Kommentar: Besser spät abschalten als nie

Nr. 11 –

Wenn nicht massiv nachgerüstet wird, muss das AKW Mühleberg Mitte 2013 vom Netz. So will es das Bundesverwaltungsgericht. Drei Richter und zwei Richterinnen haben den Entscheid gefällt, zwei gehören der SP an, einer der FDP, eine der CVP, den Vorsitz hatte Christoph Bandli (SVP), der früher das Verwaltungsgericht präsidierte.

Er muss sich nach dem Mühleberg-Entscheid gefühlt haben wie nach dem Finma-UBS-Fall vor zwei Jahren. Um die Bank im Februar 2009 zu retten, entschied die Bankenaufsichtsbehörde Finma, Tausende von Kundendaten an die USA zu übergeben. Das Bundesverwaltungsgericht kam danach zum Schluss, das sei illegal gewesen. Finma-Präsident Eugen Haltiner war dies jedoch egal, und er verkündete, er würde es wieder tun – was Bandli damals verärgert als «Missachtung des Gesetzes» beurteilte; abstrafen konnte er Haltiner nicht.

Alt Bundesrat Moritz Leuenberger benimmt sich nun ganz ähnlich. Er war verantwortlich, dass sein Departement dem maroden Meiler eine unbefristete Bewilligung erteilen wollte. Jetzt trötzelt er wie Haltiner und findet die unbefristete Betriebsbewilligung «immer noch einleuchtend». Schnippisch fragt er noch: Warum das Gericht denn Mühleberg nicht vom Netz nehme, wenn die Anlage nicht sicher sei.

Weil sich das Gericht nur zur unbefristeten Betriebsbewilligung äussern konnte – die Stilllegung stand juristisch gar nicht zur Debatte.

Nun hat das Verwaltungsgericht schlicht festgestellt: Ihr könnt und ihr müsst. «Es geht nicht an, ein KKW, das bereits so lange in Betrieb ist, auf Zusehen weiter zu betreiben und hierbei allein auf die laufende Aufsicht zu vertrauen. Die bisherige schrittweise Nachrüstung der Anlage ohne Gesamtkonzept ist weder bezüglich der Rechtssicherheit (…) noch der Gewährleistung der Sicherheit befriedigend.»

Das Urteil ist erfreulich. Es bestätigt, was die WOZ schon seit Jahren schreibt.

Die BKW hat kurz vor Redaktionsschluss bekannt gegeben, dass sie das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen wird. Es wäre allerdings verwunderlich, wenn sich die BundesrichterInnen trauen würden, das Urteil umzustossen.

Was weiter geschah: Nachtrag vom 31. Mai 2012 : Beharrliches Bundesgericht

Nun hat das Bundesgericht zum AKW Mühleberg einen ersten Entscheid gefällt: Die Beschwerde des Betreibers – das Berner Energieunternehmen BKW FMB Energie AG – hat keine aufschiebende Wirkung. Die Betriebsbewilligung des AKWs läuft Ende 2012 aus, das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation wollte aber vor gut zwei Jahren der Anlage eine unbefristete Betriebsbewilligung erteilen. Dagegen erhoben mehrere AnwohnerInnen Einsprache. Anfang März 2012 hat dann das Bundesverwaltungsgericht entschieden, Mühleberg müsse bis Ende Juni 2013 vom Netz genommen werden, falls die BKW nicht ein umfassendes Instandhaltungskonzept einreiche.

Das Energieunternehmen wollte nun vor dem Bundesgericht erwirken, dass diese Frist aufgehoben oder die Betriebsbewilligung um weitere zehn Jahre, also bis Ende 2022, verlängert wird. Die Begründung der BKW: «Mit der Aufhebung der Befristung soll die bewilligungsmässige Basis für die beabsichtigten Investitionen zur weiteren Erhöhung der Sicherheit des Kernkraftwerks Mühleberg erreicht werden.» Das Bundesgericht beharrt jedoch auf dem «umfassenden Instandhaltungskonzept». Wenn die BKW alle geforderten Nachrüstungen umsetzt, dürfte es teuer werden. Das Komitee «Mühleberg Ver-fahren» bedauert, «dass die BKW Hunderte von Millionen in die Nachrüstung dieses alten, maroden Reaktors stecken soll, statt diese Mittel in erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu investieren».

www.muehleberg-ver-fahren.ch