Klaus Schwab: Ab ins Sanatorium
Der Präsident des Weltwirtschaftsforums zwischen Identitätsstörungen und Grössenwahn.
«Ich sprach von einer schizophrenen Welt und davon, dass wir noch für unsere Sünden zahlen müssen», schreibt Klaus Schwab, der Präsident des Weltwirtschaftsforums (Wef), in seinem neusten «Newsletter». Gesagt habe er dies an seinem Wef-Eröffnungsvortrag vor einem Jahr, genützt habe das freilich nichts, was daran liege, «dass sich niemand wirklich fähig und verantwortlich fühlte, zu handeln». Und das will der siebzigjährige Professor mit dem aktuellen Wef, das diese Woche in Davos stattfindet, ändern.
Die «Weltführer»
In der Vergangenheit, gerade als es darum ging, das Wef vor Kritik der Antiglobalisierungsbewegung in Schutz zu nehmen, hatte er immer wieder betont, am Wef würden keine Entscheidungen gefällt, die Vorstellung von «Hinterzimmergeschäften» sei absurd, es gehe darum, «Dialoge zu führen», «Ideen zu entwickeln», «Begegnungen zu ermöglichen». Doch nun geht es um das grosse Ganze: «Die Welt nach der Krise gestalten» lautet das diesjährige Motto des Elitetreffens. Das tönt nicht gerade nach der «neuen Bescheidenheit», die Schwab in einem Interview mit der «Südostschweiz» ausruft.
«Leider waren wir alle einem Herdentrieb unterlegen – und die Herde marschierte in die falsche Richtung», sagt er. Wendet sich hier ein Schaf enttäuscht und gekränkt von der Herde ab?
Wenn man den Text liest, den er im letzten November im US-amerikanischen Nachrichtenmagazin «Newsweek» veröffentlicht hat, glaubt man nicht daran. Im Gegenteil: Schwab sieht wieder einmal grosse Aufgaben auf sich und die Herde zukommen. Er skizziert im Artikel eine technokratische Weltregierung, «gebildet von den Experten dieser Welt – Wissenschaftlern, Ökonomen, Künstlern, Akademikern und Wirtschaftsführern», die «nicht nach politischen Gesichtspunkten» ausgewählt werden sollten. Diese ExpertInnen sollten sich um die fünfzig zentralen Aufgaben dieser Welt kümmern, «die das Wef bereits identifiziert hat» – jedem einzelnen Problem sollen sich je zwanzig Personen annehmen. Die insgesamt tausend «Weltführer» seien über ein virtuelles Social-Network à la Facebook zu verknüpfen – an dessen technologischer Umsetzung er übrigens selber seit zwei Jahren arbeite.
Patient mit Herzstillstand
Dieses halb virtuelle, halb reale Gremium solle künftig «Frühwarnungen abgeben», wenn wieder eine Krise droht, und «langfristige Lösungen bereitstellen». Schwab schlägt also vor, dass diejenigen, die dem Herdentrieb erlegen sind, künftig denselben Trieb erkennen und ihn – diesmal mit Entscheidungsmacht ausgestattet – verhindern sollen.
Überhaupt scheint die Krise Professor Schwab vor existenzielle Probleme zu stellen. Schon früher hatte man den Eindruck, Klaus Schwab falle es schwer, zwischen der Welt, dem Wef und seiner Person zu unterscheiden. Demonstrationen gegen die Globalisierung pflegte er etwa als persönlichen Angriff aufzufassen. Und nun, in Zeiten der Wirtschaftskrise, befindet sich offenbar auch Schwab in einer Krise. Redet er von der wirtschaftlichen Realität, spricht er in Bildern von einer verletzten Person. Ein Beispiel bezüglich der jüngsten Staatsinterventionen: «Bei einem Patienten mit Herzstillstand wenden auch Sie einen Defibrillator an, ohne die möglichen Konsequenzen zu hinterfragen. In einer solchen Situation waren wir – und sind es vielleicht noch.»
Schwab und der Zauberberg
Und er sehnt sich nach einem Sanatorium nach dem Vorbild von Thomas Manns «Zauberberg», nach «einer Institution, wo ein Mensch, der ein Bein verloren hat, die nötige Pflege erhält. Dabei geht es darum, dafür zu sorgen, dass der Patient wieder zu Kräften kommt und optimistischer in die Zukunft blickt.»
Vielleicht ist das gar kein so schlechter Vorschlag, und Professor Schwab lässt seine Weltherrschaftsfantasien etwas ruhen. Er könnte sich nach dem Vorbild des «Zauberberg»-Protagonisten Hans Castorp sieben Jahre in ein Davoser Sanatorium zurückziehen und in Kamelhaardecken gehüllt auf einem Liegestuhl auf der Veranda ruhend die Berge im Abendrot betrachten und tagelang gut tönende, aber inhaltsleere Mottos kreieren, wie er das schon bisher gern getan hat («A Partnership for Security and Prosperity», Wef-Motto 2004). Das würde ihm gefallen, «weil ich viel lieber geistig wirken möchte – etwa in langen persönlichen Gesprächen mit Gordon Brown, Wen Jiabao oder Wladimir Putin».
Sicher würden einige intellektuell anregende Gefährten Schwab ins Sanatorium begleiten. An philosophischen Themen, gerade was Fragen der Identität betrifft, würde es ihnen kaum mangeln. Etwa jene Frage, die Schwab vor bald zehn Jahren der «Bilanz» gestellt hat: «Wie definiert sich eine Person, deren Kopf auf einen anderen Körper verpflanzt worden ist? Dieser Vorgang soll anscheinend in zehn bis fünfzehn Jahren möglich sein.»
Fast alles würde weiterhin möglich sein: «Dialoge führen», «Ideen entwickeln», «Begegnungen ermöglichen». Nur würde es abstrakt bleiben. Und sollte dort unten, in den Weiten des Globalen Dorfes, alles schief gehen, der Schwab würde, verschont vor weiteren Unpässlichkeiten, einen geruhsamen Lebensabend verbringen.