Fussballfans: Ein Flop für die Hardliner

Nr. 25 –

Das Mittragen von Pyrotechnik ist nicht strafbar, das St. Galler Kreisgericht spricht Fans frei. Was sagt ihre Anwältin?


In der ganzen Schweiz gibt es Probleme mit randalierenden Fussball- oder Eishockeyfans – aber nur im Kanton St. Gallen ist das Thema derart politisch aufgeladen. Der Grund: Es gibt dort mit der FDP-Regierungsrätin Karin Keller-Sutter eine Politikerin, die ihre Bundesratskarriere vorantreibt, indem sie gegen eine Gruppe ohne Lobby demonstrative Härte zeigt, und es gibt dort die Justiz unter dem Ersten Staatsanwalt Thomas Hansjakob (SP), die diesen Kurs beflissen umsetzt. Wiederholt lobte sich die Regierungsrätin in Interviews selber und forderte: Das Vorgehen in St. Gallen müsse schweizweit zum Standard werden.

Der bisherige Höhepunkt der politisch kalkulierten Machtdemonstrationen wurde am 21. März 2010 erreicht, als vor dem Match des FC St. Gallen gegen den FC Basel die Eingangskontrollen ohne Ankündigung rigoros verschärft wurden. Mit dem Resultat übrigens, dass die Basler Fankurve während des Spiels trotzdem Pyros zündete und es am Bahnhof zu heftigen Krawallen kam.

Zieht man drei Monate nach den damaligen Schnellurteilen eine vorläufige Bilanz, muss man einen Flop konstatieren. Dem St. Galler Repressionsapparat wurde ziemlich viel Luft abgelassen. Dazu trug die Geschichte um die Schläger innerhalb der Delta Security bei, die neben der Securitas in der AFG-Arena für die Eingangskontrolle zuständig waren und mit Teleskopschlagstöcken ausgerüstet wurden. Einer der Delta-Männer enttarnte sich nach dem Einsatz durch triumphierende Facebook-Einträge gleich selber als brutaler Schläger und wurde auf Druck der Medien entlassen. Zur Erinnerung: Bei den Auseinandersetzungen vor dem Eingang hatten verschiedene Basler Anhänger Riss-, Quetsch- und Platzwunden am Kopf davongetragen.

Zehn Fans waren bei den Eingangskontrollen verhaftet worden. Sieben blieben bis zu 48 Stunden in Polizeihaft und wurden dann abgeurteilt. Um die Haft zu begründen, legte ihnen die Polizei in einem ersten Aufwisch alle möglichen Delikte zur Last, von Landfriedensbruch über Gewalt und Drohung gegen Beamte oder Vermummung bis zu Körperverletzung. Unter dem Strich blieb davon nicht allzu viel übrig: Im Wesentlichen sind es sieben Schnellurteile wegen Verstosses gegen das Sprengstoffgesetz. Gegen die Busse und die bedingten Geldstrafen erhoben die Fans Einsprache. Das St. Galler Kreisgericht sprach im Urteil vom 16. Juni sechs von ihnen frei. Ein Fall ist noch offen. Der Einzelrichter befand, das Sprengstoffgesetz biete keine gesetzliche Grundlage, «um bereits das Mitführen pyrotechnischer Gegenstände im Sportstadion strafrechtlich zu sanktionieren».

Die Zürcher Anwältin Manuela Schiller hat die Anhänger vor Gericht vertreten.


WOZ: Frau Schiller, waren die Freisprüche eine Überraschung?

Manuela Schiller: Eigentlich nicht. Ich habe mich zuvor beim Bundesamt für Polizei rückversichert und auch das Kreisgericht auf dessen Haltung aufmerksam gemacht. Die Bundespolizei hält klar fest, dass das Mitführen von Leuchtfackeln nicht strafbar ist. Diese Auslegung kannten übrigens auch die Untersuchungsbehörden in St. Gallen. Sie rechneten wohl damit, dass sich die Leute nicht wehren würden.

Wie liefen die Kontrollen ab?

Die Anhänger wurden bei der Eingangskontrolle von Securitas-Mitarbeitern abgetastet, besonders in der Genitalgegend. Wurde das Sicherheitspersonal fündig, wurde die Person gepackt, niedergedrückt und in einen abgetrennten Raum gebracht. Die Fans wurden auf den Boden gedrückt, die Hände mit Kabelbindern gefesselt. Ein Sicherheitsbeamter zog ihnen dann die Hosen aus.

Die verhafteten Fussballanhänger hätten neben einer bedingten Geldstrafe auch noch eine Art gerichtliches Stadion- und Rayonverbot erhalten. Wie steht es damit?

Mit den Freisprüchen wurden die Weisungen nun nicht mehr überprüft, welche die St. Galler Behörden als Standard schweizweit durchsetzen wollen. Diese Weisungen, die nicht mit den bereits bekannten Stadion- und Rayonverboten zu verwechseln sind, würden bedeuten, dass die Fans vor und nach einem Spiel von jedem der 46 Stadien eines Fussball- oder Eishockeyklubs der obersten beiden Ligen einen Abstand von mindestens tausend Meter einhalten müssten. Das einzuhalten, wäre eine enorme Einschränkung.

Wird nach den Freisprüchen nun einfach das Sprengstoffgesetz angepasst?

Die St. Galler Behörden werden das Urteil weiterziehen, wohl bis vor Bundesgericht. Der Wortlaut des Gesetzes ist aber klar. Eine Anpassung könnte kompliziert werden, denn man müsste Pyros beispielsweise von den Signalraketen für Segler oder Bergsteiger unterscheiden können.