Kolumbien: Vergiftete Tiere, zerstörte Häuser, Gewalt

Nr. 2 –

In Kolumbien schwelt seit Jahrzehnten ein bewaffneter Konflikt. Millionen von Menschen wurden dabei von ihrem Land vertrieben. Das Buch von Jann Duri Bantli schildert den Kampf um den Boden aus Sicht betroffener Kleinbäuerinnen und Kleinbauern.

Ölpalmen ausreissen? Oder ist das eine gewalttätige Aktion? Wie auf die neuste Aggression des Palmölunternehmens reagieren, das auf den frisch geackerten Feldern der KleinbäuerInnen mehrere Tausend Ölpalmen gepflanzt hat? Fragen, die an einer Versammlung der Kleinbauernfamilien von Las Pavas diskutiert werden. Mit dabei: Jann Duri Bantli. Der Bündner Autor besuchte verschiedene Dörfer im Nordosten Kolumbiens, die mit den Konsequenzen des An- oder Abbaus von Rohstoffen zu kämpfen haben.

In Las Pavas sehen sich beide Seiten als rechtmässige Landeigentümer: über hundert Kleinbauernfamilien und das Palmölunternehmen Aportes San Isidro. Die Bäuerinnen und Bauern, weil sie das zuvor brachliegende Land länger als drei Jahre bewirtschaftet haben und es ihnen deshalb gemäss Gesetz zusteht. Das Unternehmen, da es das Land – nach der Vertreibung der KleinbäuerInnen durch Paramilitärs – von einem untergetauchten Onkel des ehemaligen Drogenbosses Pablo Escobar gekauft hat. Zwar existiert ein Gerichtsentscheid zugunsten der Kleinbauernfamilien, und deshalb hat ihnen die Landwirtschaftsbehörde das Land zugesprochen. Doch das Unternehmen missachtet das.

Kohlestaub überall

Es ist ein Kampf mit ungleichen Mitteln, den Bantli beschreibt: auf der einen Seite die Kleinbauernfamilien, die sich dem friedlichen Widerstand verschrieben haben und in provisorischen Hütten leben. Direkt daneben das Quartier der Palmölfirma mit bewaffneten Sicherheitsbeamten und Angestellten, von denen einige ehemalige Paramilitärs sind. Morddrohungen mit vorgehaltener Waffe, vergiftete Hühner und Schweine, zerstörte Ernten und Häuser – der Alltag der Kleinbauernfamilien von Las Pavas ist von Angst und Gewalt geprägt.

«Meine Augen brennen», schreibt der Autor, als er zum ersten Mal El Hatillo besucht. Im Osten des Dorfes erhebt sich eine lange, 500 Meter breite und 60 Meter hohe Wand. Es ist das Aushubmaterial der Kohleminen. Der Wind verteilt die gefährlichen Kohlepartikel in der Landschaft. Sie verschmutzen das Wasser, verursachen Lungen-, Augen- und Hautkrankheiten. Landwirtschaft ist praktisch unmöglich geworden. Wegen der Umweltverschmutzungen verpflichtete der kolumbianische Staat 2010 die verursachenden Bergbauunternehmen – darunter eine Tochterfirma des Schweizer Konzerns Glencore – zur Umsiedelung von El Hatillo und zwei weiteren Dörfern. Doch der Umsiedelungsprozess stockt. Die Bevölkerung, krank und hungrig, ist den Unternehmen ausgeliefert. Und diese scheinen auf Zeit zu spielen.

Ohnmächtige Situation

Jann Duri Bantli war 2010 als Menschenrechtsbeobachter in Kolumbien. Zwei Jahre später kehrte er zurück, um ein Buch «aus Sicht der Betroffenen» zu schreiben. Das Buch gibt einen tiefen Einblick in die Situation der Kleinbauernfamilien, deren Alltag sich innerhalb von zwei Jahrzehnten durch die massive Förderung von Kohle und Palmöl radikal verändert hat. Bantli beschreibt die Vorgeschichte der jeweiligen Auseinandersetzungen, berichtet von gespaltenen Gemeinschaften, Diskussionen über den Widerstand, von den Strategien der mächtigen Gegenseite, starken paramilitärischen und oligarchischen Strukturen und von der Abwesenheit des Staats. Die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern stecken in einer ohnmächtigen Lage: Auch wenn es positive Behördenentscheide zu ihren Gunsten gibt, werden sie nicht umgesetzt. Oder, wie es ein Kleinbauer dem Autor erklärt: «In Kolumbien gilt das Gesetz nur für die einen.»

Bantli hat viel recherchiert, zeichnet ein umfassendes Bild und erklärt die komplexe Situation in Kolumbien konkret und verständlich. Das Buch ist eine – trotz des schweren Themas – leicht lesbare Mischung aus Reisebericht und Reportage. Der Autor schreibt nicht nur in der Ich-Form, er äussert auch seine Meinung. Das stört manchmal den Lesefluss und das Gefühl, selbst vor Ort zu sein. Doch es ist die Stärke des Buches, dass es nahe herangeht und zeigt, was Rohstoffgewinnung in einem Land wie Kolumbien mit gewalttätigen Konflikten für die betroffenen Gemeinschaften konkret bedeutet. Ein wichtiges Buch für die Schweiz, wo zahlreiche Rohstoffkonzerne ihren Hauptsitz haben.

Jann Duri Bantli: Bodenschätze: Landvertreibung. Eine Reise nach Kolumbien. Edition 8. Zürich 2014. 220 Seiten. 26 Franken