Dokfilm «Wild Women. Gentle Beasts»: Den Bären Purzelbäume lehren

Nr. 38 –

Szene aus dem Film «Wild Women. Gentle Beasts».

Zwar lautet der Titel von Anka Schmids neuem Dokumentarfilm «Wild Women. Gentle Beasts» – doch sanft sind die dressierten Zirkuslöwen und Tanzbären, die von ihren Dompteurinnen geküsst, gestreichelt und geschlagen werden, nicht. Das weiss auch die neunzehnjährige Löwen- und Tigerdompteurin Namayca Bauer, eine der fünf Protagonistinnen. Sie geht stets mit zwei Stöcken ins Gehege: «Man weiss ja nie.» Dass domestizierte Raubtiere wilde Tiere bleiben, zeigt Schmid auch in eindrücklichen Nahaufnahmen, etwa wenn sich die Tiger bei der Fütterung mit gefletschten Zähnen aufs Fleisch stürzen.

In Schmids Dokfilm stehen aber nicht die Tiere im Mittelpunkt, und es geht auch nicht um die Frage, ob Raubtierdressur heute noch vertretbar ist oder nicht. Schmid interessiert sich vielmehr für fünf Frauen, die alle Dompteurinnen von Raubtieren sind. Namayca Bauer wird von ihrem Vater in die Kunst der Tigerdressur eingeführt, sie übt das Handwerk in achter Generation aus. Auch die 24-jährige Ägypterin Anosa Kouta ist in die Fussstapfen ihrer Vorfahren getreten: Ihre Grossmutter war die erste Löwendompteurin im arabischen Raum. Die Russin Aliya Takshantova hat das Handwerk der Bärendressur von ihrer Mutter Nadezhda gelernt, einer resoluten, unzimperlichen Frau, die den Bären das Fürchten und Purzelbäume lehrt. Nur die 40-jährige Carmen Zander hat keinen Familienbetrieb im Rücken, sondern als ehemalige DDR-Leistungssportlerin den Weg zum Zirkus gefunden.

Ungeschönt und direkt fängt Schmid den Alltag der Dompteurinnen ein. Während sie auf tristen Stellplätzen in ihren Wohnwagen leben, richten sie sich und auch ihre Tiere für ihre Auftritte in der Glitzerwelt des Zirkus wunderschön her. Sie arbeiten bis zu siebzehn Stunden pro Tag, haben keine Zeit für FreundInnen und kämpfen als Frauen gegen verschiedene Vorurteile an. Und dann ist da noch das drohende Alter: Was, wenn die Jugend verblüht und man in der Manege nicht mehr so attraktiv ist? Es sind spannende Biografien, denen Schmid nachgeht, und man wüsste gerne mehr über jede dieser unkonventionellen und furchtlosen Frauen.


Ab 17. September 2015 im Kino.

Wild Women. Gentle Beasts. Regie: Anka Schmid. Schweiz 2015