Wichtig zu wissen: Zauberberge
Zwei neue Mitarbeiter
Väterlich legte Doktor Klaus den Arm um ihn und sprach: «Es liegen zwei Prinzipien im Kampf um die Welt: das Recht und der Markt, die Tyrannei und die Freiheit, der Aberglaube und das Wissen.» Doktor Klaus war alt und weise, und Philipp Rösler hatte keinen Moment gezögert, sich unter die ihm dargebotenen Fittiche zu begeben. Der magische Ort des Berges hatte ihn schon früher verzaubert, vor vier Jahren, als er noch zu den Young Global Leaders gehörte. Zwischen damals und jetzt lag die Zeit als Bundeswirtschaftsminister und Parteivorsitzender der deutschen FDP, alles vorüber, alles dahin. – Das Leben, ein kleiner silberner Crayon, dünn und zerbrechlich.
Es war Zeit aufzutanken, mit neuer Energie für neue Taten. Der Posten als Managing Director für die weltweiten Beziehungen am Weltwirtschaftsforum (Wef) war genau richtig. Dieses grosse Sanatorium, wo die atemlosen Märkte sich gegenseitig Zuspruch stifteten, einmütig und beständig seit 44 Jahren, das würde seinem von Erschütterungen geprägten Leben guttun.
«Philipp, ich muss dir jemanden vorstellen», sprach Klaus, «sag Hallo zu Jean-Luc», und winkte einen mopsgesichtigen Mann mit unschöner Halbglatze heran. «Jean-Luc ist gescheiterter Politiker, genau wie du», erklärte der Doktor. Offenbar hatte der Mann letztes Jahr in die Regierung des Kantons Fribourg gewählt werden wollen, doch – noch eine schicksalhafte Parallele – seine Parteikollegen waren ihm in den Rücken gefallen.
Von über 300 CVP-Delegierten hatten sich nur knapp 50 für eine Kandidatur von Jean-Luc Vez ausgesprochen. Dabei hatte der durchwegs schon einiges geleistet. Als langjähriger Direktor des Schweizerischen Bundesamts für Polizei hatte er sich an vorderster Front für die Revision des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS II) starkgemacht, um Globalisierungskritikern und Terroristen den Garaus zu machen. Und damit war er definitiv der richtige Mann, um am Wef als Managing Director for Security Policy and Security Affairs nach dem Rechten zu sehen.
Das war an einem Anlass wie diesem mehr als nötig: Ein scheinheilig grinsender Muslim mit Turban und Bart, der lustlos auf den faden Häppchen kaute und bestimmt Terrorpläne schmiedete, während ein mondäner israelischer Tattergreis drohend eine von Klaus überreichte Kuhglocke umherschwenkte; als Zombies verkleidete Linke, die durch die Davoser Gassen wankten, und der Thurgauer Escortservice Mostindien, der italienische Prostituierte in die Gemächer der US-Delegation schleuste. «Allein bedenkt! Der Berg ist heute zaubertoll», rief Klaus frohgemut und hakte sich bei seinen neuen Mitarbeitern unter.
Dann klingelte das Handy von Herrn Vez. Der verabschiedete sich – er müsse vorher noch schnell auf einem anderen Berg für die innere Sicherheit sorgen, in Zürich, wo die besten Steuerzahler der Stadt terroristische Aktivitäten in einem Flüchtlingsheim für Ostafrikaner vermuteten. Hach, schön, diese Schweiz, dachte Philipp Rösler. Für gute Steuerzahler liess man die internationale Prominenz hier gerne warten.
Susi Stühlinger war früher auch mal in Landquart, als während des Wefs noch mehr los war.