Wahlserie: Liberté, Egalité, kein AKW

Nr. 33 –

Am 21. Oktober finden die National- und Ständeratswahlen statt. Hier ist der WOZ-Plan für alles Mögliche.

Es war ein politisches Attentat im Fernsehstudio: Als die Hochrechnungen zu den letzten National- und Ständeratswahlen im Jahr 2003 der SVP elf zusätzliche Sitze versprachen, zückte Ueli Maurer das Messer. Entweder wird Christoph Blocher in den Bundesrat gewählt, diktierte er vor laufender Kamera den übrigen Parteipräsidenten. Oder die SVP geht in die Opposition. Das Diktat wirkte, Ruth Metzler fiel ihm zum Opfer. Als Nachfolger von Kaspar Villiger schlich sich gleich auch noch Hans-Rudolf Merz in den Bundesrat. Obwohl im Parlament gesamthaft sogar fünf Sitze von rechts nach links gewechselt hatten, stand die Regierung jetzt ganz rechts.

Die neue Biederkeit

Tatsächlich setzte sie in der Bevölkerung längst nicht alle Vorlagen durch, das Steuerpaket zum Beispiel scheiterte im Referendum. Etwas aber schlug sich dennoch Bahn: die Politik des Entweder-oder. Die Politik der unbedingten Eindeutigkeit. Beispielhaft zeigt sie sich im revidierten Asyl- und Ausländerrecht: Entweder einer legt einen Pass vor. Oder er landet auf der Strasse. Entweder eine ist verliebt. Oder sie lebt in einer Scheinehe. «Schreiben, was ist», heisst das Leitmotiv der «Weltwoche», die zu dieser Politik den publizistischen Soundtrack liefert. Als wäre die Wirklichkeit über Statistiken allein zu erfassen.

Doch nicht bloss der Politik der unbedingten Eindeutigkeit gehörten die letzten vier Jahre. Sondern ebenso den einschläfernden Massnahmen: Der Rauch verschwand aus den SBB-Wagen. Die Punks sitzen nicht mehr an den Bahnhöfen. Die Fussballstadien gehören der Familie. Und in den Supermärkten werden Masken gegen die Vogelgrippe angeboten. Plakate und Lautsprecher, PolizistInnen und Troubleshooter, sie alle flüstern uns freundlich zu: «Bis hierhin und nicht weiter. Du musst doch auch sehen, dass. Und verstehen, dass.»

Die Aufhebung des Eisernen Vorhanges und die Auflösung der sozialen und konfessionellen Milieus haben nicht mehr Freiheit gebracht. Stattdessen verschieben sich die Grenzen von aussen nach innen. Die Aushandlung der Identität passiert jetzt im Nahkampf. Und so prügeln sich pünktlich zum Wahlsommer 2007 die linken Pragmatiker-Innen und die rechten PolemikerInnen auf dem Pausenplatz über die Jugendgewalt. Wer dabei für scharfe, wer für somnambule Praxen plädiert, lässt sich kaum mehr unterscheiden. Trotz dem lärmigen Ton ist die Folge: der gemeinsame Aufbruch zur neuen Biederkeit. So betont lässig und unerhört bieder zugleich ging es in der alten Theaterkulisse Schweiz lange nicht zu. Hop Sviz!

Der Plan

Was also tun, als WOZ im Wahlkampf? Wir zücken unseren Plan für die unbedingten Möglichkeiten. Denn genau um sie geht es ja. Wo nämlich in den letzten vier und mehr Jahren die Schotten dichtgemacht wurden, da wollen wir für Lücken, Ausreden, Geblinzel, Tricks, Kleinkriminalität und diebische Freude überhaupt plädieren. Wenn die Eindeutigkeit zur Einfältigkeit führt, wollen wir Möglichkeiten zeigen, wie alles ganz anders sein könnte. Vielleicht lässt überhaupt nur der Glaube an die Möglichkeit Eigensinn zu. Und damit, zu leben.

Wie jeder gute Plan hat auch unser Plan eine Grundlage: In den nächs-ten zehn Wochen bis zum Wahlsonntag ist das je eine Seite im Inlandteil. Und wie jeder gute Plan besteht auch unser Plan aus drei Schritten: In der ers-ten Phase werden wir Verbündete suchen. Querschläger, Dreinredner, Besserwisser, welche die Situation ähnlich sehen könnten. In dieser Ausgabe geht es los mit einem der jungen Hoffnungsträger der Grünen, dem Offroadergegner Bastien Girod. Die entscheidende Frage an ihn: Was heisst «grün»? In der nächsten Ausgabe folgt die Frage an die Jusos: Wer kommt nach den pragmatischen SP-Nationalrätinnen?

Die zweite Phase gehört der grossen Geste. Unter dem Motto «Liberté, Egalité, kein AKW» behandeln wir drei dringliche Themen: In einem Manifest werden wir Gegenvorschläge zum schleichenden Verlust der Freiheit zusammentragen (Liberté). Ausgehend vom angekündigten Protest der Bauarbeiter gegen die Kündigung ihres Gesamtarbeitsvertrages möchten wir über die Lohn- und Steuergerechtigkeit reden (Egalité). Und wir werden zeigen, wer in der nächsten Legislatur für den Bau eines neuen Atomkraftwerks lobbyiert (kein AKW).

Die dritte Phase gehört dem Aussenblick: Die Politjournalistin Nina Horaczek von der Wiener Stadtzeitung «Falter» wird den Schweizer Wahlkampf aus dem EM-Nachbarland im Osten verfolgen.

Der letzte Schritt wäre dann, die Regierung der alten, völkerrechtswidrigen Männer zu stürzen. Er wird schon möglich werden.