Durch den Monat mit Azem Maksutaj (Teil 1): Sind Sie ein Krieger?

Nr. 5 –

Azem Maksutaj: «Ich bevorzuge den Übernamen ‹The Black Eagle›».

WOZ: Azem Maksutaj, im Vorfeld von Kickboxkämpfen werden Sie regelmässig als «The Warrior», «der Krieger» angekündigt. Entspricht das Ihrer Persönlichkeit?
Azem Maksutaj: Ganz und gar nicht. Der «Krieger» wurde mir irgendwann von einem Veranstalter angedichtet und blieb seither hängen. Ich glaube nicht, dass ich es nötig habe, den Leuten vorzumachen, dass ich ein toller Kerl sei. Es gibt einen zweiten Übernamen, den ich bevorzuge, «The Black Eagle», der schwarze Adler. Das begannen in Las Vegas ein paar Fans zu rufen, als sie den albanischen Doppeladler auf meiner Hose sahen. Der Name sagt etwas über mich aus, zu dem ich auch stehen kann.

Ist das wichtig für Sie?
Sicher. Ich trage beide Nationen in mir, den Kosovo und die Schweiz. Und wenn ich vor Tausenden von Menschen in den Ring steige, dann vertrete ich beide Länder. Und zwar mit Stolz. Das macht es manchmal auch schwieriger; wenn ich verliere, dann enttäusche ich auch beide. Ich bin stolz auf das, was ich bin und was ich erreicht habe. Ich habe vierzehn Weltmeistertitel gewonnen und bin so weit gekommen wie kein Schweizer vor mir ausser Andy Hug.

Wollten Sie eigentlich schon immer Kickboxer werden?
Ich habe mit dem Sport begonnen, als ich fünfzehn war und gerade frisch in die Schweiz gekommen. Ich konnte kein Wort Deutsch und machte ein Jahr in der Integrationsklasse, als Ausgleich tat mir das harte Training gut. Später arbeitete ich als Sicherheitskraft im Winterthurer Club «Planet Max». Das war nicht leicht: Ich war ein schmächtiger Junge, brachte kaum siebzig Kilo auf die Waage. Da musste ich einiges einstecken, wenn ich Leute rauswerfen musste, die doppelt so gross waren wie ich. Aber ich hatte nie Probleme, prügelte mich nie neben dem Ring.

Eine andere Karriere kam für Sie gar nie in Frage?
Das kann man so nicht sagen. Ich begann eine Lehre im Verkauf, aber ich war im Sport sehr schnell an dem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, ob ich das professionell verfolgen wollte oder einfach als Hobby. Ich trainierte wie ein Wahnsinniger, da blieb zu wenig Zeit für die Lehre. Und ich wusste, dass ich weit kommen konnte. Ich wollte unbedingt Weltmeister werden.

Eine riskante Entscheidung. Was hätten Sie gemacht, wenn Sie keinen Erfolg gehabt hätten?
Die Frage stellte sich nie für mich. Natürlich, das ist sicher einfach, das heute zu beurteilen, aber ich hätte es mein Leben lang bereut, wenn ich mich anders entschieden hätte. Ich kam in der ganzen Welt herum, kämpfte in Dubai, Tokio, Thailand, Las Vegas. Das war fantastisch. Offensichtlich hatte ich mich richtig entschieden.

Sie haben einen zweijährigen Sohn. Was tun Sie, wenn er eines Tages die gleiche Entscheidung trifft?
Ich hoffe, dass er das nie muss. Schauen Sie: Ich wuchs in einem kleinen Dorf im Kosovo auf, ohne meinen Vater, der als Gastarbeiter in der Schweiz war. Als er uns 1991 in die Schweiz holte, war das sehr schwierig für mich und meine Familie. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meinen Vater, aber ich will meinem Sohn mehr bieten: Er wächst ganz anders auf, zweisprachig, mit beiden Eltern. Meine Frau arbeitet als Investmentbankerin bei einer Privatbank. Ihm werden alle Möglichkeiten offen stehen. Natürlich wünsche ich mir, dass er auch einmal einen Sport betreibt, aber nicht etwas so Hartes. Vielleicht Fussball.

Sie haben angekündigt, dass Sie Ihre Aktivkarriere dieses Jahr beenden wollen ...
Ich mache sicher noch vier Kämpfe dieses Jahr, einen in der Schweiz gegen Flying Knee Bunjovsky, einen der stärksten Kickboxer der Welt. Die weiteren Kämpfe werden dann in Pristina, Japan und Las Vegas stattfinden. Vielleicht folgen nächstes Jahr noch einer oder zwei, aber darüber mache ich mir noch keine Gedanken. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen ...

... und mit 35 Jahren beginnt man auch, das Alter zu spüren?
Sicher. Kickboxen ist ein harter Sport, vielleicht der härteste der Welt. Das macht man nicht bis vierzig.

Was tun Sie danach?
Ich gehe davon aus, dass ich weiterhin meine Schule betreiben werde. Vielleicht werde ich aber auch noch Sportlehrer. Die Arbeit mit Jugendlichen hat mir immer Spass gemacht, ganz besonders mit solchen, die sonst als schwierig gelten.

Azem Maksutaj (34) betreibt in Winterthur eine Kampfsportschule, das Wing Thai Gym, und gilt als der erfolgreichste Schweizer Kickboxer.

Nachtrag: Ende Februar 2010 kam der biografische Dokumentarfilm «Being Azem», eine Koproduktion von Pi-Filme, Schweizer Fernsehen und Teleclub, in die Schweizer Kinos. www.beingazem.ch/