Kommentar: Geschenke nimmt man nicht zurück

Nr. 51 –

Wir versuchen es ja, aber wir kommen einfach nicht von ihm los. Zu viel hat er falsch gemacht, zu viel hat er verschwiegen. Die Fehler von Hans-Rudolf Merz zwingen uns auch noch ein Jahr nach seinem Rücktritt aus dem Bundesrat, in alten Kisten zu wühlen – diese Woche: die Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform II am 24. Februar 2008. Am Dienstag entschied das Bundesgericht, die Abstimmung könne zwar nicht wiederholt werden, aber es rügte den Bundesrat – und damit vor allem den damals zuständigen Finanzminister Merz – heftig, er habe die «Stimmbürger hinters Licht geführt» und die «Abstimmungsfreiheit in krasser Weise» verletzt.

Die Abstimmung war damals äusserst knapp ausgefallen: 50,53 Prozent hatten 2008 der Unternehmenssteuerreform II zugestimmt, knapp 20 000  Stimmen machten den Unterschied. Im Vorfeld der Abstimmung hatten die Bürgerlichen, allen voran FDP-Finanzminister Merz, die Mindereinnahmen notorisch kleingeredet. Trotz Anfragen im Parlament und in den Kommissionen wurden keine Zahlen genannt, erst im Abstimmungskampf sprach der Bundesrat von 84 Millionen Franken Ausfällen für den Bund und 850 Millionen für die Kantone.

Das war falsch, stellte Merz’ Nachfolgerin Eveline Widmer-Schlumpf im Frühling 2011 fest. Allein für dieses Jahr betragen die Ausfälle mindestens 1,2 Milliarden Franken. Der Betrag kann in den nächsten Jahren auf zehn, zwanzig, dreissig Milliarden ansteigen. Ein wenig beachteter Gesetzesartikel erlaubt es Unternehmen, Dividenden nachträglich in Kapitalrückzahlungen zu verwandeln und somit steuerfrei auszuzahlen – rückwirkend bis 1997.

SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen und ihr Kollege Daniel Jositsch klagten deswegen bis vor Bundesgericht. Dieses gab den KlägerInnen inhaltlich zwar recht, dennoch sei eine Wiederholung der Abstimmung nicht möglich – wegen der Rechtssicherheit und des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die Abstimmung, sprich: das Steuergeschenk, gilt als Fait accompli.

Hans-Rudolf Merz wurde viel kritisiert, aber man nannte ihn immerhin einen guten Kassenwart. Doch war auch das ein Irrtum. Merz betrieb reine Klientelpolitik. Zuletzt machte er, angetrieben von Economiesuisse und anderen Wirtschaftslobbyisten, seiner Klientel ein milliardenschweres Steuergeschenk. Und in diesem Sinn urteilte jetzt auch das Bundesgericht: Ein Geschenk nimmt man nicht zurück.