Kommentar von Jens Renner: Berlusconis effizienter Vollstrecker

Nr. 10 –

Mit der anstehenden Arbeitsmarktreform könnte Italiens Konsensregierungschef Mario Monti die Träume seines Vorgängers in die Tat umsetzen.

Für Silvio Berlusconi gehörte das Selbstlob zum Alltag wie der Espresso. Doch auch Mario Monti ist stolz auf das, was seine Regierung geleistet hat, seit sie vor über 100 Tagen, am 16. November 2011, das Erbe ihres Vorgängers angetreten hat.

Als Wirtschaftsexperte ohne langfristige politische Ambitionen spielt Monti die Rolle eines selbstlosen Vollstreckers einer angeblich alternativlosen Politik für viele überzeugend: Edel verzichtete er auf das stattliche Gehalt eines Regierungschefs, und demonstrativ schliesst er eine weitere Amtszeit nach dem Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2013 aus. Da er somit nicht im Wahlkampf steht, kann er auch unpopuläre, schmerzhafte Entscheidungen treffen – und das tun, was im Interesse des «Allgemeinwohls» notwendigerweise zu tun sei.

So weit die Inszenierung. In Wahrheit könnte die Politik der Regierung parteiloser TechnokratInnen durchaus Alternativen bieten. Insbesondere könnte sie sozial ausgewogener sein: Das Anfang Dezember beschlossene Sparprogramm in Höhe von 33 Milliarden Euro belastet RentnerInnen besonders stark – sie müssen in Zukunft grösstenteils ohne Inflationsausgleich auskommen. Die Wiedereinführung der Immobiliensteuer trifft auch Einkommensschwache, denn achtzig Prozent aller ItalienerInnen verfügen über eigenen Wohnraum. Hinzu kommt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte – das belastet in erster Linie ärmere Schichten, die einen grossen Teil ihres schmalen Einkommens für die Dinge des täglichen Bedarfs ausgeben müssen.

Demgegenüber bringt die neu eingeführte Luxussteuer auf Jachten und teure Autos wenig – sie ist symbolische Politik, die zeigen soll, dass auch Reiche zur Kasse gebeten werden. Und schliesslich muss nach allen bisherigen Erfahrungen bezweifelt werden, dass die eingeleitete Offensive gegen Steuerhinterziehung nennenswerte Erfolge bringt.

In Zukunft will der Regierungschef, der zugleich Wirtschafts- und Finanzminister ist, weniger über neue Sparmassnahmen, sondern vermehrt über die Förderung des Wirtschaftsaufschwungs nachdenken. Nur so könne Italien den Weg aus der Schuldenkrise finden, sagt Monti. Dazu schlägt er zwei Massnahmen vor: erstens weitere Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen zur Förderung der Konkurrenz; zweitens eine Reform des Arbeitsmarkts.

Vor allem die zweite Massnahme verkauft Monti als ein Allheilmittel, mit dem nicht nur das wirtschaftliche Wachstum gefördert, sondern auch soziale Gerechtigkeit erreicht werden könne. Konkret soll ein Teil des in den siebziger Jahren erkämpften «Arbeiterstatuts» fallen, das Festangestellten einen im internationalen Vergleich aussergewöhnlichen Kündigungsschutz bietet.

Gemäss Monti verhindere der Kündigungsschutz Neueinstellungen, weil die Unternehmen kaum noch Kündigungen aussprechen könnten. Dank «grösstmöglicher Flexibilität» auf Unternehmensseite entstünden massenhaft neue Arbeitsplätze, und alle würden profitieren: die Unternehmen, die Erwerbslosen – und natürlich auch der italienische Staat, der mit 1,9 Billionen Euro verschuldet ist.

Mit der Arbeitsmarktreform und mit seiner Argumentation liegt Monti voll auf Berlusconis Linie. Kein Wunder, erhält Monti gehörig Beifall seitens der ParteigängerInnen von Berlusconis Volk der Freiheit (PdL). Die gemässigt linke Demokratische Partei (PD) bezweifelt hingegen, dass die Aufweichung des Kündigungsschutzes ein geeignetes Mittel ist, um Investitionen anzulocken. Und der linke Gewerkschaftsbund CGIL wirft Monti vor, dass er selbst potenzielle GeldgeberInnen abschrecke, wenn er die ganze Zeit betone, wie sehr die jetzige Gesetzgebung ein Investitionshindernis sei. Für das laufende Jahr rechnet die CGIL ohnehin schon mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenquote, die derzeit im Landesdurchschnitt bei acht Prozent liegt.

Um den Kündigungsschutz zu verteidigen, müssten die CGIL und die «rechteren» Gewerkschaften CISL und UIL gemeinsam handeln. Eine solche Einheitsfront besteht erst ansatzweise: Der Generalstreik im Dezember, der sich vor allem gegen die Rentenreform richtete, war der erste seit vielen Jahren, zu dem die drei konkurrierenden Gewerkschaftsbünde gemeinsam aufgerufen haben. Er blieb allerdings weitgehend symbolisch.

Weit über das Symbolische hinaus gehen hingegen verschiedenste Vorstösse von Unternehmensseite: Der Unternehmensverband Confindustria will generelle Flächentarife durch individuelle Haustarife ersetzen, und Fiat-Chef Sergio Marchionne schränkt die gewerkschaftliche Interessenvertretung ein. Die jüngsten Entwicklungen lassen Erinnerungen an die fünfziger Jahre aufkommen, als GewerkschafterInnen in «halber Illegalität» agieren mussten.

Bis Ende März will Monti seine Arbeitsmarktreform durch das Parlament bringen. Sie ist ein massiver Angriff auf Angestelltenrechte. Laut Nichi Vendola von der linken Gruppierung Sinistra, Ecologia, Libertà (SEL) betreibe Monti damit eine «konservativ-liberale, rechte» Politik: Monti könnte mit der Arbeitsmarktreform endlich gelingen, was Berlusconi jahrelang vergeblich versucht hatte.