Fumoir: Die Zielgruppe bockt

Nr. 16 –

Ruth Wysseier über eine verunglückte Kampagne.

Was kann ein roter Papiersack mit weissem Kreuz und der Aufschrift «Ja zur Schweiz – Hier kaufe ich ein»? Kann er die Leute davon abhalten, zum Einkaufen über die Grenze zu fahren? Ja, glaubt der Schweizerische Gewerbeverband und lanciert eine 250 000  Franken teure Kampagne fürs Einkaufen im Heimatland.

«Ja zur Schweiz – Hier kaufe ich ein»? Bei der Zielgruppe kommt es sehr, sehr schlecht an, dass man ihr mit einer Werbekampagne Bürgersinn verordnet. Auf den Internetdiskussionsforen wird die Botschaft des Gewerbeverbands seither nach Strich und Faden fertiggemacht. Liest man die vielen Hundert Beiträge mit ihrem reichhaltigen Argumentarium für den grenznahen Einkaufstourismus, kann man nur sagen: Die haben recht! Oder etwa nicht?

«Ich habe in D. eine Hundebox für netto 300 Euro gekauft. Obschon es sich um ein schweizerisches Produkt handelt, kostet die genau gleiche Box in der Schweiz 669 Franken. Wie ist ein solcher Preisunterschied möglich?»

«Die Wirtschaft sei nun mal global, heisst es, und nicht national. Bei den Arbeitsplätzen, die abwandern. Nun wandert auch der Konsument ab. War dies nicht zu erwarten bei dieser egoistischen Politik der Wirtschaft?»

«Ein absoluter Blödsinn! Die Stadt Bern kauft die Abfallsäcke auch in Deutschland, weil sie billiger sind. Diese Kampagne ist das Geld zum Fenster rausgeworfen.»

«Der Neoliberalismus dient nur den Stärksten, nicht den vielen KMUs und Büezern.»

«Solange Wirtschaftsführer predigen, dass Schweizer Löhne nicht existenzsichernd sein müssen, so lange soll er auch mit seinem Haushaltsgeld wirtschaftlich haushalten dürfen.»

«Coop für dich und OHNE mich … auch in Zukunft. Kaufe nur in D ein.»

«Super Tasche, die nehme ich dann mit nach Deutschland, wenn ich dort einkaufe.»

Der Gewerbeverband hat seinen Mitgliedern einen Bärendienst erwiesen mit dieser Schnellschusskampagne. Sie ist altbacken, profil- und humorlos, ein «pseudo-patriotisches 30er-Jahre-Gruftie-Flair», da sind sich Werber und Volkes Stimme einig. Er müsste wohl das Zehnfache ausgeben, um den Schaden wiedergutzumachen. Fast packt einen das Mitleid mit dem gebeutelten Verband, der «Nummer 1 der Schweizer KMU-Wirtschaft», der gegen 300 000  Unternehmen vertritt.

Warum ist die Kampagne so grottenschlecht? Etwa, weil sie die Handschrift des stramm rechts politisierenden Direktors Hans-Ulrich Bigler trägt? 2008 unter dem Applaus der SVP gewählt, hat der freisinnige Generalstabsoberst Bigler schliesslich auf dem Kasernenhof gelernt, wie man an den Patriotismus appelliert.

Wäre ich die Präsidentin dieses Verbands oder auch nur ein einfaches Mitglied, ich würde dem Direktor gründlich die Kappe waschen. Verkauft der doch seine Botschaft im Fernsehen mit einem Schweizer-Kreuz-Plakat unter dem Arm und lässt sich vor seinem Büchergestell aufnehmen, in dem kein einziges Buch steht, dafür eine grobschlächtige Statue eines Fahnenschwingers, der seine Fahne mit Schweizer Kreuz dem Direktor quasi um die Nase schwingt.

Und dann kommt ja nicht nur die Kampagne ziemlich kopflos daher, sondern auch der Verband, der letzten Dezember seinen Präsidenten, den SVP-Nationalrat Bruno Zuppiger, abrupt und unter unappetitlichen Umständen verloren hat. Im Mai wird ein neuer Präsident gewählt. Gute Chancen soll, scheints, Jean-François Rime von der SVP haben. Dessen Hobby ist die Wildsaujagd. Seine Kampagne? «Kaufen Sie in der Schweiz, sonst mache ich Ragout aus Ihnen!»

Ruth Wysseier ist WOZ-Redaktorin 
und Winzerin. Ihr Slogan heisst: «Think global, 
drink local».