Klimapolitik: Poker an zwei Tischen

Nr. 34 –

Gibt es für den auslaufenden Kioto-Vertrag bald ein Nachfolgeabkommen? Die Schweizer Behörden sind zuversichtlich.


Klimapolitik ist längst viel mehr als blosse CO2-Vermeidungstaktik. Es geht nicht einfach um Umweltschutz – es geht ganz entscheidend um Wirtschaft, und es geht um Entwicklungsfragen. Deshalb ist es kein Zufall, dass am Freitag die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine gemeinsame Jahreskonferenz abhalten. Das Motto: «Klima und Entwicklung – Wie kann der Klimaschutz mit dem Recht auf Entwicklung verbunden werden?» Das «Wie» ist der springende Punkt – denn dass diese beiden grundlegenden Probleme verknüpft werden müssen, steht ausser Zweifel. Es gibt keinen wirksamen Klimaschutz ohne Einbezug der Entwicklungsregionen. Und es gibt keine gesunde Entwicklung in der Dritten Welt ohne entschlossenen Klimaschutz.

Es ist deshalb einigermassen irritierend, dass Fragen zum derzeitigen Stand der Klimaverhandlungen beim Deza abgeblockt werden. Ein bereits arrangiertes Interview mit dem Klimaverantwortlichen wurde vom Pressedienst mit der Begründung ausgebremst, das Mandat bei den Verhandlungen habe das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Dessen Klimadiplomaten sind eben von Bonn zurückgekehrt. Dort wurde letzte Woche die Kopenhagener Schlusskonferenz vorbereitet, an der im Dezember ein Nachfolgeabkommen zum Kioto-Vertrag verabschiedet werden soll. Und wieder ging es nicht vom Fleck. Thomas Kolly vom Bafu war der Schweizer Delegationsleiter. Er sagt, es seien noch keine grossen Ergebnisse zu erwarten gewesen, weshalb er nicht enttäuscht über das dürftige Resultat sei: «Ja, es ging langsam, aber das ist Teil des Prozesses.»

Die Quittung

Viele ExpertInnen hingegen sind beunruhigt. Der Chef des Uno-Klimasekretariats Yvo de Boer warnte, die Kopenhagener Konferenz drohe zu scheitern. «Die Geschwindigkeit, mit der es vorwärtsgeht, macht uns grosse Sorgen», sagt auch Jan Burck von der deutschen Entwicklungsorganisation Germanwatch, die mit einer grossen Delegation in Bonn vertreten war.

An der Vorbereitungskonferenz hat sich gezeigt, dass die Entwicklungsfrage die Verhandlungen noch einmal komplexer und schwerfälliger macht. Es haben nicht nur die üblichen Verdächtigen gebremst, sondern auch Entwicklungsländer. «Es ist auf den ersten Blick nicht zu verstehen, warum sich ein armer afrikanischer Staat bei den Verhandlungen querstellt – gerade diese Länder hätten jedes Interesse an einem ehrgeizigen Abkommen», sagt Burck. Doch es gehe auch um Vertrauen, und dieses sei zuvor vom Norden auf ganz anderem Gebiet (wie beispielsweise bei den Verhandlungen um Agrarsubventionen) verspielt worden. Nun erhält man dafür die Quittung: Die Länder, so sagt er, liessen sich leicht instrumentalisieren, da sie den Versprechungen der Industrienationen ohnehin keinen Glauben mehr schenkten. Ausnützen würden das vor allem die Staaten der Organisation erdölexportierender Länder (Opec), indem sie etwa armen Ländern die Teilnahme an den Verhandlungen finanzierten.

Wer bezahlts?

Und so fand der Bonner Klimapoker gleichzeitig an zwei Tischen statt. Bei den Reduktionsverpflichtungen haben die Industrienationen wie üblich mit «extrem schwachen Zielen» (Burck) geblufft. Und auch die Entwicklungsländer haben plötzlich einen Joker in der Hand, den sie nicht einfach verschenken wollen. Dabei geht es um viel Geld. Denn werden die derzeit noch vagen Versprechen eingelöst, dürften bald grosse Summen für den Klimaschutz in Richtung Süden fliessen. Die Rede ist von mindestens hundert Milliarden Euro jährlich, die einerseits zur (emissionsarmen) Entwicklung eingesetzt werden sollen und mit denen den Entwicklungsländern andererseits geholfen werden soll, mit den Klimaveränderungen fertig zu werden. Zum Vergleich: Die weltweit geleistete Entwicklungshilfe beläuft sich derzeit auf etwa siebzig Milliarden Euro. Der Westen will die Kontrolle über diesen neuen Geldfluss behalten. Die Entwicklungsländer hingegen wollen über diese «Kompensationszahlungen» möglichst frei verfügen.

Wie hält es die Schweiz mit solchen Klimazahlungen? Hans-Peter Egler vom Seco gibt unumwunden Auskunft: Dass man etwas machen müsse, sei inzwischen allen klar. Die Frage sei, «wie man das organisieren soll», sprich, wer das berappen wird: die öffentliche Hand? Die Privatwirtschaft? Oder können wir unsere Klimaschuld auch mit einem grossen Technologietransfer (zum Beispiel bei erneuerbarer Energie) begleichen? Auch vom Deza gab es dann per Mail noch eine Stellungnahme: «Die Schweiz vertritt die Position, dass die fünfzig ärmsten Entwicklungsländer von Reduktionsverpflichtungen befreit und zudem bei Anpassungsmassnahmen finanziell unterstützt werden sollen. Die wird sich in den Verhandlungen voraussichtlich auch durchsetzen.» Die Klimaproblematik dürfte die Entwicklungszusammenarbeit in manchen Belangen regelrecht umkrempeln, oder in den Worten des Deza: «Es geht hier nicht nur um relativ klar definierte globale Umweltprobleme, die an sich schon schwierig genug zu lösen sind, sondern um die Zukunft der Entwicklung.»

Entwicklung kann man unterschiedlich verstehen. An der Deza-Seco-Konferenz wird Perus Umweltminister, Antonio Brack, einen Vortrag zur nachhaltigen Nutzung der Regenwälder halten. Für seine Regierung gehören dazu offenbar auch weitreichende Ölbohrungen, die sie unlängst im Amazonasgebiet zulassen wollte. Das peruanische Parlament sah das zum Glück anders und stoppte die Gesetzesvorlage.