«Auf den Inseln des letzten Lichts»: Gefangen im Plotlabor

Nr. 49 –

In seinem neuen Roman greift Rolf Lappert noch weiter in die Welt aus als in seinem preisgekrönten Roman «Nach Hause schwimmen» und landet auf den Philippinen: ein unbändiger, üppiger Text auf eher banalen Handlungsbahnen.


Er war ein Überraschungssieger, als er vor zwei Jahren mit seinem Roman «Nach Hause schwimmen» den Schweizer Buchpreis gewann. Viele LeserInnen im deutschsprachigen Raum hatten bis dahin den Namen des früh schon aus der Schweiz ausgewanderten Schriftstellers Rolf Lappert kaum oder gar nicht gekannt. Doch nicht zuletzt die Neuheit des 2008 soeben erst begründeten Schweizer Buchpreises katapultierte den 1958 in Zürich geborenen Lappert ins Zentrum des Literaturbetriebs. Plötzlich wollten alle wissen, wer der Autor war, der sich in einem kleinen Ort in Irland niedergelassen hatte, wo er sich – nach eigener Aussage – während langer Phasen mehrheitlich zwischen Schreibtisch und Kühlschrank hin- und herbewegt.

Bis zu diesem ihm fremden Rummel um seine Person veröffentlichte Lappert nicht nur mehrere Romane im kleinen Basler Verlag Nachtmaschine; schon in den neunziger Jahren stand er als Autor auf der Buchliste des Nagel-&-Kimche-Verlags. Dann allerdings gab es eine über zehnjährige Pause, in der Lappert einen Jazzclub führte und später für das Schweizer Fernsehen Folgen für die Sitcom «Mannezimmer» schrieb.

Von einer Insel auf die andere

Es scheint, dass Lappert erst der Wegzug nach Irland wieder ein kontinuierlicheres Schreiben an einem grossen, eigenen Text ermöglichte. Jedenfalls entstand dort die Figur Wilbur, jener kleinwüchsige Antiheld aus «Nach Hause schwimmen». Die Grüne Insel ist nun auch in Lapperts neuem Roman «Auf den Inseln des letzten Lichts» erneut der Ausgangspunkt der Reisen der Hauptfiguren: Megan und Tobey O’Flynn, ein Geschwisterpaar, das sich sucht, nachreist, aber vielleicht für immer verloren hat. Doch Tobey gibt nicht auf und folgt Megans Spuren bis hin zu einer Insel, die zu den Philippinen gehört. Hier trifft er auf eine seltsame Gruppe von Menschen, WissenschaftlerInnen aus Europa und Asien, die mit Hilfe einiger Filipinos eine Forschungsstation für Primaten zu unterhalten versuchen, die allerdings eindeutig bessere Tage gesehen hat. Bald nimmt auch Tobey die Lethargie gefangen, die von den Menschen hier Besitz ergriffen hat. Seine Motivation, Megan zu suchen, schwindet.

Zum einen mögen die aus der halben Welt zusammengewürfelten BewohnerInnen der Inseln – es spielt im Verlauf der Handlung noch eine kleinere Nachbarinsel eine Rolle – als Mikrokosmos für die gesamte Menschheit stehen; zum anderen gewinnt der Ort zuweilen die Bedeutung einer bruchstückhaften Allegorie auf das Geschichtenerzählen und das Schreiben an sich. So kommentiert etwa die Figur eines Inders oder Pakistani – ihre Identität bleibt letztlich ungeklärt –, die immer wieder neue Versionen ihrer Biografie kreiert, die Grundbedingungen des Erfindens überhaupt.

Der Autor jagt seine Figuren

Doch als hätte Lappert diesem vielschichtigen Bild, das sich in einem ruhigen Rhythmus zu entwickeln beginnt, nicht vertraut, zieht er ungeduldig an den Fäden des Stoffs und zerreisst dabei manches bereits fein Gewobene oder zerrt andeutungsvolle Muster ans grelle Licht, wo sie schnell verblassen. Tobeys Gefangensein in einer Art Loop, sein Einsinken in das Einerlei der feuchtwarmen Tage, kontrastiert und durchbricht der Roman immer wieder durch thrillerartige Plotelemente: So gerät Tobey wiederholt in Lebensgefahr, weil er Geheimnisse der Forschungsstation erfährt. Und dann gerät er noch in die lokalen politischen Auseinandersetzungen hinein und wird als Geisel festgehalten. Derselbe sinnlose Aktivismus ergreift auch jenen dritten Teil des Romans, in dem von der einstigen Ankunft Megans auf der Insel erzählt wird: Lappert jagt seine Figuren von einer brenzligen Situation in die nächste – doch dabei verliert er sie immer mehr aus den Augen.

Umso schmerzlicher empfindet man die Banalität solcher Plothascherei, nachdem der Autor im mittleren Teil des Buches in die irische Kindheit seines Geschwisterpaars zurückgeblendet und dabei an die Kraft seines musikalischen Sprachvermögens erinnert hat. Das Laute, Wichtigtuerische liegt diesem Autor nicht; das spürt man in diesen Irland-Passagen. Offensichtlich war Lappert da nicht nur geografisch näher an seinen Quellen.

Rolf Lappert: Auf den Inseln des letzten Lichts. Hanser. München 2010. 544 Seiten. Fr. 37.90