Fumoir: Gehirnwäschen

Nr. 13 –

Esther Banz über psychologische Barrieren und Braun-Weiss

Nach den Banken sind die Bergbahnen-AGs die Nächsten, die vom Staat gerettet werden müssen – wegen der Zweitwohnungsinitiative. So sieht das zumindest der Chef der Reka-Feriendörfer, Roger Seifritz. Denn ohne funktionierende Seilbahnen und Skilifte heisse es «Gut’ Nacht» für die Wintertourismusgemeinden. Die Betreiber der Infrastrukturen brauchen das Rettungsgeld aber nicht nur, um Löhne zu bezahlen, sondern vor allem für Investitionen in bessere Schneekanonen. Denn der Anblick brauner Hänge mit lediglich weissen Streifen, so hat eine Bergbahn-AG im Bündnerland in ihrem letztjährigen Geschäftsbericht festgehalten, «führt bei den Gästen zu einer psychologischen Barriere».

Psychologische Barrieren – ein schönes Bild. Ich stelle mir vor, wie die Menschen im Skigebiet versuchen, ihre psychologische Barriere zu verarschen, indem sie eilig eine kleine Schanze nach der andern überspringen (sofern es in dem betreffenden Skigebiet noch eine Buckelpiste gibt). Oder indem sie sich in der Bergbeiz ordentlich betrinken, damit der Blick nicht mehr allzu scharf ist bei der letzten Abfahrt. Dabei braucht es nicht mal Alkohol, um die Sehschärfe einzuschränken, es reicht das positive Denken. Man kann sich zum Beispiel sagen: Braun und Weiss passen wunderbar zusammen, und gerade diesen Sommer steht diese Kombination hoch im Kurs, jedenfalls bei den Schuhen. Braun und weiss sind auch die meisten Zigaretten. Als Raucherin löst Braun-Weiss bei mir also eher Wohlwollen aus denn Abneigung oder Hemmung. Das könnte ab morgen allerdings bereits anders sein. Denn morgen werde ich, so wird mir versprochen, zur Exraucherin. Ja, so Allen Carr es gut macht. Respektive die Kursleiterin, die uns einen ganzen Tag lang ordentlich weichklopfen wird, bis die psychologische «Ohne Nikotin geht nichts»-Barriere sich in eine «Igitt, stinkt das!»-Barriere gewandelt hat.

Gehirnwäsche nennt man das. Der inzwischen verstorbene Bestsellerautor Carr hat mich schon einmal an diesen Punkt gebracht, im letzten Jahrzehnt war das. Und es war so einfach, tatsächlich. Ich möchte nicht so genau wissen, wie die Gehirnwäsche funktioniert – es reicht schon zu erkennen, nicht davor gefeit zu sein. Eigentlich eine nicht so schöne Einsicht.

Noch eine Erkenntnis so kurz vor dem grossen Tag: Es fällt einem ausserordentlich schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, wenn man weiss, dass eine Gehirnwäsche unmittelbar bevorsteht. Vielleicht merken Sie das dieser Kolumne an, ich bitte um Entschuldigung. Wenn Sie diese Zeilen lesen, habe ich es bereits hinter mir. Ich werde danach vielleicht nie wieder oder zumindest eine gewisse Zeit nicht mehr rauchen – etwas, das weder der sauteure chinesische Medizinmann in Zürich-Hottingen noch der Geistheiler im Appenzell oder meine Mutter geschafft hat. Nur Allen Carr, der mittlerweile an Lungenkrebs verstorben ist. Möge er in Ruhe rauchen, da im Jenseits, ganz ohne schlechtes Gewissen und psychologische Barrieren!

Gegen Braun und Weiss in der Mode ist aber eigentlich nichts auszusetzen – oder wie sehen Sie das, Modeberaterinnen und -berater dieser Welt? Und möchten Sie den Bergbahnbetreibern nicht vielleicht mal sagen, dass das Weiss aus Schneekanonen ästhetisch anders wirkt als das Weiss, das vom Himmel fällt? Ach, das gehört ja gar nicht in die Kategorie Mode. Schade, vielleicht müssen wir noch ein paar psychologische Barrieren sprengen, bevor wir so weit sind, die Ästhetik des unspektakulären Echten jener des Käuflichen mindestens gleichzusetzen.

Esther Banz ist freie Journalistin in Zürich.