Finanzplatz: Jubel hinter der Bühne
Das Bankgeheimnis wird gelüftet, die Geheimniskrämerei bleibt. Diese Diskretion dient immer nur den Gleichen.
Ihr verhaltenes Lächeln in diesem Februar ist so krisensicher wie die massgeschneiderten Produkte, die sie verkaufen. Die Rede ist von Männern, die an der Spitze von Finanzunternehmen stehen und zur Krise fulminante Jahresgewinne vorlegen. Brady W. Dougan, CEO der Credit Suisse: 6,7 Milliarden Franken Reingewinn, 44 Milliarden Franken neue Kundengelder. Martin Senn von der Zurich Financial Services Group: Reingewinn 3,5 Milliarden Franken. Philippe Egger von der Axa Winterthur: 624 Millionen Franken.
Und als wäre das nicht genug, trat in diesen kalten Tagen auch noch der Finanzminister vor den Vorhang, um einen Überschuss von 2,7 Milliarden Franken in der Bundeskasse zu vermelden. Auch er tat es mit besorgter Miene. Der offizielle Sozialsparapostel ist im finanzpolitischen Theater der letzten beiden Jahrzehnte in wechselnden Rollen in Erscheinung getreten: 1995 hatte er sich damit hervorgetan, eine Kantonalbank zu privatisieren, um sie dann einer Grossbank zu verkaufen, der er zuvor als Angestellter gedient hatte. Drei Jahre später fusionierte diese Bank mit dem Schweizerischen Bankverein zur weltgrössten Vermögensverwalterin UBS. Geboren war ein Monster, das zehn Jahre später, am 15. Oktober 2008, per Notrecht durch staatliche Gelder mit einem 68 Milliarden Franken schweren Paket gerettet werden sollte.
Geschlossene Gesellschaft
Die Kunst, erfolgreiche Geschäfte mit Sorgenfalten zu präsentieren, ist nichts Neues in der Schweizer Geschichte. In diesem Land, dessen wirtschaftliches Glück immer auch das Unglück der anderen ist, hat es sich bewährt, auf ausgelassene Feiern zu verzichten. Der Profiteur erscheint in solch düsteren Zeiten vorzugsweise mit einem bleichen Gesicht. Die Regel, nur ja keine Freude zu zeigen, hat er verinnerlicht.
Die Schule, die Hans-Rudolf Merz und seine Freunde durchliefen – es ist die Schule der Diskretion. Gejubelt wird hinter geschlossenen Türen. Derweil werden vor dem Vorhang demokratische Stilübungen vorgeführt, es wird volkswirtschaftlich lamentiert, herumgerechnet und einem alten Geheimnis nachgetrauert. Dass ebendieses sagenhafte Bankgeheimnis – das nun nach einer weltweiten Finanzmarktkrise und der staatlichen Rettung der UBS begraben wird – 1935 just nach einer Weltwirtschaftskrise und der staatlichen Rettung der Schweizerischen Volksbank aus dem Hut gezaubert wurde, ist mehr als eine Ironie der Geschichte. Schon in der Krise während der zwanziger Jahre wollten umliegende Staaten verhindern, dass die Reichen aller Länder noch mehr Geld ungeschoren in die kriegsverschonte Schweiz schleusten. Vergeblich.
Lautlose Antizipation
Nun aber, nachdem die bürgerliche Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf die Unterscheidung zwischen Betrug und Hinterziehung doch tatsächlich auch gegenüber Schweizer Staatsangehörigen aufgeben möchte, glaubt man neue Sorgenfalten im Gesicht des Finanzministers zu entdecken. Es ist die Angst um alte Freunde.
Doch im Hintergrund feilen die Geldingenieure längst an neuen Produkten, um das alte Geheimnis in den Schatten zu stellen. «Antizipieren», heisst das neue Zauberwort in der Branche – die finanztechnische Vorwegnahme neuer Spielregeln. Und so erreicht uns mitten in der Debatte um allfällige Rentenkürzungen die nächste Erfolgsmeldung: Swiss Life verkündet, dass ihr Bestand an Policen für Lebensversicherungen innert vier Jahren von ein paar Hundert Millionen auf rund zwölf Milliarden Franken angestiegen sei. Kaum wird das alte Bankgeheimnis zu Grabe getragen, hat man schon neue Geheimgänge gefunden, um das Geld der Reichen an der Gesellschaft vorbeizuschleusen: Man lege es zum Beispiel in einer massgeschneiderten Lebensversicherung an, lasse es im Auftrag der Versicherungsgesellschaft von einer Bank verwalten und tilge so den eigenen Namen aus den Papieren. Solche und andere Produkte, die nicht mit dem Ziel der Steuerhinterziehung hergestellt wurden, sind in dieser Logik auch dann nicht problematisch, wenn sie dafür benutzt werden. Ein Rechtsverständnis, mit dem sich sagen liesse: Wer mit dem Küchenmesser tötet, ist unschuldig.
Diskretion ist noch immer die beste Tarnung. Zu viel davon gefährdet die Demokratie.