Wahlen in Italien: Mutlos durch die Krise

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Gemäss letzten Umfragen scheint es so gut wie sicher: Italien erhält eine linke Regierung, neuer Premierminister wird der 61-jährige Exkommunist Pier Luigi Bersani. Seine Demokratische Partei (PD) wird im Bündnis mit Nichi Vendolas Sinistra Ecologia Libertà (SEL, Linke Ökologie Freiheit) die Wahlen zum Abgeordnetenhaus gewinnen und dort – wegen eines vom Wahlgesetz vorgesehenen Stimmenbonus für die stärkste Listenverbindung – auch über die absolute Mehrheit der Mandate verfügen. Der Movimento Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) des Komikers Beppe Grillo wird voraussichtlich achtzehn Prozent der Stimmen holen.

Ungewiss bleibt das Ergebnis der Wahl zur zweiten Kammer, dem Senat: Hier wird das Mitte-links-Bündnis Italia Bene Comune (Italiens Gemeinwohl) aller Wahrscheinlichkeit nach auf fremde Unterstützung angewiesen sein. Sorgen macht sich Bersani deswegen nicht: Auch mit 51 Prozent der Stimmen werde seine Koalition agieren, als hätte sie nur 49 Prozent: Mehrfach betonte er, unmittelbar nach der Wahl eine Übereinkunft mit Mario Montis Scelta Civica (Bürgerliche Wahl) zu suchen.

Überraschend ist das nicht. Denn Bersani ist stolz darauf, dass seine Partei Montis im November 2011 installierte Übergangsregierung von Anfang bis Ende unterstützt hat. Entsprechend schwer fällt es jetzt der Partei, sich selbst zu profilieren – und das in der Endphase des Wahlkampfs. Während Silvio Berlusconi mit einem rüden Anti-Monti-Kurs und den üblichen Versprechungen in der WählerInnengunst aufgeholt hat, bietet die PD eine Sowohl-als-auch-Politik: eine Fortsetzung der Sparpolitik und die Einhaltung aller Verpflichtungen gegenüber der EU, zugleich Massnahmen gegen die schlimmsten Folgen dieser Politik. Zu den wenigen Reformversprechen der PD gehören ein Mindestlohn, die Verteidigung gewerkschaftlicher Rechte und Investitionen gegen die ständig wachsende Jugendarbeitslosigkeit.

Doch selbst darum wird mit Monti noch zu ringen sein. Laut dessen viel zitierter «Agenda» soll Italien «die alljährlich von der EU gemachten Empfehlungen übernehmen», die «Politik der Marktöffnung bei öffentlichen Gütern und Dienstleistungen fortführen und intensivieren» und «auf dem Weg der Dezentralisierung der Lohntarifverträge voranschreiten». Letzteres läuft auf eine weitere Senkung des Lohnniveaus hinaus – im Interesse von «Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum». Dies zu garantieren, ist für Monti Zweck aller Politik; Sozialprogramme und die Verteidigung von ArbeiterInnenrechten verschrecken nur die sensiblen InvestorInnen.

Aber auch Bersani orientiert sich am Glaubenssatz des ehemaligen deutschen Aussenministers Joschka Fischer: «Gegen die Finanzmärkte kann man keine Politik machen.» Es scheint, als seien die StrategInnen des Mitte-links-Bündnisses nicht unglücklich über die voraussichtlich unklaren Mehrheitsverhältnisse, die ein Bündnis mit den «Moderaten» nahelegen. Das dämpft übertriebene Hoffnungen und erhöht die Bereitschaft, sich mit dem «kleineren Übel» abzufinden. Dass Bersani schon vor der Wahl erkennbar auf unentschieden spielt, widerspricht allerdings allen Regeln politischen Marketings. Möglich ist, dass sich deshalb innerhalb des Bündnisses Stimmen von der PD zur SEL verschieben. Die SEL wird allerdings ebenfalls von links unter Druck gesetzt: von der grün-kommunistisch-linksbürgerlichen Bündnisliste Rivoluzione Civile um den Staatsanwalt und Anti-Mafia-Aktivisten Antonio Ingroia. Dieser setzt klar auf Opposition, hat aber Mitte-links auch ein Tolerierungsangebot gemacht: Seine Fraktion werde Bersani zum Regierungschef wählen, wenn dieser sich verpflichte, grosse Vermögen stärker zu besteuern, ein Grundeinkommen einzuführen, die Arbeitsmarktreformen der Regierung Monti zurückzunehmen und in der EU den Fiskalpakt mit seiner verbindlichen Schuldenbremse neu zu verhandeln.

Bersani hat auf dieses Angebot nicht einmal geantwortet. Das ist schade: Italien hätte zu einem hochinteressanten Experimentierfeld werden können: Ist Politik gegen die Finanzmärkte doch möglich? Und was passiert, wenn man es versucht? Stattdessen wird Italien, wie es aussieht, eine linke Regierung erhalten, der der Mut fehlt, auch linke Politik zu machen.