Burma: Überklebte Hilfspakete

Nr. 20 –

Selbst Katastrophenhilfe ist für die herrschenden Generäle eine Frage der Macht. Und da dulden sie keine Konkurrenz. Der oberste Armeechef sieht sich dabei in der Tradition der burmesischen Könige.

Für viele Burmesinnen und Burmesen ist es klar: Höhere Mächte haben das verheerende Unglück in Gestalt des Zyklons Nargis geschickt. Sie wollten damit das Verfassungsreferendum vom 10. Mai verhindern und die Machthaber Burmas, die Generäle, bestrafen. Diese sind verantwortlich für die Ereignisse vom letzten Herbst. Damals haben bei Hungerrevolten Soldaten Dutzende Mönche getötet. Hunderte sind geschlagen, verhaftet und gefoltert worden. So geht man in einem buddhistischen Land nicht mit Mönchen um. Die Menschen sind überzeugt: Die Generäle haben durch ihr Vorgehen Schuld auf sich geladen, für die bezahlt werden muss. Auch wenn es jetzt die Falschen, nämlich das einfache Volk, erwischt hat.

Die Herrscher Burmas mussten dem Volk nie Rechenschaft ablegen. Oben und Unten war schon immer klar definiert. Wann immer eine neue Dynastie gegründet wurde, errichtete man eine neue Hauptstadt zum Ruhme des Königs. Das bedeutete jahrelange Frondienste für die BäuerInnen. In der Tradition der burmesischen Könige sieht sich auch der jetzige Machthaber, der Staatspräsident und oberste Armeechef Than Shwe. Er hat Ende 2005 den Regierungssitz von Rangun in die Nähe der Stadt Pyinmana verlegen lassen. Naypyidaw nennt sich nun die neue Hauptstadt: «Sitz der Könige».

Während den Machthabern die Verlegung des Regierungssitzes nicht genug kosten durfte und für die Armee vierzig Prozent des Staatshaushaltes aufgewendet werden, vernachlässigt man das Gesundheitswesen fast völlig. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO liegt das Land in diesem Bereich auf Platz 190 von 191 Staaten. 35 Prozent aller Kinder sind unterernährt. Dafür besitzt das Land die weltweit zehntgrösste Armee. Diese bildet eine eigene Kaste und betreibt für ihre Angehörigen eigene Kliniken und Schulen.

Die Tatmadaw, wie die Armee auf Burmesisch heisst, wurde in den vierziger Jahren mithilfe der japanischen Faschisten aufgebaut, die zuvor die britische Kolonialmacht vertrieben hatten. Schon damals beging die Tatmadaw Menschenrechtsverletzungen an den ethnischen Minderheiten. Später wechselte sie die Seite und kämpfte zum Schluss des Zweiten Weltkrieges mit den Briten gegen Japan.

Abergläubischer Chef

1948 wurde Burma von Britannien unabhängig. Die Kolonisation hatte das Land zuvor jedoch stark gespalten, weil die Briten einzelne der über hundert ethnischen Minderheiten gegen andere ausspielten. So sah sich der neue Staat von Anfang an mit bewaffneten Autonomiebestrebungen konfrontiert. Darüber hinaus führten auch zwei kommunistische Gruppierungen einen bewaffneten Kampf gegen die Regierung. Die burmesische Armee hatte von Anfang an eine starke Stellung im Land, weil sie die verschiedenen Guerillagruppen bekämpfte. Menschenrechte haben dabei nie eine Rolle gespielt.

1962 übernahm die Armee mit einem Staatsstreich die politische Macht. Nach ihrer Lesart war die Regierung zu schwach, um mit den inneren Bedrohungen fertig zu werden. Das Land schottete sich danach ab. Jede Einmischung von aussen, selbst jede noch so kleine Kritik an Menschenrechtsverletzungen, gilt seither als neokolonialistischer Angriff. So legt man etwa der bekannten Oppositionellen und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zur Last, dass sie Michael Aris, einen Engländer, geheiratet hat. Die Aufrechterhaltung der Ordnung und der Wille zur Macht, gepaart mit Fremdenfeindlichkeit, das ist es, was die Generäle umtreibt.

Dass sie sich bisher an der Macht halten konnten, liegt zum grossen Teil an ihrer straffen Befehlsstruktur. Abweichungen werden schnell erkannt und bekämpft. Der oberste Führer Than Shwe verlangt unbedingten Gehorsam. Niemand wagt es, gegen ihn zu opponieren. Er tritt öffentlich nur bei Militärparaden auf. Wenn er krank ist, lässt er sich in ein Spital nach Singapur fliegen. Vor wichtigen Entscheidungen beraten ihn vornehmlich Astrologen.

Verwunderlich ist dennoch, dass die Regierung in den ersten Tagen der Katastrophe nicht reagierte. Zum einen war sie wohl organisatorisch überfordert. Andererseits glauben die Militärs, die westlichen Helfer könnten politisch intrigieren. Ausserdem fühlen sie sich offenbar beschämt, wenn AusländerInnen Hilfsgüter verteilen. So sind denn auf den Hilfspaketen, die aus dem Ausland stammen, die Etiketten der Herkunftsländer überklebt worden. Teilweise stehen stattdessen die Namen von hochrangigen burmesischen Militärs darauf.

Gesuchte Legitimität

Die Generäle sehen sich in ihrer Macht herausgefordert, wenn andere den Opfern der Katastrophe helfen. Der Filmstar Kyaw Thu, der als Oppositioneller gilt, wurde gewaltsam daran gehindert, Reis an Bedürftige zu verteilen. Auch die Mönche dürfen nicht helfen. Sie gelten als politisch zwielichtig. Lokale Behörden haben Klöstern verboten, Obdachlose bei sich aufzunehmen.

Dass die Vertreter des Militärregimes am Wochenende trotz der Katastrophe im Lande über das Verfassungsreferendum abstimmen liessen, zeigt, dass sie dennoch ein gewisses Mass an politischer Legitimität erlangen wollen. 2010 sollen Parlamentswahlen abgehalten werden. Nichts deutet jedoch daraufhin, dass die Armee freiwillig ihre Macht abgeben will. Auch wenn die höheren Mächte grollen.