Schwarzrost: Wenn Wind Hunger bringt

Nr. 26 –

Die Weizenkrankheit verbreitet sich rasend schnell durch Afrika und den arabischen Raum. ForscherInnen arbeiten fieberhaft daran, den Pilz zu stoppen, bevor er Indien befällt. Sonst droht eine ernsthafte Ernährungskrise.

Es ist Peter Njaus letzter Tag im Labor am Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich. Seine Miene ist ernst. Er befindet sich in einem Wettlauf mit der Zeit. Der Feind heisst Ug99: «Er attackiert die Pflanze kurz bevor sie erntereif ist und zerstört ein gesundes Weizenfeld innerhalb von zwei bis drei Wochen.» Schwarzrost ist die gefürchtetste aller Weizenkrankheiten und hat in der Geschichte wiederholt zu grossen Hungersnöten geführt. Verursacht wird sie durch den Pilz Puccinia graminis. Ug99 ist eine neue Rasse dieses Pilzes und erstmals 1999 in Uganda aufgetreten. Seither hat er sich rasend schnell ostwärts verbreitet: 2001 ist er in Peter Njaus Heimat Kenia eingefallen, 2003 in Äthiopien, 2007 hat er den Jemen erreicht, jüngst ist er in Weizenfeldern im Iran aufgetaucht.

Eine Epidemie droht

Ende April hat Norman Borlaug in der «New York Times» aufgerufen, praktisch den gesamten kommerziell angebauten Weizen zu ersetzen, um eine drohende Katastrophe zu verhindern: Ug99 könne die weltweite Weizenproduktion um sechzig Millionen Tonnen vermindern. Das ist mehr als die USA als drittgrösstes Produktionsland jährlich an Weizen produzieren. Borlaug ist nicht irgendwer. Er gilt als Vater der «Grünen Revolution», für die er 1970 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Den Stein ins Rollen gebracht hatte die letzte grosse Schwarzrostepidemie 1950 bis 1954 in den USA: Sie vernichtete vierzig Prozent der gesamten Ernte. Auf die Initiative des 94-Jährigen hin ist 2005 ein internationales Konsortium zur Bekämpfung von Ug99 entstanden, das mittlerweile seinen Namen trägt: Borlaug Global Rust Initiative (BGRI).

«Die Gefahr einer globalen Epidemie besteht tatsächlich», sagt auch Beat Keller, Professor am Institut für Pflanzenbiologie der Uni Zürich und Spezialist für Weizenkrankheiten. Neunzig Prozent aller Weizensorten weltweit sind anfällig auf Ug99. Denn sie alle tragen das Resistenzgen Sr31, das Ug99 überwunden hat. Das hat damit zu tun, dass das Weizenzüchtungszentrum Cimmyt in Mexiko, das vor allem für Entwicklungsländer krankheitsresistente Weizenlinien züchtet, das Resistenzgen Sr31 in zahlreiche Sorten eingekreuzt hat - «offensichtlich unbewusst», wie Keller betont.

Jetzt trägt der Wind die Sporen des Pilzes in alle Welt hinaus, teilweise über Tausende von Kilometern. Einen gewissen Schutz bieten einzig geografische Barrieren wie Meere oder Gebirge - oder das Klima. «Wahrscheinlich werden schon ein paar Sporen über die Alpen geblasen», sagt Beat Keller, «aber das Pathogen kann sich trotzdem nicht bei uns etablieren, weil es zum Überwintern zu kalt ist.» Doch welche Optionen haben die Hauptanbaugebiete für Weizen? Zwar gibt es Fungizide, doch sind sie erstens nicht besonders wirksam und zweitens viel zu teuer für die allermeisten BäuerInnen, wie Peter Njau am Beispiel Kenia erklärt. Um den Ernteverlust in Grenzen zu halten, muss man ein Feld dreimal mit Fungiziden besprühen. Das erhöht die Produktionskosten um bis zu dreissig Prozent.

Die einzig verbleibende Alternative ist die Züchtung neuer, resistenter Weizenlinien. Damit begannen Peter Njau und seine KollegInnen vom Kenya Agricultural Research Institute (KARI) in Njoro bereits 2001. Mittlerweile testen sie jährlich über 10 000 verschiedene Weizensorten auf ihre Resistenz gegen Ug99 - Sorten, die sie aus aller Welt zugeschickt erhalten und in ihren Aufzuchten mit dem Pathogen infizieren. «Schliesslich will niemand das extrem gefährliche Pathogen importieren, um es vor Ort an den eigenen Weizensorten zu testen», erklärt Beat Keller. Er betreut Peter Njau während der zwei Monate, die er jedes Jahr im Rahmen seines Dissertationsprojekts in Zürich verbringt, um Laboranalysen vorzunehmen und sich in molekularbiologischen Methoden fortzubilden.

Bislang sind rund fünfzig Resistenzgene gegen Schwarzrost bekannt. Njau versucht herauszufinden, ob es irgendwo im Genpool von Weizen weitere Resistenzquellen gibt, die gegen Ug99 wirksam sind - im Hinblick auf eine künftige Resistenzzüchtung. «Grundsätzlich existieren dazu zwei verschiedene Ansätze», erklärt Keller: «Man kann mit Hauptgenen oder mit sogenannten Minor Genes arbeiten.»

Hauptgene zeichnen sich durch eine hohe Wirksamkeit aus. Gleichzeitig ist es für ein Pathogen relativ leicht, ihre Resistenz zu durchbrechen. «Kombiniert man verschiedene Resistenzgene in einer Weizenlinie, wie das in Australien gemacht wird, reduziert das die Wahrscheinlichkeit, dass eine Variante des Pathogens gleich die gesamte Kombination durchbricht.» Auch ist dieser Weg vergleichsweise einfach und schnell, weil man besser nachverfolgen kann, ob die einzelnen Resistenzgene in den neu gezüchteten Linien auch tatsächlich vorhanden sind.

Asexuell vermehrt

Langfristig mehr Erfolg verspricht allerdings die Arbeit mit Minor Genes, wie Keller aufgrund seiner Forschung zu Braunrost und Mehltau weiss. Zwar haben die einzelnen Gene nur eine quantitative Wirkung, das heisst, sie erhöhen die Resistenz der Pflanze nur ein bisschen. «Kombiniert man aber zwischen drei und fünf dieser Gene, so verstärken sie sich gegenseitig in ihrer Wirkung bis zu dem Punkt, an dem die Schadensschwelle für den Bauern nicht mehr überschritten wird.» Und ihre Resistenz ist dauerhaft. «Diesen Weg verfolgt man jetzt in Kenia.»

Peter Njau weiss aus eigener Erfahrung, dass eine Resistenzzüchtung, die auf einzelnen Hauptgenen beruht, im Fall von Ug99 nichts bringt. «Wir haben bereits 2005 eine resistente Weizensorte entdeckt. Bevor wir sie aber an andere Länder weitergeben konnten, hatte das Pathogen 2006 bereits mutiert und war nun fähig, das Resistenzgen Sr24 zu durchbrechen.» Ein Jahr später mutierte Ug99 erneut und machte nun auch Sr26 wirkungslos - ein Resistenzgen, das hauptsächlich im US-amerikanischen Winterweizen vorkommt. Ausserdem trat das mehrfach mutierte Pathogen 2007 im Jemen noch aggressiver auf als zuvor in Ostafrika, wie die Welternährungsorganisation FAO feststellte. Njaus Besorgnis wuchs: «Eine so rasche Mutation - das war einfach nicht normal!»

Eine mögliche Erklärung liefert Bruce McDonald, Professor für Pflanzenpathologie an der ETH Zürich. Er betont, dass Mutation eine Funktion der Populationsgrösse ist: Auf eine Million Sporen kommt eine, die ein virulentes Gen trägt - eines, das fähig ist, die Resistenz gegen Ug99 zu durchbrechen. «Das Problem in Kenia ist, dass sich das Pathogen dort asexuell vermehrt und dabei Abermillionen von Sporen produziert.» Die Situation gleicht einem Buschbrand, der sich an den Weizenfeldern nährt und wächst. Bekämpfen lässt sich der nur, indem man die brennenden Felder mit Löschmittel aus der Luft besprüht - im Fall von Ug99 also mit Fungiziden. «Als Langzeitmassnahme ist das nicht empfehlenswert», fügt McDonald hinzu, «für die Züchtung von Resistenzen aber der einzig sinnvolle Weg.»

Aufklären und organisieren

Deshalb betreiben Peter Njau und sein Team viel Aufklärungsarbeit vor allem unter den KleinbäuerInnen. Sie machen achtzig Prozent aller WeizenproduzentInnen in Kenia aus. Und weil sie kein Geld für die teuren Fungizide besitzen, besprühen sie ihre Felder bestenfalls ein Mal. Damit verlieren sie nicht nur die Hälfte ihrer Ernte, sie reduzieren auch die Sporenzahl kaum. «Für die kommende Saison versuchen wir deshalb, die Klein- und die GrossbäuerInnen dazu zu bringen, sich zusammenzutun und gemeinsam Fungizide zu kaufen», erklärt Njau. So können die GrossbäuerInnen, die über fortgeschrittene Anbautechnologien verfügen, die Felder der umliegenden KleinbäuerInnen mit besprühen. «Das ist für beide von Vorteil: Die Felder der KleinbäuerInnen sind weniger stark befallen und übertragen daher auch die Infektion weniger stark auf die grossen Felder.»

Parallel dazu arbeiten Njau und seine KollegInnen unermüdlich auf einen Durchbruch in der Resistenzzüchtung hin. Hat Ug99 Indien erreicht, bevor sie eine resistente Weizenlinie entwickelt haben, ist die Prognose düster. Nicht nur, weil in Indien über fünfzig Millionen KleinbäuerInnen von der Weizenproduktion abhängig sind. «Das wäre eine Katastrophe für die ganze Welt», ist Peter Njau überzeugt. Denn in Indien wird rund zwanzig Prozent des weltweit konsumierten Weizens angebaut.

«Ug99 bedroht die globale Ernährungssicherheit. Punkt.» Dieses Argument führt Richard Ward im Zusammenhang mit dem im April gestarteten Grossprojekt zur weltweiten Bekämpfung von Rostkrankheiten ins Feld. Das sogenannte Durable Rust Resistance in Wheat Project, das er koordiniert, ist ebenfalls auf Initiative des umtriebigen Norman Borlaug entstanden und soll Forschungs- und Züchtungseinrichtungen auf der ganzen Welt vereinen. Ziel ist, das Wettrüsten zwischen Weizen und Rost zu beenden - und zwar, indem eine transgene Weizenpflanze entwickelt wird, deren Resistenz auf der Immunität von Reis gegen sämtliche Rostkrankheiten basiert. Noch ist allerdings nicht einmal bekannt, worauf die Immunität von Reis zurückzuführen ist. Geschweige denn, ob sich diese Immunität überhaupt in eine Weizenpflanze transferieren lässt.

Die gute Nachricht für Peter Njau und sein Team ist, dass das Projekt der Resistenzzüchtung in Kenia eine gewisse Priorität einräumt und sie deshalb ihre Infrastruktur in Njoro um ein Gewächshaus erweitern können.


Peter Njau

Der Agronom aus Kenia arbeitet als Weizenzüchter in der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Kenya Agricultural Research Institute (KARI) in Njoro. Finanziert vom North-South Centre der ETH Zürich sucht Peter Njau im Rahmen eines international vernetzten Disserta tionsprojekts nach Resistenzquellen gegen Ug99. Beteiligt ist zum einen die Universität Zürich, zum andern das International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) in Mexiko mit seinem Weizenzuchtprogramm. Das CIMMYT ist eines von fünfzehn Agrarforschungszentren, die von der Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung (CGIAR) unterstützt werden. Unter anderem versorgen sie Entwicklungsländer im Hinblick auf eine nachhaltige Nahrungssicherheit mit optimalen Anbaupflanzen.

Peter Njau ist für das KARI auch im Konsortium zur weltweiten Bekämpfung aller Rosterkrankungen an Weizen, dem BGRI, vertreten, genauso wie das CIMMYT, die Welternährungsorganisation FAO und eine Vielzahl nationaler Forschungsinstitutionen.