Antwort der Woche: Heb den Rüssel!
Wie dressiert man einen Elefanten? Und mit welchen Kunststücken entzückten früher Elefanten ihr Publikum?
Vor kurzem büchste Sabu, eine Elefantendame des Circus Knie, aus. Sie badete im See und spazierte durch Zürichs Finanzquartier. Ihr Spitzname: Rambo. Zwei Tage später nahm sie in Wettingen wieder Reissaus. Sabu, so Zirkusdirektor Franco Knie, habe «Ambitionen auf das Amt der Alphakuh». Dieses Amt aber muss der Dresseur innehaben.
Nur, wie geht das? Zuerst einmal: Dressur gelingt mit asiatischen Elefanten besser als mit afrikanischen; mit weiblichen besser als mit männlichen (die Bullen geraten nach der Geschlechtsreife regelmässig in einen unberechenbaren Zustand, der Musth genannt wird). Dressiert wird mittels Belohnung, aber auch mittels Bestrafung – etwa Anbrüllen und Schlagen, früher auch Futter- und Schlafentzug oder Elektroschocks. Wenn der Pfleger oder die Pflegerin einen Elefanten nicht vollkommen beherrscht, kann es zu gefährlichen Unfällen kommen. Denn Mimik und Körperhaltung von Elefanten sind sehr schwer zu durchschauen. Ziemlich eindeutig ist nur ihr Wutblick, kurz vor dem Angriff: Die Augen werden rot und schlitzförmig, und auf der Stirn schwillt eine Beule.
Bei der Dressur wird das Tier etwa dazu gebracht, einen Fuss zu heben («lift») oder den Rüssel («rango»). Um einem Tier beizubringen, auf Kommando etwas zu fassen, hält man ihm einen Stock hin; sobald es ihn mit dem Rüssel greift, gibt man das Kommando für «festhalten» und gibt ihm ein Stück Brot. Das wird so lange geübt, bis der Elefant die Handlungen miteinander verbindet. Bis ein Elefant ein schwieriges Kunststück beherrscht, etwa mit einem Tiger aufzutreten, dauert es Jahre.
Geburten in Zoos und Zirkussen sind extrem selten. Deshalb sind die meisten dressierten Elefanten wild geboren. Die Haltung der Tiere im Circus Knie – dem einzigen Schweizer Zirkus mit Elefanten – hat sich verbessert, sie werden nachts nicht mehr angekettet. Trotzdem: In einigen europäischen Staaten dürfen Zirkusse keine Elefanten mehr mitführen. Im Zoo werden heute Elefanten immer weniger dressiert, man hält sie lieber in grossen Gehegen, auch der Zürcher Zoo plant eine solche Anlage. Der Kontakt wird auf das Mindestmass reduziert, geleitet wird die Gruppe nicht mehr von einem Pfleger, sondern von einer Elefantenkuh.
Elefanten werden seit Jahrhunderten eingefangen und dressiert, für den Krieg, als Arbeitstiere oder weil man damit angeben will. Sie waren als Geschenke beliebt. Karl der Grosse etwa erhielt von einem Kalifen ein weisses Tier. Das war der erste Elefant in Deutschland. Der portugiesische König Manuel der Glückliche entzückte im 16. Jahrhundert Papst Leo X. mit dem Elefanten Hanno. Der Dickhäuter marschierte in einem feierlichen Zug nach Rom und lebte fortan in einem eigenen Gebäude in den vatikanischen Gärten, wo der dickliche und ungeschickte Papst hingebungsvoll mit ihm spielte. Hannos Kunststücke: sich verbeugen, niederknien (eine Sensation, dachte man doch, dass Elefanten keine Kniegelenke besassen) und die anwesenden Geistlichen mit Wasser bespritzen – was Leo X. überaus entzückt haben soll. Bald ging die Legende um, man habe Hanno versprochen, Oberhaupt der Christenheit zu werden; weil dieses Versprechen nicht eingelöst wurde, sei der Elefant dahingeschieden. Tatsächlich starb Hanno infolge einer Verstopfung und deren Behandlung durch die Leibärzte des Papstes, die ihn mit Goldpulver fütterten.
Die Tradition, Elefanten zu verschenken, wird bis heute praktiziert: So schenkte das Medienunternehmen Ringier Ende der achtziger Jahre einem seiner Chefredaktoren eine Elefantenkuh. Der Chefredaktor war ein begeisterter Sammler von Elefantennippes.
Im 19. Jahrhundert wurden in Europa auch dem Volk dressierte Elefanten vorgeführt. Eine Madame Leclerf etwa reiste mit dem Elefanten Baba von Jahrmarkt zu Jahrmarkt. Baba trat als «schmausender Elefant» auf: Er ass an einem Tisch von Tellern, zog Korken aus Flaschen, faltete eine Serviette und schoss eine Pistole ab.
Der bekannteste Elefant hingegen war ein Tier, dessen einziges Kunststück seine Duldsamkeit war: Jumbo liess Ende des 19. Jahrhunderts Millionen von Kindern auf seinem Rücken reiten, darunter Winston Churchill und Theodore Roosevelt. Als er für die damals sagenhafte Summe von 10 000 Dollar einem US-amerikanischen Zirkusdirektor verkauft wurde, löste dies in England eine nationale Entrüstung aus: In einem Spottgedicht wurde nahegelegt, man möge lieber den Premierminister verkaufen als ihn. Für die Schiffsreise wurde Jumbo unter anderem mit Whisky, Kuchen und Champagner ausgestattet. Der vier Meter grosse «König der Elefanten» erzielte innerhalb von drei Jahren einen Gewinn von einer halben Million Dollar. Jumbo war so bekannt, dass beinahe hundert Jahre nach seinem Tod der Flugzeugtyp Boeing 747 nach ihm benannt wurde: Jumbo-Jet. Jumbos Ende war traurig: Er starb 1885 infolge eines Zusammenstosses mit einer Lokomotive. Danach wurde Jumbo ausgestopft und zusammen mit einer Elefantenkuh als «trauernde Witwe» in einer Wandershow gezeigt.
PS. Elefanten haben tatsächlich Angst vor Mäusen. Sie fürchten sich vor allem, was sich schnell am Boden bewegt. Auch wenn ein Pfleger durch den Stall rennt, geraten sie in Panik.