Palmöl: Neue Hoffnung aus Genf

Nr. 25 –

Wo «Bio» draufsteht, ist nicht immer auch Fairness drin. Ein kolumbianischer Kleinbauer hat einen Biopalmölkonzern vor dem Uno-Menschenrechtsausschuss in Genf eingeklagt. Ein Teil der Produktion des Daabon-Konzerns darf sich mit dem Bio-Suisse-Label schmücken.


Don Misael Payares ist ein kleiner, hagerer Mann mit leiser, ruhiger Stimme. Der Kleinbauer aus Kolumbien hat im Alter von 63 Jahren zum ersten Mal seine Heimat verlassen. Er soll in der fernen Schweiz für das Recht von 123 Familien kämpfen, die vom Biopalmölkonzern Daabon von ihrem Land vertrieben worden sind. Fünf Minuten hat ihm der Uno-Menschenrechtsausschuss in Genf gewährt, um sein Anliegen vorzubringen. Auch mit deutschen Biofirmen, die Abnehmer von Daabon sind, führt Don Misael Gespräche. So soll der fast schon verloren geglaubte Fall der 123 KleinbäuerInnen wieder ins Rollen gebracht werden.

Das Recht des Stärkeren regiert

Don Misaels Geschichte beginnt mit seinem Grossvater. Der machte sich in den vierziger Jahren wie viele andere Kolumbianer auf die Suche nach einem guten Ort zum Siedeln. Grosse Teile des Landes waren damals noch unbewohnt. Im Sumpfgebiet des Magdalenaflusses in der Region Südbolivar wurde er fündig: Gemeinsam mit anderen Bauernfamilien richtete er sich auf einer Insel zwischen zwei Flussarmen ein – ein idealer Ort für den Ackerbau wie auch zum Fischen und Jagen. Für drei Pesos pro Hektare erwarben die BäuerInnen das Nutzungsrecht für den Boden vom Staat. An Landbesitz waren sie nicht interessiert; es wäre wohl auch zu teuer gewesen.

Bereits wenige Jahre später machten sich Viehzüchter auf ihrem Land breit, die KleinbäuerInnen mussten auf Felder in der Umgebung ausweichen. Die Staatsgewalt war weit weg, in der Region Magdalena Medio herrschte das Recht des Stärkeren. Zwar konnten die BäuerInnen zwischenzeitlich wieder zurück auf ihr Land, nachdem die Viehzüchter weitergezogen waren. Aber mit den zunehmenden Landkäufen von Privaten in den sechziger Jahren wurde es für sie immer enger.

In den achtziger Jahren kaufte der Drogenhändler Jesús Emilio Escobar – ein Verwandter des legendären Drogenbarons Pablo Escobar – die Hacienda Las Pavas, ein Grundstück, das sich teilweise auf dem ursprünglich von den Bauernfamilien bewohnten und bewirtschafteten Land befand. Durch Kauf und durch illegale Aneignung von Staatsland vergrösserte Escobar seine Hacienda in der Folge stetig – bis Don Misaels Familie und den anderen, die Staatsland per Nutzungsrecht bebauten, nichts mehr blieb. Sie mussten erneut weichen.

1995 verliessen Escobar und seine Familie die Hacienda, die BäuerInnen kehrten zurück – um wenige Jahre später nochmals vertrieben zu werden, diesmal von Paramilitärs. Nach deren Demobilisierung kehrten die Kleinbauernfamilien erneut zurück. Vor vier Jahren strengten sie dann ein sogenanntes Titulierungsverfahren an: Das kolumbianische Gesetz sieht vor, dass BäuerInnen, die verlassenes Land bebauen, nach fünf Jahren Antrag stellen können, offizielle BesitzerInnen zu werden.

Escobar jedoch hatte andere Pläne: Im Jahr 2007 verkaufte er das Land an das kolumbianische Biopalmölunternehmen Daabon und vertrieb die KleinbäuerInnen mit Waffengewalt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihr Titulierungsverfahren noch gar nicht begonnen, weil verschiedene Behörden in Machtkämpfe verstrickt waren. Es ist erst 2008 eröffnet worden.

Angezündete Felder

Daabon stellt sich auf den Standpunkt, zum Zeitpunkt des Kaufs nichts vom Landkonflikt gewusst zu haben, und weist jede Schuld von sich. Dies, obwohl sich ein anderer potenzieller Käufer zuvor wegen des Konflikts zurückgezogen hatte. Der Konzern, der für einen Teil seiner Produktion das Bio-Suisse-Label trägt und Mitglied des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) ist, liess seine Ansprüche vielmehr rigoros durchsetzen: Im Juli 2009 fuhr ein Abrisskommando in Las Pavas auf. Bewaffnete Spezialeinheiten der kolumbianischen Polizei kreisten die Bauernfamilien ein, zündeten ihre Felder an und rissen ihre Hütten nieder.

Seither leben die Familien im Nachbardorf und sind auf staatliche und internationale Hilfe angewiesen – in der Region Magdaleno Medio gibt es kaum noch Land, das sie bewirtschaften könnten.

Mehr als Lippenbekenntnisse?

In einer Verfügung vom Februar 2010 erklärte die kolumbianische Agrarreformbehörde Incoder das Titulierungsverfahren der KleinbäuerInnen für ungültig: Es fehle die Unterschrift eines Beamten als Bestätigung, dass das Land tatsächlich bewirtschaftet wurde. Doch noch ist nicht alles verloren, auch wenn Daabon bereits begonnen hat, das Land für seine Palmölplantagen zu präparieren. Der Entscheid kann angefochten werden, und das unerwartete Interesse im fernen Europa hat Don Misael neue Hoffnung gegeben.

Vertreter der deutschen Biofirma Rapunzel haben ihm aufmerksam zugehört, hat doch Rapunzel zuvor eine eigene Rohstoffexpertin nach Kolumbien geschickt, um die Produktionsbedingungen bei Daabon zu überprüfen. Auf den Plantagen, von denen das Rapunzel-Biopalmöl stamme – Südbolivar gehört nicht dazu –, herrschten «vorbildliche» Arbeits- und Umweltschutzbedingungen, hat sie gemeint. Wie Don Misael betont, war die Rapunzel-Expertin allerdings nicht in Südbolivar auf der Hacienda Las Pavas. Die deutsche Biofirma will ihren Zulieferbetrieb nicht offen kritisieren, betont aber, dass sie «zukünftig ein neues Projekt aufbauen» werde, sollte sich Daabon nicht aktiv um eine Lösung bemühen und nicht «respektvoll mit den Bauern in Südbolivar umgehen».

Bereits für Ende Mai hat die Firma Body Shop, die ebenfalls Palmöl von Daabon bezieht, einen Bericht zur Situation in Las Pavas angekündigt, zusammen mit der Hilfsorganisation Christian Aid. Auf Anfrage heisst es jetzt, der Bericht werde «in den nächsten Wochen» publiziert.

Florian Blumer arbeitet für die Presseagentur InfoSüd, die auf Nord-Süd-Zusammenhänge spezialisiert ist.

Mehr als ein Marketing-Gag?

Im letzten Jahr importierte die Schweiz über 30 000 Tonnen Palmöl – ein Rekordwert. Der Konsum hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht. Das hat Folgen: «Eine Ausweitung der Palmölproduktion geht immer auf Kosten des Regenwalds», sagt Lukas Straumann, Geschäftsleiter des Bruno-Manser-Fonds. Die Organisation kämpft gegen den Anstieg der Palmölproduktion. Denn er führt nicht nur zu Umweltproblemen, sondern auch zu massiven Menschenrechtsverletzungen: Angehörige des Volks der Penan auf Borneo etwa, für die sich der Bruno-Manser-Fonds einsetzt, werden aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben. Die Insel Borneo gehört zu den Staatsgebieten von Malaysia und Indonesien; diese zwei Länder stellen rund neunzig Prozent der Weltproduktion an Palmöl.

Um den Zerstörungen und den Menschenrechtsverletzungen entgegenzuwirken, die mit der Palmölproduktion verbunden sind, hat der WWF 2003 den Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) initiiert. Die internationale Organisation vergibt seither Zertifikate, die garantieren sollen, dass das Palmöl der betreffenden Firma nachhaltig produziert wird. Lukas Straumann begrüsst die Initiative. Doch er sieht auch die Gefahr, dass sie «zur reinen Marketingmassnahme verkommt». Denn die Mitglieder sind zum grössten Teil Palmölproduzenten. Und die haben nicht gerade dazu beigetragen, die Ernsthaftigkeit ihrer Initiative zu unterstreichen.

Nebst Daabon in Kolumbien steht auch das Palmölunternehmen IOI, Gründungsmitglied des RSPO, in der Kritik. IOI soll die Richtlinien massiv missachten. Diese besagen, dass kein Urwald gerodet werden und kein Landkonflikt um das Anbaugebiet bestehen darf. Der Bruno-Manser-Fonds wirft der Firma IOI jedoch vor, grossflächig Regenwaldökosysteme zerstört und die Landrechte der UreinwohnerInnen auf Borneo verletzt zu haben.

Zudem lassen viele der RSPO-Firmen nur etwa zehn bis fünfzehn Prozent ihrer Produktion für den europäischen Markt zertifizieren. Das übrige Öl stammt aus Plantagen, für die Urwald gerodet wird, was Menschenrechtsverletzungen mit sich bringt. Nach den RSPO-Regeln müssen sich die Firmen zwar verpflichten, nach und nach die gesamte Produktion zertifizieren zu lassen. Doch Straumann ist skeptisch: «Papier ist geduldig.» Dass ausgerechnet die Firma IOI als Gründungsmitglied die RSPO-Grundsätze missachte, stelle das System als Ganzes infrage.

Ein weiterer Streitpunkt ist die RSPO-Richtlinie, gemäss der Sekundärwald gerodet werden darf, «wenn erwiesen ist, dass der Wald ökologisch und sozial nicht wertvoll» ist. Als Sekundärwald wird diejenige Vegetation bezeichnet, die nachwächst, nachdem Urwald zerstört worden ist. Sie mache in der Region Sarawak auf Borneo neunzig Prozent des Waldes aus, sagt Straumann. Laut Corina Gyssler vom WWF Schweiz gibt es in Indonesien «mehr als sieben Millionen Hektar degradierte Wald- und Grasflächen», die für Palmölplantagen genutzt werden könnten. Für Straumann ein Mythos: Das Land gehöre mehrheitlich indigenen Gemeinden. Und der Verweis darauf, dass es sich um Sekundärwald handle, der gerodet wird, ändere nichts daran, dass so Regenwald verloren gehe. «Wenn man den Boden sich selbst überlässt, wächst der Wald wieder nach.»

Trotz allem, sagt Straumann, sei Palmöl aus zertifizierter Produktion besser als konventionelles. Grosse Sorgen bereitet ihm allerdings, dass Palmöl zunehmend als Agrotreibstoff verwendet wird und diese Nutzung von der EU auch noch gefördert wird. Bislang fand Palmöl in erster Linie in Lebensmitteln Verwendung, etwa in Schokolade. Es ist der weltweit verbreitetste pflanzliche Fettzusatz in Nahrungsmitteln. Auch Kosmetika und Tierfutter enthalten Palmöl. Der vollständige Verzicht darauf sei unrealistisch, sagt Straumann. «Es darf aber nicht sein, dass mit dem RSPO-Label eine Ausweitung der Produktion gerechtfertigt wird.»