Atomenergie: Wäre Beznau stilllegen billiger?

Nr. 49 –

Auf der Insel Beznau, zwischen Döttingen und Brugg, stehen an der Aare die ältesten Atommeiler der Welt. Sie gingen 1969 und 1971 ans Netz. Am Montag lud die Axpo, der das AKW gehört, die Medien auf die Insel ein.

Hauptbotschaft: Beznau I wird wohl noch bis Sommer 2016 stillstehen. Bis dann will man nachweisen, dass der Reaktordruckbehälter – das Herzstück der Anlage, in dem die Kernspaltung stattfindet – unzerstörbar ist. Noch ist aber ungewiss, ob der Reaktor jemals wieder angefahren wird. Denn im Druckbehälter hat man an die tausend kleine Schatten gefunden, als er mit Ultraschall durchleuchtet wurde. Nun müsste man herausfinden, wie bösartig diese Schatten sind. Ginge es um einen Menschen, könnte man eine Gewebeprobe entnehmen. Das geht in Beznau nicht so einfach, da man kein Loch in den Behälter bohren darf, weil er dadurch beschädigt würde (vgl. WOZ Nr. 42/2015 und WOZ Nr. 46/2015 ). Die Indizien sprächen dafür, dass die Schatten ungefährliche Einschlüsse seien, sagen die Axpo-Kader. Sie vermuten, Sandkörner seien ins Metall geraten, als der Behälter geschmiedet wurde. Es wird aufwendig sein, die Ungefährlichkeit zu beweisen.

Oft heisst es, die AKW-GegnerInnen seien selber schuld, wenn Alt-AKWs wie Beznau nicht vom Netz genommen würden, denn wenn sie es zugelassen hätten, dass neue, sicherere AKWs hätten gebaut werden dürfen, wären die betagten Altanlagen schon stillgelegt. Ein Argument, das ein schlechtes Gewissen machen könnte – wenn es wahr wäre. Aber es stimmt nicht. Die Axpo hat in diesem Sommer 700 Millionen Franken in die Nachrüstung von Beznau gesteckt. Die Axpo-Kader sagten am Montag, der Entscheid, dieses Geld in das AKW zu investieren, sei bereits 2008 gefällt worden. Damals war der Strompreis hoch, und man konnte im Stromgeschäft tüchtig verdienen. Denn 700 Millionen in zwei alte Meiler zu stecken, lohnt sich nur, wenn man glaubt, sie weitere zwanzig Jahre, also bis ins Jahr 2030, betreiben zu können.

Parallel dazu trieb die Axpo damals die Neubaupläne voran. Im  Dezember 2008 reichte sie beim Bund das Rahmenbewilligungsgesuch für den Bau des «Ersatzkernkraftwerks Beznau» ein. Gemäss den damaligen Plänen hätte das neue AKW im Jahr 2023 den Betrieb aufnehmen sollen. Klar ist inzwischen: Die Axpo hatte nie vor, Beznau vorzeitig vom Netz zu nehmen – sie hätte ein neues AKW gebaut und gleichzeitig das alte so lange wie möglich am Netz gehalten. Anders ergibt die vor sieben Jahren beschlossene kostspielige Nachrüstung keinen Sinn.

Dann kam es im März 2011 zur Katastrophe von Fukushima, und der Bundesrat entschied, es würden keine neuen AKWs gebaut. Für die Energieunternehmen ein Glück, denn ein Neubau würde sich heute niemals rechnen, und sie könnten ihn auch gar nicht finanzieren.

Vermutlich hätte die heutige Axpo-Leitung liebend gerne auf die Nachrüstung von Beznau verzichtet, doch sie konnte den Entscheid nicht mehr rückgängig machen. Nun kann sie – aus rein ökonomischen Gründen – Beznau I nicht stilllegen, selbst wenn sie wollte. Die 700 Millionen Franken müssen amortisiert werden. Zudem kostet der Stillstand von Beznau I weitere 200 Millionen, weil ein AKW auch Geld verschlingt, wenn es keinen Strom produziert. Die Axpo rechnet daher nur noch aus, «ob das Werk seine Kosten besser deckt, wenn es steht oder wenn es läuft», wie es ein Geschäftsleitungsmitglied ausdrückte.

Für den damaligen Nachrüstungsentscheid ist der damalige Axpo-Chef Heinz Karrer verantwortlich. Aber ihn kümmert es nicht mehr, er hat sich rechtzeitig abgesetzt und präsidiert heute den Wirtschaftsverband Economiesuisse, ist Verwaltungsratspräsident von Kuoni und sitzt im Bankrat der Nationalbank.

Der Axpo geht es derweil – wie auch anderen grossen Schweizer Energieunternehmen – aufgrund der tiefen Strompreise und des teuren Frankens miserabel. Abschreibung folgt auf Abschreibung. Die nördlichen und östlichen Kantone, denen die Axpo gehört, erhalten schon zum zweiten Mal keine Dividenden. Das wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern.

Die gute Nachricht: Die Axpo ist so klamm, dass die Konzernleitung beschlossen hat, sich finanziell nicht an der Abstimmungskampagne gegen die Atomausstiegsinitiative der Grünen zu beteiligen, über die voraussichtlich nächstes Jahr abgestimmt wird.