Terminator - Die Erlösung: Terminaler Terminatorflop

Nr. 23 –

Der Film hätte so wunderbar gnadenlos werden können: Mit «American Psycho»-Darsteller Christian Bale in der Hauptrolle sollte der Kultstreifen «Terminator» eine würdige Fortsetzung finden. Doch gut ist nur der Trailer.


Irgendwann mal müssen die Zeiten trotz allem ganz okay gewesen sein. 1984 etwa, als selbst in Hollywood noch kompromisslose Filme gedreht wurden. Manche von ihnen wurden genau wegen ihrer Kompromisslosigkeit Kultfilme. «Terminator» ist so ein Film. Arnold Schwarzenegger spielte die Hauptrolle, James Cameron schrieb das Drehbuch und führte Regie, und Linda Hamilton versuchte in der Rolle von Sarah Connor, nicht zu sterben.

«Terminator» ist ein Kultfilm. Und ging so: Technoir, ein Discoclub, Los Angeles, 1984. Hier spielen sich die letzten Minuten von Sarah Connors altem Leben ab. Connor ist ins Technoir geflüchtet, weil sie glaubt, jener Spinner, der in den letzten Stunden in L.A. alle Frauen mit Namen Sarah Connor tötete (bis auf sie), sei ihr dicht auf den Fersen. Der Mann, der ihr sichtbar auf den Fersen ist, heisst Kyle Reese. Er trägt einen Mantel, darunter eine abgesägte Schrotflinte. Reese aber ist nicht der Mörder. Im Gegenteil: Er ist gekommen, um Connor vor jenem Mann zu beschützen, der sich durch das Telefonbuch mordet. Der Mörder ist genau genommen kein Mann, nicht einmal ein Mensch (auch wenn er so aussieht), er ist eine Maschine, ein Terminator: innen Computertechnik, aussen menschliches Gewebe. Wie Reese kommt der Terminator aus der Zukunft, aus dem Jahr 2029.

Der Terminator richtet seine Pistole auf Sarah, den roten Laserpunkt auf ihre Stirn fixiert; in letzter Sekunde jagt Reese der Maschine mehrere Ladungen Schrot in den Körper. Er packt Connor, sie flüchten. Von der ersten Minute an ist der Film aus dem Jahr 1984, der läppische sechs Millionen Dollar kostete, wie ein Showdown angelegt. Derart rasant wie Kyle Reese (gespielt von Michael Biehn), ist selten jemand in einem Auto durch Downtown Los Angeles gerast. Nebenbei schiesst Reese mit einer Schrotflinte riesige Löcher in das ihn und Sarah Connor verfolgende Auto.

Rückkehr aus der Zukunft

Es kommt zum spektakulären Unfall. Die Polizei verhaftet Reese, nimmt auch Sarah Connor in Gewahrsam, um sie vor dem angeblichen Psychopathen zu schützen. Und natürlich wollen die Cops Reese nichts von seiner Story glauben.  Diese geht so: Eine Firma namens Cyberdine hat Ende des zwanzigsten Jahrhunderts Mikroprozessoren entwickelt, die für die Menschen denken. Cyberdine wird so zum grössten Computerlieferanten des US-Militärs. Tarnkappenbomber fliegen ab sofort unbemannt. Im August 1997 wird ein automatisiertes Verteidigungssystem namens Skynet hochgefahren. Das System übernimmt alle Verteidigungsbelange der USA. Am 29. August 1997 entwickelt Skynet ein eigenes Bewusstsein - etwa so wie die intelligente Bombe in John Carpenters «Dark Star» - und erklärt der Menschheit den Krieg. Panisch versuchen die Militärs den Stecker herauszuziehen, Skynet schlägt zurück, attackiert als Erstes Russland mit Atombomben. Russland schlägt zurück. Danach ist alles weg. Nur ein paar Menschen überleben. Die Terminators werden in automatisierten Fabriken gebaut mit dem Ziel, die wenigen überlebenden Menschen aufzuspüren und zu töten. Die Menschheit ist also kurz davor, für immer eliminiert zu werden. Ein Mann verhindert das: John Connor, Sarah Connors Sohn. Er führte den Widerstand an und 2029 gelingt der Sieg über die Maschinen. Im Hauptquartier entdecken die Kämpfer jedoch: Als letzte automatisierte Amtshandlung hat Skynet einen Terminator durch einen Zeitverzerrer ins Jahr 1984 zurückgeschickt. Dort soll dieser Sarah Connor töten, und zwar bevor sie John zur Welt bringt. Damit würde der Anführer des Widerstandes nie geboren werden. Bevor der ganze Skynet-Komplex explodiert, schickt John Connor dem Terminator noch schnell Kyle Reese hinterher, einen seiner besten Kämpfer. Reese hat ein Foto von Sarah Connor, der Terminator kennt nur ihren Namen und die Stadt, in der sie wohnt. Reese ist also etwas im Vorteil. Der Nachteil: Nur lebendige Organismen können in die «Zeitverschiebungsausrüstung» gesteckt werden (oder Maschinen wie der Terminator, die in solche verpackt sind). Also muss Reese ohne die futuristischen Laserkanonen seiner Gegenwart zurück ins vergangene Jahrhundert: Und mit den Waffen, die es im Jahr 1984 gibt, ist einem Terminator eigentlich nicht beizukommen.

Sex in der Zeitschleife

So weit also die Erzählung des verhafteten Reese. Der Polizeipsychiater heisst Doctor Silvermann und konstatiert erfreut: «Der Computer denkt, er kann gewinnen, indem er die Mutter seines Feindes tötet. Er will also seinen Feind töten, bevor dieser empfangen ist, eine Art rückwirkende Abtreibung», und Doctor Silverman folgert: «Das ist eine brillante paranoide Wahnvorstellung.»

Natürlich kann Doctor Silverman nicht wissen, dass Reese recht hat. Der angebliche Terminator, so scheint es ihm, ist in Wirklichkeit ein Freak auf der Modedroge Speed, vor Kugeln geschützt durch eine schusssichere Weste. Aber er täuscht sich.

Während Kyle Reese, Rückkehrer aus dem 21. Jahrhundert, einvernommen wird - und die von ihm gerettete Sarah Connor im Polizeirevier auf ein Sofa gebettet wird -, repariert der Terminator in einer heruntergekommenen Spelunke sein von Reese zerschossenes Auge - mit einem Skalpell schneidet er es heraus. Die unappetitliche Selbstoperationsszene dauert etwa dreissig Sekunden und ist so legendär wie die darauffolgende Szene, die dann deutlich länger dauert: Mit Sonnenbrille, die das herausgeschnittene Auge verdeckt, betritt der Terminator die Polizeistation, in der Reese verhört und Connor bewacht wird. Der Polizist weist ihn weg. Mit den Worten «Ich komme wieder» schreitet die Menschmaschine davon. Und kommt zurück im Cadillac, mit dem er den Empfangsschalter samt Empfangspolizisten ummäht und dann, in einer zehnminütigen Sequenz, siebzehn Polizisten erschiesst. Bis er damit fertig ist, sind Connor und Reese natürlich längst geflohen.

Die beiden flüchten raus aus der Stadt, irgendwohin, wo es kalt ist und wo man verletzt und unter Schock stehend miteinander schlafen muss. Es ist folgender Twist der Story, der dem Film Kultstatus verlieh (all die Action und Effekte hätten da nicht gereicht): In der einzigen Nacht, die ihnen bleibt (kurz darauf wird Reese vom Terminator getötet), zeugen Sarah Connor und der Mann, der von John zurückgeschickt wurde, um sie zu beschützen, ein Kind: John Connor. Es ist ein bisschen wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei, eine Möbiusschleife für Fortgeschrittene, eine Geschichte ohne Anfang und Ende: Nur dadurch, dass der Terminator in die Vergangenheit geschickt worden ist, wird John Connor überhaupt gezeugt. Der in der gemeinsamen Gegenwart gleichaltrige Mann, den er zum Schutz seiner Mutter vierzig Jahre später durch die Zeit zurück schickt, wird sein eigener Vater.

In der 1991 gedrehten ersten Fortsetzung des Terminators wird diese Schleife noch einmal weitergedreht: Nur dadurch, dass der Robotermensch überhaupt zurückgeschickt wurde, konnte er entwickelt werden. Denn zum Schluss des ersten Teils flüchten Reese und Connor vor dem Terminator in eine Firma, die Roboter herstellt. Dort gelingt es ihnen, den Terminator zu zerstören. Die Firma - Cyberdine - findet dann seine Überreste, und durch die Analyse des unerklärbar weit entwickelten Materials des Terminators kommt Cyberdine überhaupt dazu, den Terminator beziehungsweise Skynet zu entwickeln. Wenn jetzt also der Terminator nie zurückgeschickt worden wäre, hätte es ihn dann gar nie gegeben? Wie kann er denn überhaupt zurückgeschickt worden sein, wenn er gar nie entwickelt worden ist? Wie kann John Connor seinen eigenen Vater zurückschicken, solange der noch gar nicht sein Vater ist? Wie kann es John Connor überhaupt geben, wenn er selber seinen Erzeuger bestimmt?

Falsch etikettierter Familienfilm

Einen solchen Twist hätte man sich für «Terminator - die Erlösung», die vierte Folge, natürlich auch gewünscht.

Schon «Terminator 2» von 1991 war farbiger, kompromissbereiter als das Original. Es wurden keine Hausfrauen einfach so erschossen. Im ersten Teil sprach Schwarzenegger zudem ganze siebzehn Sätze, im zweiten Teil fliesst es regelrecht aus ihm heraus (was den Film nicht besser macht): Der ursprüngliche Terminator ist jetzt keine Mördermaschine mehr. Das Schwarzenegger-Modell wird in Teil 2 zurückgeschickt, um den jungen John Connor zu beschützen. Und zwar vor einem technisch fortgeschritteneren Modell, dem Terminator 1000.

Menschen und Maschinen im Kampf gegen die bösen Maschinen: Der zweite Teil kommt allerdings mit einem derart langweiligen Wunsch nach Frieden, Sportschau, Gartenzaun, Spiessertum daher - wahrlich der falsche Wunsch für einen Film, der den Titel «Terminator» trägt -, dass man ihn nur übersteht, weil der erste Teil so gut war und die Überleitung zum zweiten perfekt funktionierte. Ausserdem weil Sarah Connor in Teil 2 eine so wunderbar kaputte Darstellung bietet, dass es beim Familienfilm - der gute Terminator, Teenage-John und eine zur Soldatin hochtrainierte Bodybuilder-Sarah - eben doch nicht ganz bleibt. Am Ende steht dann die fahle Vermutung, dass das mit der Sportschau niemals klappen wird.

Und dann gab es irgendwann, zwischen 1992 und 2009, einen Film namens «Terminator 3», der hatte aber keine Idee, gar nichts, ein paar Effekte, ein bisschen Action, ein Aufguss, die Veräppelung eines Kultfilms, ein Film, der komplett durchfiel, den es nie gegeben hat.

Und jetzt tauchte Anfang dieses Jahres ein Trailer auf zu einem Film namens «Terminator Salvation». Es war ein vierminütiger Trailer. Er war grandios. Die Stimme von «American Psycho»-Christian-Bale führt durch eine apokalyptische Welt: Der Tag der Abrechung, an dem Skynet die Menschheit mit Krieg überzog, hat in einer der möglichen Zukünfte stattgefunden. Zum Song «The Day the Whole World Went Away» von Nine Inch Nails schiesst sich John Connor im Jahr 2018 den Weg durch die Trümmerwelt. «Reset the future» heisst das Ziel der Maschinen: Connor töten, Reese töten. Den Sohn und seinen Vater. Es sind beste Voraussetzungen für eine grosse apokalyptische Ballade. Die gute Nachricht: Den besagten tollen «Trailer» gibt es neben zwei anderen nach wie vor gratis auf apple.com zu sehen. Die schlechte Nachricht ist: Wer auch immer es war, er oder sie hat im Trailer bewusst zwei Personen nicht vorkommen lassen, Personen, die sofort klar gemacht hätten: Schau dir diesen Film nicht an! Diese Leute hätten in den guten, alten Achtzigern keine zehn Sekunden in einem «Terminator»-Streifen überlebt!

Milchgesicht und Hundeauge

Person 1: Ein Milchgesicht, das behauptet Kyle Reese zu sein (es muss ein Fehler im Film sein, denn das Milchgesicht, das sie uns 2009 für Kyle Reese verkaufen, hat absolut nichts zu tun mit jenem wunderbar kaputten Kyle Reese aus dem Jahr 1984). In seiner 1984-Variante ist Kyle Reese ein abgekämpfter, kaputter, wahnsinniger, erbarmungsloser, gehetzter Psychopath voller Panik und Furcht in den Augen, die abgesägte Schrotflinte permanent schussbereit unter dem langen Mantel versteckt. In seiner 2009-Variante ist Kyle Reese ein geschminktes Milchgesicht, einer, dem man ansieht, dass er sich permanent von Gemüse, Fruchtsaft, Yoga und Nichtrauchen ernährt statt, wie im Film vorgegaukelt, von alten, gebratenen Kojoten, die latent radioaktiv verstrahlt sind. Wenn er heute noch einmal den legendären Satz von 1984 sagt, «Komm mit mir, wenn du leben willst», klingt das, wie wenn der Papst für Kondome wirbt: absolut unglaubwürdig und lächerlich. Kyle Reese zerstört sein eigenes Denkmal.

Person 2: Hundeauge, ein Kind, das nach bereits etwa fünfzehn Minuten Film auftaucht und den so erwartungsfrohen Kinogänger enttäuscht in sich zusammensacken lässt: die Familienschiene! Und die macht klar: Es ging bei «Terminator Salvation» nicht darum, eine würdige Fortsetzung des Klassikers von 1984 zu drehen. Es geht um klingelnde Kinokassen. Was den ersten Teil derart stark machte, war, dass die Möglichkeit, die Geschichte könnte eine Wendung zum Guten nehmen, am Ende nur eine sanfte Andeutung blieb. Wir blickten zwar auf eine Welt, in der die Geburt und das Überleben von John Connor sicher schienen, in der dieses Überleben aber gleichzeitig auch Apokalypse verhiess. Ein schwacher Trost also.

In «Terminator Salvation» stellt sich hingegen wieder einmal nur die Frage, wann das Böse endlich besiegt ist, damit das Haus neu aufgebaut werden kann. Hundeauge ist ein Bub, der nach der Apokalypse gezeugt worden ist. Hundeauge kann wegen des ganzen Traumas nur grosse Augen machen, aber nicht sprechen. Dafür kann er, weil er zwar ein bisschen deppert, aber dafür mit übersinnlichem Talent gesegnet ist, die Ankunft der Terminator-Jäger ein, zwei Sekunden früher spüren als der Rest. Wirklich eine grosse Hilfe! Im Film geht das dann so: Hundeauge glotzt - eine Sekunde lang, zwei Sekunden -, und peng, sind die anderen tot. Und nur weil dies nicht mehr die guten, gnadenlosen Achtziger sind, überlebt Hundeauge bis zum Schluss.

Im tollen Trailer sagte John Connor: «Das ist nicht die Zukunft, die mir meine Mutter vorausgesagt hat.» Was er damit eigentlich meinte, bleibt nachträglich unklar. Immerhin ist ja ziemlich alles so eingetroffen, wie es Sarah in den früheren Filmen prophezeite. Nur: «Terminator Salvation» ist nicht der Film, auf den einen der grossartige Trailer vorbereitet hat. Das Beste an der Pressevisionierung des Films im Zürcher Kino Abaton war der Securitas-Wächter, der zuerst alle JournalistInnen mit einem Metalldetektor nach versteckten Kameras absuchte und dann, während der Vorstellung, die JournalistInnen mit einem Nachtsichtgerät heimlich beobachtete, ob nicht eineR von ihnen den Film doch abfilmt.

Am Ende von «Terminator 4» weiss man: John Connor lebt noch immer. Und wenn ihn die Maschinen nicht drankriegen, dann mit Sicherheit die Kompromissbereitschaft des Regisseurs der nächsten - bereits angekündigten - Fortsetzung.

«Terminator Salvation» läuft ab dem Erscheinungstag dieser WOZ in den Kinos