Swissmetal: Putsch und Plünderung in Dornach

Nr. 34 –

Die Lage spitzt sich zu: Diese Woche gab Swissmetal 182 Kündigungen bekannt. Welche Taktik verfolgen die Besitzer? Was sagen die Beschäftigten? Ein Besuch vor den Werkstoren.


Selbst die Regionalzeitungen sind sich uneins über die Situation in Dornach: «Swissmetal entlässt 182 Arbeiter», titelt die «Solothurner Zeitung» an diesem Dienstag, «Swissmetal hält an Dornach fest», meldet die «Basler Zeitung», «Grêve chez Swissmetal», schreibt «L’Alsace». Dornach im nördlichen Solothurn, Agglomeration von Basel, Dreiländereck: Oben am Hügel leuchtet das Goetheanum der AnthroposophInnen, unten an der Birs liegt die Fabrik. Die Securitas-Angestellte im Pförtnerhäuschen verbindet mit einer Pressesprecherin: Nein, man dürfe keinesfalls hereinkommen, um mit den Arbeitern zu reden. Man könne draussen auf sie warten.

«Vielleicht ist es das letzte Mal, dass wir hier rausgehen», sagt einer der vier Arbeiter, die das Tor passieren. «Jetzt können wir nur noch warten, wer mit der Post die Kündigung erhält», berichtet sein Kollege.

Chefs gegen Chefs

Warten ist der Zustand, in dem sich die Metaller seit sieben Wochen befinden: Am 30. Juni kam es bei Swissmetal zum Putsch. Der Hedgefonds Laxey, in London domiziliert und vom Schweizer Roger Bühler geleitet, hatte ein Jahr lang versucht, seine Beteiligung zu verkaufen, brachte die Aktien aber nicht los. An der Generalversammlung im Juni änderte Laxey deshalb die Strategie und ersetzte den Verwaltungsrat mit Getreuen: Martin Hellweg, Arturo Giovanoli und Patrick Huber-Flotho von der Ally Management Group. Eigenwerbung: «In allem, was wir tun, streben wir nach Perfektion. Unser Ziel ist die Schöpfung nachhaltiger Werte.»

Verwaltungsratspräsident Friedrich Sauerländer musste seinen Platz räumen. Damit begann erst die Auseinandersetzung. Die Bank BNP Paribas, bei der Sauerländer einmal Verwaltungsrat war, blockierte das Warenlager in Dornach. Die Laxey-Getreuen stoppten die Produktion und kündigten eine Massenentlassung an. Am 21. Juli wurde Swissmetal die provisorische Nachlassstundung gewährt: Der Betrieb untersteht einem Sachwalter und ist für zwei Monate vor den Gläubigern geschützt.

Im August zogen hundert Beschäftigte vor die Paribas-Filiale in Basel. Der Slogan: «Ihr besetzt unser Lager, wir besetzen eure Bank!» Nach Verhandlungen wurde das Rohstofflager freigegeben. Am Freitag letzter Woche ging das Konsultationsverfahren, bei dem die Beschäftigten Vorschläge zum Erhalt der Arbeitsplätze machen konnten, zu Ende. Swissmetal ging nicht auf die Vorschläge ein und kündigte mehr als 200 Entlassungen an – entgegen den Abmachungen gleich auch der Presse. Über das Wochenende wurde die Zahl zwar auf 182 reduziert, wie lange die verbleibenden 124 Beschäftigten aber weiterarbeiten können, ist ungewiss. Die Metaller entschieden sich deshalb am Montag, den Ofen noch nicht anzufeuern.

Die vier Arbeiter vor dem Fabriktor blicken ins Leere: Sie sind Grenzgänger aus dem Elsass mit Familie. Zehn, zwanzig Jahre lang haben sie hier gearbeitet. «Für 4200 Franken im Monat, und das Management hat sich Boni in Millionenhöhe ausgezahlt.» Wie es weitergeht, wissen sie nicht: Vielleicht wird das Werk doch noch verkauft und dabei der Lohn gedrückt. Das Areal ist auch ein wertvoller Bauplatz, Verwaltungsratsmitglied Huber-Flotho hat Erfahrung mit Immobilien. Die Elsässer: «Wir müssen einem langsamen, schrittweisen Abbau zusehen.»

Know-how verspielt

Die Walzwerke und Giessereien von Dornach und Reconvilier im Jura sind im 19. Jahrhundert als Zulieferer der Uhrenindustrie entstanden. Die Produktion richtete sich zunehmend auf die Bedürfnisse der Elektronik- und Telekommunikationsbranche aus. 1986 wurden die Werke zur Swissmetal vereinigt und ab 2003 einer Restrukturierung unterzogen: Als Sanierer trat dabei Martin Hellweg auf. Als er 2006 die Schliessung der Giesserei in Reconvilier ankündigte, kam es in der «Boillat» zu einem der längsten und härtesten Streiks in der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte. In jener Auseinandersetzung holte Hellweg auch Laxey an Bord, doch der erhoffte schnelle Gewinn trat für den Hedgefonds nicht ein: Bis heute verlor er rund vierzig Millionen. Hellweg verliess den Konzern 2009. Für die fünf Monate, die er damals arbeitete, liess er sich 1,4 Millionen auszahlen.

Die Pförtnerin in Dornach verbindet jetzt nochmals mit der Pressesprecherin: Nein, auch die Geschäftsleitung sei nicht zu sprechen. Die sei entweder an Sitzungen oder nicht vor Ort.

Vor dem Fabriktor erzählt Vito Grande, wie er vor dreissig Jahren von Italien zur Swissmetal gekommen ist. «1200 Mitarbeiter waren wir damals.» Er erklärt die Arbeitsabläufe: das Giessen, das Pressen, das Veredlen der Metallstangen und -rohre. In drei Schichten, bei grosser Hitze: Bis auf 900 Grad wird das Metall erhitzt. In seiner Zeit hier hat er mehr als 20 000 verschiedene Profile gepresst.

Dass unersetzbares Know-how leichtfertig verspielt wird, empört Bruno Baumann und Toya Krummenacher bei einem Gespräch im Basler Gewerkschaftshaus am meisten. Die Unia-MitarbeiterInnen sagen, in dieser Hinsicht sei Swissmetal kein Einzelfall. Baumann, früher bei Schindler im Eisenbahnbau tätig, spricht von einer «kapitalistischen Arroganz», die in vielen Betrieben spürbar sei. «Die Beschäftigten, welche die Arbeitsabläufe viel besser kennen, werden nicht in Entscheidungen einbezogen.»

Dass ausgerechnet Martin Hellweg zu Swissmetal zurückkehrte, ist für die beiden GewerkschafterInnen unverständlich. Für Toya Krummenacher ist seine Strategie klar: «Er will den Standort kaputt machen, um für Laxey einen letzten Profit herauszuschlagen.» Glatt wie ein Aal sei Hellweg: «Jede Kommunikation von ihm sabotiert eine vorherige Abmachung.» Die Gewerkschaften fordern den Sachwalter auf, sich noch vor dem 20. September von Hellweg zu trennen. An diesem Tag werden die Richter über den Weiterbetrieb von Swissmetal entscheiden. Bruno Baumann und Toya Krummenacher sind überzeugt, dass die Firma Swissmetal eine Zukunft habe, allenfalls auch mit einem Verkauf an den französischen Buntmetallhersteller Le Bronze Industriel. Recht gibt ihnen der Halbjahresbericht von letzter Woche: Der Cashflow von Swissmetal, der den Nettozufluss liquider Mittel und damit die finanzielle Stabilität einer Firma misst, ist deutlich um vierzehn Millionen Franken gestiegen.

Vor dem Werkstor erzählt Vito Grande noch, dass bei Swissmetal auch die Stangen gepresst werden, aus denen später die Zweifränkler entstehen: Dem Metall wird ein Wert aufgedrückt, den diese Firma angeblich nicht mehr haben soll.