Fussball und Gewalt: Mit Hammer und Knüppeln

Nr. 18 –

Am Sonntag geriet der WOZ-Reporter mitten in eine Massenschlägerei zwischen verfeindeten Fangruppen des FC Zürich. Ein Augenzeugenbericht.


Das Tram hält: Haltestelle Letzigrund. Es ist kurz nach 18 Uhr. Drei Mannschaftswagen der Stadtpolizei stoppen vor mir. Beamte springen heraus und beginnen sofort, Gummischrot gegen Vermummte zu schiessen. Vermummte überall! Mit Waffen. Zwei Gruppen stieben auseinander. Wer gegen wen? «Zürcher gegen Zürcher», sagt einer und erklärt: Ein schwelender Konflikt zwischen Fangruppen des FC Zürich eskaliere. Auf der einen Seite die Gruppe Kreis 4 (einer breiteren Öffentlichkeit bekannt durch Fackelwürfe in den Basler Familiensektor), auf der anderen Seite Gruppen, die sich unter dem Banner Südkurve vereint haben (darunter auch Fans, die von sich reden machten, als sie auf dem Gipfel einer Fehde einen GC-Fan entführten). Jene, die wüssten, wovon sie reden, Mitglieder der Ultragruppen Boys oder Kreis 4, reden nicht. Nicht mit der Presse. Die Südkurve hat sich vor längerem eine Omertà auferlegt. Die Presse dramatisiere. Kürzlich wurde ein Journalist kurzerhand aus einem Extrazug geprügelt.

Unter uns

Zwanzig Minuten nach der ersten Schlägerei greift die Gruppe Kreis 4 ein zweites Mal an - vorbei an einer Polizeikette. Die zahlreichen Uniformierten beobachten, wie sich die beiden Gruppen, je rund fünfzig Mann, auf der Badenerstrasse duellieren.

Solange keine Unbeteiligten hineingezogen würden, halte man sich zurück, soll ein Polizist gesagt haben. «So wussten wir, dass wir die Sache unter uns regeln können», sagt einer, der sich auf der Seite der Südkurve an der Schlägerei beteiligte. Tatsächlich beobachten die Polizisten die Eskalation, ohne einzuschreiten - es gibt keine Festnahmen: Kreis 4 rennt los. Als die andere Gruppe aber, bewaffnet mit Plastikstöcken und Regenschirmen, stehen bleibt, stoppt sie. Die Gruppen trennen jetzt wenige Meter. Aus der Richtung von Kreis 4 fliegt ein Fäustel in die Menge, ein kleiner, massiver Hammer. Einige schwingen Holzlatten, einer einen Baseballschläger. Eine kurze, heftige Keilerei beginnt. Einige Männer gehen zu Boden. Einer aus der Gruppe Kreis 4 rennt orientierungslos in die falsche Richtung. Dort wird er von einem älteren Hooligan niedergeschlagen: «Hau ab vo do, du Sauhund!» Dann der Sturm: Kreis 4 wird in die Flucht geschlagen. Wer nicht schnell genug rennt, wird verprügelt. Ein älterer Hooligan bemüht sich trotz der eingesetzten Waffen um Fairness: «Nöd stiefle!», brüllt er, nicht nachtreten.

Einer der Schläger, mit dem ich mich später unterhalte, sagt: «Ich kenne manche von Kreis 4 schon lange. Es ist tragisch. Zürcher gehen auf Zürcher los.» Weil er jene, die er bekämpft, kennt, bemüht er sich um ein ausgewogenes Bild: «Wir werfen ihnen vor, dass sie mit asozialen Attacken, wie etwa den Fackelwürfen in Basel, die Kurve zerstören. Sie werfen der Kurve vor, sie zu bevormunden.» Tatsächlich hatte Kreis 4 2008 in einem Flugblatt geschrieben: «Müssen wir uns von Leuten, die GCler zu Hause überfallen und einen entführen, sagen lassen, was gut und was schlecht ist?»

Kranke Horde

Der Mann befürchtet, dass in der Stadt nun ein Kleinkrieg losbreche. Wie konnte die Situation derart eskalieren? Diese Frage beantwortet er nicht. Kann sie überhaupt irgendwer beantworten?

Angesichts der Gewalteskalation (bereits an den Spielen gegen die Young Boys und den FC Aarau soll es zu Schlägereien gekommen sein) täten die Hooligans der Gruppe Zürichs Kranke Horde gut daran, ihrem Namen für einmal nicht alle Ehre zu machen und eine ungewohnte Rolle einzunehmen: die Stimme der Vernunft. Hooligans dieser Gruppe, der Mitglieder der ehemals verfeindeten Gruppen Hardturm-Front (GC) und City Boys (FCZ) angehören, betrachteten das Geschehen am Sonntag aus der Nähe, hielten sich aber raus. Sie hätten die Manpower, zwischen den Fangruppen zu vermitteln, damit die Eskalation nicht in einer Katastrophe endet. Und damit alle den Fokus wieder auf das legen können, was sie ursprünglich vereinte: ihren FCZ.