AKW Mühleberg: Wer soll das bezahlen?

Nr. 35 –

Verschiedene Nachrüstungsmassnahmen sollen das AKW Mühleberg sicherer machen. Das dürfte teuer werden.


Ein gutes Dutzend JournalistInnen reiste am Dienstag zum AKW Mühleberg. Vor einem Jahr hätte das Berner Energieunternehmen BKW einladen können, es wäre kaum jemand erschienen. Seit Fukushima ist alles anders. Die JournalistInnen wissen, dass der Kernmantel von Mühleberg Risse hat und dass dieses AKW bei einem massiven Hochwasser Probleme bekäme. Ende Juni hatte die BKW die Anlage vorzeitig vom Netz genommen mit der Begründung, sie wolle den Hochwasserschutz verbessern. Am Dienstag hat die BKW nun präsentiert, was sie dafür konkret tun will. Denn «die BKW strebt weiterhin den Langzeitbetrieb des Kernkraftwerks Mühleberg an, solange Sicherheit und Wirtschaftlichkeit gewährleistet sind», wie es Hermann Ineichen von der BKW-Leitung ausdrückte.

Rechnereien

Aktuell werden für einige Millionen in der Aare neue Ansaugrohre für Kühlwasser eingebaut, weil das bisherige System bei einem grossen Hochwasser hätte verstopft werden können. Womit Mühleberg das Kühlwasser ausgegangen wäre, was zur Kernschmelze hätte führen können. Geplant ist zudem, eine Art Minikühlturm zu bauen, der die Kühlung des AKWs jederzeit gewährleisten soll. Dieser Kompaktkühler wird «weit über zwanzig Millionen» kosten. Genauer wollte Ineichen aber nicht werden. Drei Jahre dürfte der Bau des Minikühlturms dauern. In der Zwischenzeit wäre das AKW weiter in Betrieb.

Der rissige Kernmantel wurde in den letzten Tagen mit einem topmodernen Roboter untersucht. Was mit den Daten passiert, ist unklar. Denn Kriterien, wie gross oder tief die Risse überhaupt werden dürfen, fehlen. Die neusten Messergebnisse speist man in ein Computerprogramm ein. Es errechnet, ob der Reaktormantel theoretisch noch stabil genug ist. Am Ende wird die Atomaufsichtsbehörde aufgrund der Computersimulation entscheiden, ob der Mantel ausgetauscht werden muss. Das würde etwa 500 Millionen Franken kosten und brächte die BKW in eine blöde Lage. Grob geschätzt bringt der Strom von Mühleberg pro Tag eine halbe Million Franken ein. Löhne und andere Betriebskosten abgerechnet, erwirtschaftet die Anlage pro Jahr gut hundert Millionen Franken.

Insgesamt dürften diese Nachrüstungen etwa 600 Millionen Franken kosten. Der Meiler ist aber schon vierzig Jahre alt, dürfte also höchstens noch zehn Jahre laufen. Diese Investition wird sich kaum rechnen. Mühleberg sofort stillzulegen, wäre wünschenswert, geht aber ökonomisch nicht so einfach. Denn der Rückbau kostet laut Rechnung des Bundes 380 Millionen. Aufgrund der Erfahrungen von Deutschland dürfte der Rückbau teurer kommen und etwa 500 Millionen Franken kosten. Dem Stilllegungsfonds, den die AKW-Betreiber speisen müssen, fehlen 130 Millionen Franken für Mühleberg, wobei sich dieser Beitrag real verdoppeln dürfte.

Gigantische Abschreibungen

Es fehlen also 260 Millionen. Wer wird bezahlen, wenn das AKW keinen Strom mehr verkaufen kann? Die BKW? Sie möchte in den nächsten zwanzig Jahren zwei Milliarden in Energieeffizienz und erneuerbare Energien stecken. Zugleich schrumpfen ihre Gewinne (2010 waren es 230 Millionen), weil das Auslandsgeschäft wegen des teuren Frankens schrumpft. Ausserdem muss die BKW dieses Jahr vierzehn Millionen abschreiben, weil das geplante Ersatz-AKW Mühleberg nicht gebaut wird, zudem verliert sie weitere dreissig Millionen Franken, weil Mühleberg bis Ende September vom Netz sein wird. Wegen der Strommarktliberalisierung lässt sich mit dem Stromnetz nicht mehr so viel Geld verdienen wie früher. Da braut sich was zusammen.

Der Kanton Bern ist Mehrheitsaktionär der BKW. Noch liefert das Unternehmen dem Kanton pro Jahr über sechzig Millionen Franken an Dividenden ab. Das könnte sich schnell ändern, wenn Mühleberg keinen Strom mehr verkauft, sondern nur noch kostet.

Am kommenden Wochenende findet beim AKW Mühleberg die Aktion «Mühleberg aussitzen» statt (www.aussitzen.ch)