Damenschwimmclub St. Gallen: Schneller, als die Männer erlauben

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Sie leisteten Pionierarbeit, als sie vor hundert Jahren den Damenschwimmclub St. Gallen (DSC) aus der Taufe hoben. Sicher: Damals wogte eine Welle von Schwimmvereinsgründungen über die Schweiz, begünstigt durch frische Winde aus der Lebensreform- und der Hygienebewegung. Luft, Licht, Wasser und Bewegung galten als Ingredienzien gesunden Lebens.

Aber: Frauen, die sich in einem Schwimmklub organisierten? Und noch dazu dem Schwimmen als Sport frönten? Das starke Geschlecht fühlte sich bedroht und leistete Widerstand: Der (Herren-)Schwimmclub St. Gallen verkündete erst, Milly Ittensohn, DSC-Mitbegründerin, habe sechzig Meter Brust in einer Minute geschwommen, um das Resultat bald um ein paar Sekunden nach oben zu korrigieren – es konnte nicht sein, was nicht sein durfte: Eine Frau schwamm schneller als die Männer.

Auch die strikte Geschlechtertrennung der Badeanstalten erschwerte den DSC-Damen das sportliche Reüssieren: Die Turmspringerinnen mussten sich mit einem Einmeterbrett begnügen, weil das einzige Dreimeterbrett im «Manneweier» stand. Schliesslich erkämpfte sich eine talentierte DSC-Springerin vom Stadtrat die Erlaubnis, frühmorgens von fünf bis sechs im «Manneweier» zu trainieren.

Ein unsportliches Hindernis anderer Art waren die Wettkampfbadekleider aus Wolle, wie sie bis in die dreissiger Jahre üblich waren: Vollgesogen mit Wasser wogen sie bis zu dreieinhalb Kilo – und kratzten erbärmlich. Auch die weissen Badekleider, die beim «Figurenlegen», einer frühen Form des Synchronschwimmens, zu tragen waren, verlangten den Frauen periodisch einiges an Erfindergeist ab – etwa in Form von in Öl getauchten Wattetampons –, um sich vor Publikum nicht zu blamieren.

Die Erfahrungen im DSC schweissten die Frauen zusammen. Mitunter blieben sie jahrzehntelang Mitglied. Und gaben den Herausgeberinnen des Foto-Jubiläumsbandes hochbetagt im Altersheim noch Auskunft. Dank ihnen, so ein Vorstandsmitglied des DSC im Vorwort, werden die Fotos lebendig, erzählen Geschichten.

Iris Blum: Frauen schwimmen … und schlagen Wellen. Der Damenschwimmclub St. Gallen. Limmat Verlag. Zürich 2010. 128 Seiten, 44 Franken