, haben insbesondere linke Parteien als Lehre aus der Finanzkrise gefordert. Ich nehme nicht an, dass sie plötzlich eine Kehrtwende machen, wenn es konkret wird.»

Ruhig um die ZKB dürfte es in den nächsten Monaten nicht bleiben. Für neue Kritik sorgen wird die Busse im US-Steuerstreit. Dass sie mit Kritik nicht besonders gut umgehen kann, zeigte die Bank, als sie im September zwei Mitarbeiter entliess, wie Blum der WOZ bestätigt. Sie verfassten auf dem Finanzportal Inside Paradeplatz «unpassende Kommentare». Kurz vor Redaktionsschluss wird bekannt, dass die ZKB mit einer 38-seitigen Klageschrift gegen die Parodiewebsite der Juso vorgeht. Wegen der Abstimmung über die 1:12-Initiative wurde sie in einer richterlichen Verfügung für dringlich erklärt. Der Internetdienstleister Switch sperrte sie daraufhin. Gelassenheit sieht anders aus.