Bundesratswahlen: Dick Marty wär das nicht passiert
Für die Linke ist die Wahl wohl klar: Urs Schwaller. Es sei denn, die FDP würde doch noch den perfekten Bundesrat für das Gaddafi-Zeitalter aufstellen.
Weil ich gerade einen dieser Gutes-Karma-Momente habe, möchte ich der Stimme des FDP-Nationalrats am Telefon glauben, die mir versichert, das FDP-Zweierticket mit den Kandidaten Didier Burkhalter und Christian Lüscher sei ein Zugeständnis an die Linke. «Glauben Sie mir das!», sagt der Mann. Burkhalter: Rechter, freisinniger Mainstream. Leistungsausweis: ein Private-Public-Partnership-Projekt in Neuenburg und ein Alarmsystem für entführte Kinder. Lüscher: Ultrarechter Freisinn. Leistungsausweis: Führte den FC Servette Genf in den Konkurs, hat mit Ex-Miss-Schweiz Lolita Morena geschlafen und führt eine Anwaltskanzlei mit Charles Poncet, Gaddafis Mann in der Schweiz.
«Dramatischer Fehler»
Mit ihren «Leistungsausweisen» liegen die beiden immerhin auf FDP-Kurs: Schon Hans-Rudolf Merz bewies, dass keine besonderen politischen Fähigkeiten notwendig sind, um als FDP-Bundesratskandidat vorgeschlagen zu werden.
Der SP-Nationalrat, den ich treffe, ist dann auch deutlich weniger gut unterwegs in Sachen Karma: «Die FDP begeht mit diesem Ticket den dramatischen Fehler, der Linken nicht die Möglichkeit zu geben, jemand anderes als Schwaller zu wählen. Die FDP hat sich mit ihren Kandidaten bloss an der SVP orientiert. So ist die Wahl für uns mehrheitlich klar: CVP.» Man habe sich schon vorstellen können, auf einen FDP-Mann zu setzen; einerseits weil man den Sitzanspruch der FDP durchaus respektiere, andererseits um zu verhindern, dass die FDP weiter in die Arme der SVP getrieben wird. «Das Zweierticket zeigt, dass die FDP längst in diesen Armen gefangen ist», sagt der SP-Mann. Bei den Grünen klingt es ähnlich: «Urs Schwaller ist für uns am leichtesten wählbar. Und zwar einfach deshalb, weil er am wenigsten rechts ist.»
Die FDP hat sich verzockt. Nicht nur, dass Parteipräsident Fulvio Pelli mit seiner permanenten Desinformation sogar die eigene Partei derart verärgert hat, dass er als Kandidat nicht infrage kommt. Er hat auch im Tessin die politische Landschaft so zugenebelt, dass die Kantonalpartei bisher nicht erkannt hat, dass ausgerechnet im Tessin, das so unbedingt im Bundesrat vertreten sein will, jener FDP-Mann sitzt, der die besten Chancen hätte, dank einer Mehrheit aus FDP, SP und Grünen gewählt zu werden: Ständerat Dick Marty. «Marty wäre ein echtes Angebot gewesen», sagt ein SP-Nationalrat. Ein grüner Nationalrat sagt: «Selbst ein wilder Kandidat Marty könnte die geschlossenen Stimmen der Grünen auf sich vereinen.» Die SVP würde keine Rolle spielen: Sie würde Marty nicht wählen. Aber noch weniger würde sie Schwaller ihre Stimmen geben.
Schwallers Leistungsausweis
Marty könnte der FDP nicht bloss den Sitz retten, er wäre mit seinem politischen Leistungsausweis der Mann der Stunde, als Ermittler in Sachen CIA-Geheimgefängnisse der ideale Bundesrat für das Obama- und Gaddafi-Zeitalter. Das Chaos, das Bundesrat Merz gerade veranstaltet – vorgeführt von einem irren Diktator – wäre dem aussenpolitisch erfahrenen Dick Marty nicht passiert. Marty ist zudem ein echter Lateiner. Anders als Urs Schwaller. Der Deutschschweizer Beamte, der im Welschland lebt, bereitet sich seit Jahren auf den Bundesratsposten vor. Der Leistungsausweis: eine Summe karriereorientierter Schritte.
Die FDP kuschelt weiter
Mit einem anständigen Angebot hätte die FDP es den Grünen geradezu leicht gemacht, FDP zu wählen. Denn die Grünen wissen: Wollen sie in den nächsten Jahren einen Bundesratssitz ergattern, dann am besten jenen von Hans-Rudolf Merz. Dazu aber muss die FDP jetzt den zweiten Sitz halten können. Auch der SP wäre ein wählbarer FDP-Kandidat gelegen gekommen. Denn die CVP wird zwar verärgert über den nicht ergatterten Sitz sein, die FDP hingegen wird noch verärgerter über den verlorenen Sitz sein. Und 2010, bei der allfälligen Doppelvakanz im Bundesrat, will die SP, wenn es um den eigenen Sitz geht, mit allen wieder ein bisschen auf gutem Fuss stehen.
Die FDP setzt ihren zweiten Sitz heute gerade fahrlässig aufs Spiel. Statt auf echte Liberale zu setzen, kuschelt sie weiter mit der SVP und löst sich auf und auf und auf ...
Schon machen Verschwörungstheorien die Runde: Pelli sei der Sitzverlust durchaus recht, weil er glaube, damit bei den Wahlen 2011 irgendwie punkten zu können, um dann – grosser Plan! Geheim! ... die Realität sieht wohl so aus: Die von der Pelli-Fiala-Achse schwer geschädigte FDP wird bei den Wahlen 2011 weiter absaufen, und die Grünen werden weiter zulegen – spätestens in der nächsten Legislatur wird dann der grüne Sitzanspruch Realität.
Ein gutes Angebot der FDP an die Linke wäre für die Freisinnigen auch deshalb wichtig gewesen, weil diese Wahl die Konkordanz nicht infrage stellt. Denn CVP und FDP sind aufgrund ihrer Stärke gleichauf, was den Sitzanspruch angeht. Umso leichter fällt es dem Parlament, sich inhaltlich zu entscheiden.