Medientagebuch: Nicht mehr so gesund

Nr. 8 –

Sonja Wenger zum Überlebenskampf zweier Zeitungen

«Es ist nur noch eine Frage von Tagen, bis der Liquidator vor unserer Tür steht», sagte Geraldina Colotti, Redaktorin bei «Il Manifesto» in Rom, Anfang der Woche gegenüber der WOZ. Die linke italienische Tageszeitung und mit ihr auch die italienische Ausgabe von «Le Monde diplomatique» stehen vor dem Aus. Italiens Ministerium für Wirtschaftsentwicklung hatte per 7. Februar ein Zwangsliquidationsverfahren für den Genossenschaftsbetrieb angekündigt.

Diese Konkursandrohung ist nicht die erste in der Geschichte von «Il Manifesto». Doch dank staatlicher Unterstützung, die bis Ende 2011 allen Medien zustand, sowie sporadischen Spendenaufrufen konnte sich die Zeitung bisher über Wasser halten. «Diesmal ist es anders», sagt Colotti. «Die Subventionen wurden bereits letztes Jahr zusammengestrichen. Anfang des Jahres sind sie nun ganz weggefallen. Seither erhalten wir keinen Lohn mehr.»

Dennoch erscheint «Il Manifesto», der 1969 gegründet wurde, vorerst weiter, und Colotti arbeitet an der Märzausgabe von «Le Monde diplomatique». Derweil sucht das Kollektiv nach kreativen Lösungen und Kampagnen und hofft auf die Solidarität seiner LeserInnen – sowie auf internationales Echo. Auf der Website können LeserInnen derzeit Fotos publizieren, die sie mit einem «Manifesto» zeigen. Man ist dabei in guter Gesellschaft: Der US-Schauspieler Dustin Hoffman liess sich mit einer Ausgabe ablichten, und der uruguayische Schriftsteller Eduardo Galeano erklärt, weshalb «Il Manifesto» gut für die Gesundheit ist. Dazu gehört ein Spendenaufruf. Mit einer ähnlichen Aktion 2008 konnte die Genossenschaft eineinhalb Millionen Euro sammeln. Doch es sei schwerer geworden, sagt Colotti. «Nach zwanzig Jahren Berlusconi-Regierung sind in Italien fast alle solidarischen Strukturen zerstört.»

Der italienische «Monde diplomatique» erschien erstmals 1994 und war die erste übersetzte Ausgabe des französischen Originals. 1995 folgte eine deutschsprachige Ausgabe, die seither der WOZ beiliegt. Das «Diplo»-Netz umfasst heute weltweit über fünfzig Ausgaben in dreissig Sprachen. Doch die rigiden Sparmassnahmen der europäischen Staaten im Zuge der weltweiten Finanzkrise gefährden nicht nur in Italien die Medienlandschaft. So wurde Ende Dezember der griechische «Monde diplomatique» eingestellt, der erstmals 1998 als Beilage der liberalen Tageszeitung «Eleftherotypia» erschienen war. Seit August 2011 hatte auch dort die Belegschaft keine Löhne mehr erhalten, die Zeitung aber weiter produziert. Am 28. Dezember stellten die BesitzerInnen «Eleftherotypia» dann ein und beantragten Insolvenz – obwohl das Unternehmen nicht in Konkurs geraten ist. Die Angestellten hatten zuvor die ausstehenden Löhne eingeklagt; ein Gerichtsurteil dazu soll Anfang März erfolgen.

Seit dem 14. Februar wird die Zeitung jedoch in Selbstverwaltung und als Wochenausgabe unter dem Namen «Eleftherotypia der Redaktoren» wieder herausgegeben. Allerdings ohne «Le Monde diplomatique». Valia Kaimaki, verantwortliche Redaktorin der griechischen Ausgabe, ist optimistisch. «In ein bis zwei Wochen werden wir mit einer neuen Website starten», sagte sie gegenüber der WOZ. «Und wir sind in Verhandlungen mit zwei Zeitungen, damit wir bald wieder eine gedruckte Ausgabe haben.» Das sei quasi ein «revolutionäres Konzept», sagt Kaimaki, weil es normalerweise umgekehrt funktioniere. «Aber unter den momentanen Umständen können wir nur überleben, wenn wir uns den neuen Märkten anpassen.»

Sonja Wenger ist Redaktorin der Schweizer Ausgabe von «Le Monde diplomatique».