Ölpest: Mächtige Seelenverkäufer

Nr. 50 –

Jährlich landen sieben Millionen Tonnen Öl im Meer. Unfälle wie der vor der koreanischen Küste sind nur die spektakulären Ausnahmen.

Mallipo, Südkorea: Siebzehn Kilometer Strand sind verseucht, nachdem ein chinesischer Öltanker von einem Lastkahn gerammt wurde. Strasse von Kertsch im Schwarzen Meer: Ein schwerer Sturm versenkt mehrere Schiffe, darunter einen Öltanker sowie Chemiefrachter. San Francisco Bay, Kalifornien: Gouverneur Arnold Schwarzenegger ruft den Notstand aus, nachdem ein Containerschiff einen Brückenpfeiler rammt und aus seinem Treibstofftank 220 000 Liter Öl verliert.

Dreimal innert vier Wochen haben Meldungen einer Ölpest Schlagzeilen gemacht. Doch diese Häufung ist zufällig, die Tendenz ist gegenläufig. In den siebziger Jahren kam es laut der International Tanker Owners Pollution Federation Limited (Itopf) - einer von Reedereien gegründeten Organisation zur Bewältigung von Chemie- und Ölverschmutzungen durch Tankschiffe - noch zu durchschnittlich 25 grösseren Tankerunfällen pro Jahr. Seither sank diese Zahl kontinuierlich und liegt im laufenden Jahrzehnt bei 3,7 Unfällen pro Jahr - und das, obwohl auf den Meeren immer mehr Öl transportiert wird: Seit 1988 hat sich die Transportleistung (Tonnage mal Distanz) von Öl verdoppelt. Die Zahl der Unfälle dürfte noch weiter sinken: Ab 2010 (in Ausnahmefällen ab 2015) sind einwandige Öltanker weltweit verboten. Ein solches Verbot hätte die jüngste Ölpest vermutlich verhindert: Die «Hebei Spirit», deren Öl die südkoreanische Küste verseucht hat, war ein einwandiger Tanker; wie ein Dosenöffner hat das zweite Schiff drei ihrer dreizehn Tanks aufgeschlitzt. Doppelwandige Tanker sind sicherer.

Nicht bis 2010 warten

Die Tendenz ist erfreulich. Aber Jörg Feddern von Greenpeace Deutschland mag nicht jubeln: «Jeder Tankerunfall ist einer zu viel.» Greenpeace fordert das Verbot einwandiger Tanker schon lange. Bis 2010 zu warten, sei zu lang, sagt Feddern und appelliert unter anderem an Reedereien und Auftraggeber, jetzt schon nur noch doppelwandige Tanker einzusetzen. Einige tun das bereits - etwa, nach eigenen Angaben, der Erdölkonzern BP.

Steigt das Problembewusstsein in der Branche, ist das ein Grund für den Rückgang der Unfallzahlen? Nein, sagt Feddern. Und es ist auch kaum die Höhe der Schäden an Natur und Wirtschaft der verschmutzten Küsten, die ein Umdenken befördert. «Entschädigungen für Ölverschmutzungen machen nur drei Prozent vom gesamten Schaden aus», zitiert die «Zeit» einen Schiffsversicherer. Weitaus mehr Geld koste es, beschädigte oder verloren gegangene Ladung zu ersetzen und verletzte Seemänner zu entschädigen. Der gestiegene Wert der Ladung - der hohe Ölpreis - dürfte also mehr zum «Problembewusstsein» beitragen als die Sorge um die Umwelt.

Billige Flaggen, viel Macht

Die internationale Seefahrt wird von der International Maritime Organization (IMO) reguliert; sie ist es, die das Verbot für einwandige Schiffe erlassen hat. Doch in der IMO ist die Macht derer, die auf seeuntaugliche Seelenverkäufer setzen, um Geld zu sparen, institutionalisiert. Die Stimmrechte sind in dieser Organisation gemäss Flottengrösse verteilt: Ein Staat, der mehr Schiffe unter seiner Flagge hat, hat mehr zu sagen. So gehören denn die kleinen Staaten Liberia und Panama in der IMO zu den Riesen. Sie bieten skrupellosen Reedern ihre Flagge an und belasten diese nicht mit lästigen Vorschriften.

Der Rückgang der grossen Unfälle sagt nichts über das wahre Problem der Verschmutzung der Meere durch Öl aus: Kleine Unfälle unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle der Medien geschehen fast täglich. Etwa im Wochenrhythmus, sagt Feddern in seinem Greenpeace-Büro am Hamburger Hafen, träfen in Hamburg Meldungen von Ölklumpen ein, die an der Küste gefunden worden seien. Diese kommen aus unterschiedlichsten Quellen. Allein der reguläre Betrieb der Ölplattformen belastet die Nordsee mit 10 000 Tonnen Öl pro Jahr - etwa die Menge, die aus der «Hebei Spirit» vor Südkorea ausgelaufen ist.

Sieben Millionen Tonnen Öl

Weltweit landen 0,2 Prozent des geförderten Öls in den Meeren - das sind gegen sieben Millionen Tonnen jährlich. Den Hauptharst macht Öl aus, das verdunstet oder über unvollständige Verbrennung in die Atmosphäre gelangt und dann ausregnet. Vom Rest stammt die Hälfte aus Industrie- und Haushaltabwässern und je sechs Prozent von Tankerunfällen und von «Tankeroperationen» - also Ablassen von Öl auf See. Schliesslich verlieren auch Förderplattformen Öl. Dieses Öl ist giftig, es belastet den Stoffwechsel von Meerestieren und -pflanzen, beeinträchtigt ihre Fruchtbarkeit und schädigt die Menschen, die am und vom Meer leben.

Die Verbrennung von Erdöl verursacht Kohlendioxid und ist für die Klimaerwärmung verantwortlich; davon sprechen derzeit alle. Dabei geht gelegentlich vergessen, wie schlecht die Umwelt- und Sozialbilanz des Öls ist, bevor dieses überhaupt in den Auto- und Heizöltanks landet.