Glencore in Zentralafrika: Wasser gibts nur nachts

Nr. 16 –

Glencore will in der Demokratischen Republik Kongo offiziell Gutes tun. Doch der schweizerische Rohstoffkonzern missachtet Arbeits- und Umweltrechte und zahlt wegen konzerninterner Geldverschiebungen kaum Steuern.

«Wir bieten sichere und gut bezahlte Jobs in der Demokratischen Republik Kongo; wir investieren dort Milliarden, zahlen Steuern und engagieren uns im sozialen Bereich», sagt Simon Buerk, Sprecher des schweizerischen Rohstoffkonzerns Glencore. «Wir sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.»

In einer idealen Welt, sogar in einer Welt gemäss den Idealen der neoklassischen Wirtschaftstheorie, wäre Glencore vielleicht tatsächlich ein Teil der Lösung – dann wären massive privatwirtschaftliche Investitionen für Entwicklungsländer und ihre BewohnerInnen ein Weg aus der Armut. Doch eine neue Studie der Schweizer Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer sowie mehrerer lokaler nichtstaatlicher Organisationen (NGOs) zeigt auf, dass die Welt weit weg von irgendwelchen Idealen ist und der Rohstoffsektor ohne Regulierungen mehr Probleme schafft als löst.

Der 74-seitige Bericht nimmt die Geschäfte von Glencore in der Demokratischen Republik (DR) Kongo unter die Lupe. Das zentralafrikanische Land ist ein Modellfall des Ressourcenparadoxes: Trotz seines grossen Rohstoffreichtums ist es heute eines der ärmsten Länder der Welt. Im Uno-Entwicklungsindex nimmt die DR Kongo den letzten Platz ein. Im Jahr 2011 hatte das Land ein Bruttoinlandsprodukt von 15 Milliarden US-Dollar, Glencore weltweit einen Umsatz von 186 Milliarden US-Dollar. In der südöstlichen Provinz Katanga hat der Rohstoffkonzern über zwei Milliarden US-Dollar in zwei vielversprechende Unternehmen investiert: in die Kamoto Copper Company (KCC), die auf einem Gebiet von vierzig Quadratkilometern zurzeit drei Abbaustätten betreibt und jährlich fast 100 000 Tonnen Kupfer produziert. Und in das junge Unternehmen Mutanda Mining, das im Tagebau Kupfer und Kobalt abbaut und die Metalle auch verarbeitet.

Seit der Veröffentlichung der Studie am Montag hat vor allem die Situation in einer informellen Mine für medialen Wirbel gesorgt (vgl. «Die Kinder von der Kupfermine»). Doch auch die Aktivitäten in den von Glencore-Tochterfirmen direkt kontrollierten Minen zeigen auf, wie Glencore seine Prinzipien zu Nachhaltigkeit und Entwicklung tatsächlich umsetzt.

Wässrige Prioritäten

Zum Beispiel in der Stadt Musonoi, die unmittelbar neben einer Mine der KCC liegt. Früher baute hier noch das kongolesische Staatsunternehmen Géamines Kupfer ab und belieferte die BewohnerInnen gratis mit Trinkwasser. Heute erhalten die BewohnerInnen nur nachts Zugang zum Wasser. Glencore weist zu Recht darauf hin, dass das Problem schon vor seiner Beteiligung an der KCC entstand. Doch hätte das Unternehmen nun vier Jahre Zeit, dem Abhilfe zu verschaffen. Zwar wird im Jahresbericht 2011 mit der Finanzierung von fünf Krankenhäusern im Distrikt geprahlt, doch eine einfache und günstige Massnahme zur Wasserversorgung direkt neben einer eigenen Mine hatte offenbar keine Priorität – obwohl VertreterInnen der Bevölkerung mehrfach deswegen an Glencore gelangten und das kongolesische Minengesetz solch minimale Massnahmen zugunsten betroffener Gemeinden vorschreibt.

Auch das kongolesische Umwelt- und Arbeitsrecht hat Glencore gemäss Bericht mehrfach gebrochen. So versäumte es die KCC jahrelang, die massive Verschmutzung des Luilu-Flusses durch ihre hydrometallurgische Aufbereitungsanlage zu beheben. Und bei Mutanda Mining stellt die Studie Bedingungen fest, die auch in der DR Kongo nicht legal sind: Zwar werde viel für die Sicherheit der Arbeiter getan, doch die Arbeitszeiten betrügen bis zu zehn Stunden ohne Pause; es würden unbezahlte Überstunden angeordnet; Mitgliedern der Personalvertretung wurde nach einem Streik gekündigt. Glencore bestreitet auf Anfrage diese breit abgestützten Vorwürfe.

Obwohl nationales Recht verletzt wird, kommt es wohl nicht zu juristischen Klagen vor Ort. «Das Problem ist, dass lokale NGO-VertreterInnen Angst haben, sich mit den mächtigen Staats- und Unternehmensvertretern anzulegen», sagt Chantal Peyer von Brot für alle, die den Bericht verfasst hat. KCC-Präsident Simon Tuma-Waku sei mit den höchsten Regierungskreisen verbandelt; eine unabhängige Gerichtsbarkeit existiere nicht. Deswegen fordern Schweizer Hilfswerke seit November 2011 ein «Recht ohne Grenzen», wonach solche Fälle auch am Standort der Konzernzentrale eingeklagt werden könnten.

Erstaunliche Verluste

Völlig legal, aber alles andere als nachhaltig und entwicklungsfördernd wendet Glencore in der DR Kongo – wie auch in anderen Ländern (siehe WOZ Nr. 8/12) – ausgeklügelte Strategien an, um Steuern zu vermeiden. «Dabei macht sich Glencore die veralteten, laschen Bestimmungen im kongolesischen Minengesetz zunutze», sagt François Mercier, Finanzspezialist bei Fastenopfer und Mitverfasser der Studie. Zudem weist die KCC systematisch Verluste aus, um die anfallenden Gewinnsteuern zu vermeiden. Durch konzerninterne Finanztransaktionen werden die Gewinne in Unternehmenseinheiten verschoben, die in Steueroasen wie den Bermudainseln und dem Kanton Zug sitzen.

Dass die staatliche Géamines, die auch an der KCC beteiligt ist, solche Praktiken duldet, deute laut Bericht darauf hin, dass Glencore dort «über genügend Einfluss» verfüge. Ob solche Einflussnahme ohne Korruption möglich ist, lässt der Bericht offen.

All dies passt schlecht zu Glencores offizieller Anerkennung der globalen Transparenzinitiative im Rohstoffsektor EITI. Sie soll die Einnahmen aus Bergbaukonzessionen in Entwicklungsländern transparent machen. Solch freiwillige Initiativen reichen aber offenbar nicht aus, um multinationale Unternehmen zu zähmen. Finanzspezialist Mercier sieht eine Chance in den Anstrengungen der USA und der EU, eine Rechnungslegung nach Ländern einzuführen: «So würde ersichtlich, wohin die Gewinne multinationaler Unternehmen fliessen.»

So aber konnten die Glencore-Unternehmen in den letzten zwei Jahren in der DR Kongo nach Schätzungen des Berichts fast 200 Millionen US-Dollar an Steuern sparen. Glencore wird noch einiges tun müssen, um in Zukunft nicht das Problem, sondern ein Teil der Lösung zu sein.

Informeller Erzabbau : Die Kinder von der Kupfermine

Gemeinsam mit dem britischen Fernsehsender BBC haben die Hilfswerke Fastenopfer und Brot für alle in einer sogenannt ruhenden Mine der Glencore-Tochterfima KCC in der Demokratischen Republik Kongo menschenunwürdige Zustände öffentlich gemacht. In einer Dokumentation, die auch vom Schweizer Fernsehen aufgegriffen wurde, wird gezeigt, dass auf der Tagebaustätte Tilwezembe rund 1600 sogenannte Kleinschürfer auf eigene Faust Kupfer abbauen; etwa 700 davon seien minderjährig.

Ihre Arbeitsbedingungen sind äusserst gefährlich. Immer wieder komme es zu tödlichen Unfällen, wenn sie ohne Sicherheitsvorkehrungen in die bis zu achtzig Meter tiefen Schächte hinuntersteigen. Das libanesische Handelsunternehmen Misa Mining habe die Aufsicht über die informellen Schürfer und kaufe diesen als Monopolist die Rohstoffe zu sehr tiefen Preisen ab. Über die ebenfalls libanesische Bazano-Gruppe würde ein Teil der Erze dann an das Raffinerieunternehmen Mopani im Nachbarstaat Sambia verkauft. Mopani ist im Besitz von Glencore.

Glencore-Sprecher Simon Buerk weist die Vorwürfe zurück: «Mopani bezieht keine Erze von der Bazano-Gruppe und verarbeitet ausschliesslich Rohstoffe aus eigenen Operationen.» Dies werde mit einer umfassenden Registrierung und Kontrolle sichergestellt. Chantal Peyer von Brot für alle verweist jedoch auf mehrere ZeugInnen, inklusive eines Insiders bei einer der beteiligten Unternehmen. Zudem präsentierte die BBC ein Frachtdokument: Es beweise, dass Erze von der Bazano-Gruppe an Mopani geliefert worden seien. «Damit trägt Glencore eine Mitverantwortung für die menschenunwürdigen Zustände in den Minen», sagt Peyer.