Kommentar: Aus der Fahndung wird Hetze
Am vergangenen Montag hat die Zürcher Stadtpolizei zum wiederholten Mal Fahndungsfotos ins Internet gestellt. Diesmal solche von den «Central-Krawallen» vom 17. September dieses Jahres. Die Internetfahndung darf nach eidgenössischer Strafprozessordnung erst dann angewendet werden, wenn alle anderen Fahndungsmittel zu keinem Erfolg geführt haben. Noch am selben Tag meldete sich einer der Gesuchten bei der Stadtpolizei mit dem Hinweis, man habe ihn ja längst gefunden: Er hatte nach dem 17. September in U-Haft gesessen und war bereits im Besitz eines Strafbefehls. Polizeisprecher Marco Cortesi erklärt, man habe in jener Nacht so viele Bilder gemacht, da erkenne man die Personen trotz Bildvergleichen manchmal nicht mehr.
Trotz dieses gravierenden Fehlers: Was Staatsanwaltschaft und Polizei mit dieser Art der Fahndung bezwecken, ist nicht in erster Linie der Pranger. Sie wollen keine überführten Kriminellen blossstellen, sondern suchen nach der Identität von Leuten, die verdächtigt werden, sich strafbar gemacht zu haben. Dieses Vorgehen ist inzwischen juristisch und datenschützerisch abgesichert. Weder abgesichert noch sonst auf irgendeine Weise kontrollierbar sind die Folgeschäden von Internetfahndungen.
Mit der Veröffentlichung der Fotos von fünf FC-Basel-Fans (einer hatte eine Pet-Flasche in Richtung der Polizei geworfen) durch die Luzerner Kantonspolizei im Juni 2007 brachen die Dämme. Für Zeitungen und Onlineportale sind die Fahndungsfotos Steilvorlagen, die Bilderserien landen auf den Titelseiten der Gratisblätter. Der Hinweis der Polizei, identifizierte Personen würden sofort «gelöscht», ist angesichts der hunderttausendfachen Reproduktion reiner Zynismus.
Nun beklagen sich Private wie FCZ-Präsident Ancillo Canepa, dass sie beim eigenhändigen Fahnden nach Übeltätern vom Datenschutz ermahnt werden. «Blick»-Journalisten spielen sich als Fanfahnder auf, weil die Justiz angeblich versage – und werden soeben selbst Opfer einer anonymen Kampagne. Die datenschutzrechtlich so einwandfreie Internetfahndung hat ein Klima der Hetze geschaffen. Das ist ein hoher Preis. Staatsanwaltschaft und Polizei sind offenbar gewillt, ihn zu zahlen.