Burma: Der eiserne Griff

Nr. 40 –

Die Generäle haben gesiegt. Die Bewegung der Mönche konnte deren Macht nicht brechen, die ihre Wurzeln im antikolonialen Kampf gegen das Britische Empire hat.

Es ist wieder ruhig auf den Strassen von Rangun. Die Militärs haben die Ausgangssperre verkürzt und den Stacheldraht vor den zentralen Pagoden eingerollt; viele Mönche wurden verhaftet und sollen in Gefängnisse im Norden des Landes transportiert werden. Über 100 000 Menschen hatten in den vergangenen Wochen auf den Strassen Burmas mehr Freiheit und Demokratie gefordert. Doch die Militärjunta unter dem 74-jährigen General Than Shwe kartätschte auch diesmal, knapp zwanzig Jahre nach den letzten grossen Demonstrationen, unerbittlich alles nieder, was ihre Despotie infrage stellt - und bleibt damit weiter an der Macht. Warum ist das Regime so stabil? Die Gründe dafür sind in innen- wie aussenpolitischen Entwicklungen und Konstellationen zu suchen. Dazu zählen der Einfluss Chinas, eine flächendeckende Überwachung im südostasiatischen Land und die wirtschaftlichen Beziehungen westlicher Staaten mit dem Militärregime.

Projapanisches Paktieren

Bereits vor der japanischen Invasion während des Zweiten Weltkriegs, als Burma noch eine Kolonie Britanniens war, hatte sich Aung San, der Vater der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, mit anderen bereit erklärt, eine bewaffnete Armee unter der Ägide des japanischen Kaiserreichs aufzustellen - gemäss der Devise: Der Feind meines Feindes (in diesem Fall Britannien) ist mein Freund. Aung Sans Tochter, Aung San Suu Kyi, gewann später den Friedensnobelpreis und gilt als eine Leitfigur der Demokratiebewegung - im Ausland wurde sie indes zu deren Ikone hochstilisiert. Das militaristische Japan drapierte seine eigenen hegemonialen Ziele in Asien mit dem Konzept der «Grösseren Ostasiatischen Gemeinsamen Wohlstandssphäre» und sah sich damals als «Licht und Beschützer Asiens» im Kampf gegen westlichen Kolonialismus und Imperialismus. Als Tokio im August 1943 ein Vasallenregime in Burma installierte, war Aung San - eine Zeit lang geschult auf der japanisch okkupierten chinesischen Insel Hainan - Kommandeur der Burma Defense Army und wurde Oberbefehlshaber der pro-japanischen Regierung. Aung San zählte anfänglich zu den glühendsten Bewunderern Japans in Südostasien. So wie Japan die Region umgestalten und die dort ansässigen Menschen in gefügige Untertanen verwandeln wollte, erstellte Aung San einen rigiden Zentralstaat. Dieser sollte nach aussen unabhängig und im Innern stabil sein. Zentrifugale Tendenzen galten als staatsgefährdend. Das war in einem Vielvölkerstaat wie Burma eine verhängnisvolle Weichenstellung. Erst kurz vor Kriegsende wechselte Aung San die Seiten und beteiligte sich am Aufbau der Antifaschistischen Volksfreiheitsliga. Er unterzeichnete 1948 das Abkommen über die Unabhängigkeit Burmas und wurde zum ersten Premierminister ernannt. Bevor er sein Amt jedoch antreten konnte, wurde er von politischen Widersachern erschossen.

Militarismus als Staatstugend

Landesweite Revolten, das Erstarken der Kommunistischen Partei Burmas und Aufstände ethnischer Minderheiten wie der Shan, Kachin, Mon oder Karen veranlassten Generalleutnant Shu Maung 1962 zum Militärputsch gegen U Nu, der an der Stelle von Aung San erster Premier Burmas geworden war. Der neue Befehlshaber, ein Freund von Aung San, schuf ein Militärregime, dem er von 1962 bis 1988 vorstand. Der Kurs von Bo Ne Win («Strahlende Sonne»), wie Shu Maung auch genannt wurde, war faschistoid und fremdenfeindlich. Nur was dem Militär und dem Staatserhalt diente, war akzeptiert.

Die ersten Opfer dieser drakonischen Politik waren die StudentInnen. In der Hauptstadt Rangun liessen Gefolgsleute Ne Wins im Sommer 1962 sogar einen Teil der Universität sprengen. Landesweit blieben Hochschulen geschlossen, sodass sich Tausende Studierende im Hinterland Guerillaeinheiten anschlossen oder im Ausland - vorzugsweise im benachbarten Thailand - Asyl suchten. Gegen die Guerillaeinheiten ging das Militär mit grosser Brutalität vor; BewohnerInnen ganzer Dörfer, selbst Kinder, wurden zwangsweise in die Kriegsführung eingebunden. Wie in keinem anderen südostasiatischen Land entstand ein allgegenwärtiges, höchst effizientes Blockwartsystem, das heute noch jede oppositionelle Regung schnell erfasst. Informantinnen und Spitzel hätschelte das System ebenso wie bereitwillige InvestorInnen, wenn diese sich nur verpflichteten, Mitglieder der Junta ausreichend zu schmieren.

1988 schien sich das Blatt zu wenden, als Proteste und Demonstrationen gegen das Regime in der Metropole Rangun zu vernehmen waren - und zwar stärker als heute. Die Tage Ne Wins waren gezählt, nicht aber die des Militärs. Es folgte General Saw Maung, der seinerseits 1997 die Macht an Than Shwe abgeben musste, nachdem dieser verschiedene Rivalen ausgeschaltet hatte. Auch das ist eine Konstante innerhalb des burmesischen Militärs: Gefolgsleute von einst beiseitezuschieben, sobald sie Anzeichen von «Schwäche» und Dialogbereitschaft mit dem «Gegner» signalisieren.

Than Shwe baute 2006 eine neue Hauptstadt in Naypyidaw («Königliche Residenz»). Er schottete sich damit in unwirtlichem Terrain von der Bevölkerung ab, denn er misstraut dem Moloch Rangun mit seinen überbordenden sozialen Problemen, fürchtet die Hafenstadt als möglichen Dreh- und Angelpunkt eines Regimewechsels und sieht sich so dem grossen politischen Verbündeten und potenten Wirtschaftspartner, der Volksrepublik China, näher. China ist der grösste Abnehmer von Burmas Gas- und Ölvorkommen. Es ist absehbar, dass sich der Norden Burmas zum bedeutsamen Investitionsgebiet Chinas entwickelt, da chinesische Exporte von dort und der Hafenstadt Rangun aus Südasien den Nahen Osten sowie Europa schneller erreichen können. Doch nicht nur China handelt mit Burma. Gemäss der seit eineinhalb Jahrzehnten aktiven Burma-Kampagne in London steigerte allein die ehemalige Kolonialmacht Britannien unter der Labour-Regierung ihre Importe aus Burma auf das Vierfache - von 17,3 Millionen Pfund im Jahr 1998 auf über 74 Millionen Pfund 2004. Auch das Schweizer Reiseunternehmen Kuoni bietet laut Informationen der Burma-Kampagne seit Anfang Jahr wieder Reisen nach Burma an.

Die Macht des Militärs, das haben die Ereignisse der letzten Wochen gezeigt, ist nicht einzudämmen: Obwohl Burma bei Ausgaben im Gesundheitswesen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf Rang 190 von 191 liegt und rund 35 Prozent der Kinder im Land unternährt sind, hat Burma mit 490 000 aktiven Soldaten weltweit die zehntgrösste Armee. Das Regime gilt weiter als verlässlichster Partner der Volksrepublik China und wird im Norden des Landes die Pforten noch weiter öffnen. Auslöser der jüngsten landesweiten Proteste und Demonstrationen waren drastische Preissteigerungen für Benzin und Lebensmittel. Während also die Rohstoffe für die Bevölkerung knapp gehalten werden, tat die Militärjunta gleichzeitig alles, um den reibungslosen Zufluss der Öl- und Gaslieferungen nach China zu garantieren.