Fumoir: Was bleibt von Breivik?
Ruth Wysseier über die PR-Gehilfen des Attentäters
Einige der jugendlichen Überlebenden des Attentats auf Utöya hatten einen Weihnachtswunsch an die Medien: für einmal keine Bilder von Anders Behring Breivik sehen, keine Reportagen lesen zu müssen.
Aber natürlich haben die Medien eine Informationspflicht, und über Breivik gab es auch zum Jahreswechsel viel zu berichten. Bisher interessiert zwar nicht so sehr, wie weit Breiviks Ideologie und Motivation etwas mit der Gesellschaft zu tun haben, in der er lebte, dafür aber die Frage, ob er sehr krank sei oder nur sehr böse. Gerichtspsychiater hatten Ende November eine paranoid-schizophrene Psychose diagnostiziert, die Befragungsprotokolle wurden den Medien zugespielt, dann diskutierte man auch die Gegenthese, Breivik leide an einer narzisstischen Störung – womit er nicht zwangsläufig schuldunfähig wäre.
Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» garnierte seinen Bericht in der Altjahrswoche mit dem Titel «Massenmörder und Muttersöhnchen» und zwei Fotos. Eines zeigte die Gutachter, das andere war jenes Porträtfoto Breiviks, das wir alle kennen: dunkler Hintergrund, dunkler Pullover und oranges Hemd, hochgestellter Kragen, Kopf leicht zur Seite gedreht, rechte Gesichtshälfte im Halbschatten, linke hell ausgeleuchtet, blondes Haar lässt hohe Stirne frei, Blick ruhig und bestimmt. Eine gelungene Studioaufnahme, mit ihrem Hell-Dunkel-Kontrast an die flämischen Meister erinnernd, ein nordischer Held. Leni Riefenstahl hätte es kaum besser hingekriegt.
Auch bei anderen Redaktionen ist dieses Bild, mit dem Breivik sich auf Facebook präsentierte, beliebt. Die «Süddeutsche» illustrierte damit im Dezember Aussagen von Breiviks Vater; der «Tages-Anzeiger» verbreitete es im Oktober, die «Frankfurter Rundschau» letztmals am 9. Januar. Im November hatte sie ein anderes von Breivik gestelltes Bild gebracht, auf dem er im Kampftaucheranzug ein Gewehr im Anschlag hält.
Breivik hatte seine ins Netz gestellten Bilder sorgfältig inszeniert und lange vor der Tat geplant, welches Bild sich die Welt dereinst von ihm machen solle. In seinem Manifest erklärte er, wie wichtig es im Umgang mit Medien sei, die Kontrolle über Interviewaussagen oder Bilder zu behalten. Interessant, dass die diversen Zeitungen nun als Quelle seiner Fotos wahlweise die Agenturen Keystone, Reuters, Getty Images oder AFP angeben. Weshalb sollten diese die Rechte an Breiviks privaten PR-Fotos haben? Warum schreiben sie nicht: «Zur Verfügung gestellt vom vorausschauenden Attentäter», oder: «Mit freundlicher Genehmigung des Massenmörders»?
Norwegen hat viel Lob bekommen für die Besonnenheit, mit der das Land auf Breiviks Terror reagiert hat. «Unsere Antwort wird mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit sein», versprach Ministerpräsident Jens Stoltenberg. Nach der Verhaftung wurde Breivik abgeschirmt. Die einzigen Aufnahmen danach zeigen ihn im Autofond nach einem Gerichtstermin. Auch darauf präsentiert er sich kontrolliert, mit selbstsicherem Blick und Lacoste-Pullover. Doch wenigstens sieht man ihn, eingekeilt zwischen Polizisten, in einer Situation, in der andere die Kontrolle haben.
Es ist gut, dass es von Breivik keine Bilder gibt wie diejenigen, die uns die USA vom gefangenen Saddam Hussein vorsetzten: als geschwächten, gebrochenen alten Mann bei der ärztlichen Untersuchung, mit aufgesperrtem Mund, im Unterhemd, verdreckt, mit wirrem Haar und Bart – die Beute in der Gewalt der Jäger. Doch es ist verheerend, wie gedankenlos die Medien Breiviks PR-Geschäft betreiben. Mit jedem weiter verbreiteten Heldenporträt gewinnt er eine weitere Schlacht in seinem Krieg.
Ruth Wysseier ist Winzerin und WOZ-Redaktorin.