Israel: Das Ende der Maskerade
Was bedeutet der Rechtsrutsch für den Frieden?
Nun beginnen in Israel Koalitionsverhandlungen. Einen eindeutigen Sieger haben die Wahlen vom Dienstag nicht hervorgebracht. Zwar hat Tzipi Livnis Mittepartei Kadima mit 28 Sitzen das Rennen gewinnen können. Doch Benjamin Netanjahus rechter Likud liegt mit 27 Mandaten dichtauf. Seine Chancen, Ministerpräsident einer Rechtskoalition zu werden, stehen besser. Denn während Ehud Baraks Arbeitspartei von 19 auf 13 Sitze absackte, stieg Avigdor Liebermans ultrarechte Israel Beitenu mit 15 Mandaten zur drittstärksten Kraft auf - er ist der neue Königsmacher.
Zu welchem Resultat die Verhandlungen auch immer führen - eines steht bereits fest: Israel rückt weiter nach rechts.
Was für Auswirkungen hat das für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern? Keinen, glauben die Desillusionierten. Und einiges spricht dafür: Die Koalition von Kadima und Arbeitspartei hat in den letzten drei Jahren zwar viel von Frieden geredet - doch getan hat sie dafür nichts. Im Gegenteil: Sie trieb den Siedlungsbau im Westjordanland voran, blockierte monatelang den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen und bombardierte ihn dann. Das hat die Fronten weiter verhärtet.
Seit den gescheiterten Camp-David-Abkommen von 2000 und der folgenden Intifada glaubt in Israel - mit Ausnahme einer kleinen linken Minderheit - niemand mehr an einen Frieden. Und kaum jemand ist noch bereit, dafür Kompromisse einzugehen. Auch die Arbeitspartei hat ihre Friedensbemühungen längst durch ein militärisch-diplomatisches Krisenmanagement ersetzt. Der linke «Haaretz»-Kolumnist Gideon Levy schrieb gar, man möge Netanjahu gewinnen lassen: So würde die Maskerade beendet und «die Lüge der ‹Verhandlungen›» offensichtlich.
Dass man von einem Frieden meilenweit entfernt ist, liegt auch an der palästinensischen Seite. Fatah-Präsident Mahmud Abbas ist der Einzige, den Israel und der Westen als Verhandlungspartner akzeptieren. Doch sein Rückhalt in der Bevölkerung ist schwach. Und die Hamas würde ein allein mit Abbas geschlossenes Abkommen in hohem Bogen verwerfen. Verhandlungen würden eine palästinensische Einheitsregierung bedingen. Die gab es 2007 bereits - bevor der Westen einen Keil zwischen die beiden Parteien stiess.
Doch es gibt auch jene, die immer noch an einen Frieden glauben. Für sie ist der Rechtsrutsch eine verpasste Chance: Tatsächlich hätte der neue US-Präsident einiges bewirken können; vor allem Barack Obamas Entscheidung, den aus dem Libanon stammenden George John Mitchell zum Nahostgesandten zu ernennen, war vielversprechend (siehe WOZ Nr. 5/09).
Aber auch mit einer rechten Regierung ist nicht alles verloren. Schliesslich war es Likud-Premier Menachem Begin, der den Sinai räumen liess, um 1979 mit Ägypten Frieden zu schliessen. Eine Räumung des Westjordanlandes steht zwar nicht bevor. Doch eine Annäherung an Syrien, mit dem sich Israel noch immer um die Golanhöhen streitet, wäre auch unter einer Rechtsregierung möglich - und würde die Fronten im Nahen Osten wesentlich entspannen. Und: Auch ein Netanjahu wäre nicht in der Lage, Washingtons Meinung zu ignorieren.