Rohstoffbusiness : Fette Kohle aus fernen Minen

Nr.  48 –

Die Schweiz ist arm an Rohstoffen – dennoch machen die umsatzstärksten Unternehmen des Landes ihr Geld im Rohstoffsektor.

Die Nachfrage nimmt zu, der Gewinn auch: Die Zink- und Bleimine Raul Rojas nahe der peruanischen Stadt Cerro de Pasco gehört zu 6,3 Prozent Glencore.

Multimillionär wird man am schnellsten im Rohstoffsektor: Auf der Liste der 300 Reichsten der Schweiz gab es 2011 sechzehn Neuzugänge, fünf davon haben ihr Vermögen dem Rohstoffgiganten Glencore zu verdanken. Glaubt man den Schätzungen der «Bilanz», beliefen sich ihre Vermögen auf zusammengenommen 8,8 Milliarden Franken. Zählt man noch die mutmasslichen Vermögen der schon zuvor in der Liste vertretenen Ivan Glasenberg, Geschäftsführer von Glencore, und Willy Strothotte, Verwaltungsratsvorsitzender bei Xstrata, dazu, kommt man auf 18,8 Milliarden. Damit könnte man die Schweizer Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit der nächsten dreizehn Jahre decken.

«Der Rohstoffhandel hat sich innert kurzer Zeit zu einer neuen Quelle des Wohlstands entwickelt», sagte Gerhard Schwarz, Direktor des Thinktanks Avenir Suisse an einer Tagung im Oktober. Tatsächlich hat die volkswirtschaftliche Bedeutung der Branche rasant zugenommen: Zwischen 1998 und 2010 haben sich die Nettoeinnahmen verfünfzehnfacht, Glencore ist gemäss «Handelszeitung» lange umsatz-stärkstes Unternehmen der Schweiz gewesen und wurde erst in diesem Jahr von der Vitol SA, einer Mineralölhandelsfirma mit Sitz in Genf, von der Spitze verdrängt. Der Beitrag des Sektors zum Bruttoinlandsprodukt betrage etwa drei Prozent, teilte der Bundesrat letztes Jahr mit. 2010 waren es noch zwei Prozent – etwa so viel, wie die Maschinenindustrie beitrug.

Die Bedeutung der Branche ist nur wenigen bewusst, denn der Rohstoffhandel tritt in der Schweiz nur in Form nüchterner Geschäftshäuser in Genf und Zug in Erscheinung. Die meisten Rohstoffe werden weder hier gefördert noch verbraucht. Da fast die gesamte Wertschöpfung im Ausland stattfindet, schafft die Branche auch nur einen Bruchteil der Arbeitsplätze, die es in der Maschinenindustrie gibt. Mit der Fusion von Glencore und Xstrata dürften es noch weniger werden.

Erfolgsmodell Fusion

Das Zusammengehen der beiden Firmen ist ein Erfolgsmodell. Die Nachfrage nach Rohstoffen kann in der wachstumsorientierten Wirtschaft nur zunehmen, und da es sich bei den meisten Gütern um nicht erneuerbare Ressourcen handelt, wird das Angebot abnehmen. Folglich steigen die Preise. Profitieren kann davon aber nur, wer Rohstoffhandel (Glencore) und -förderung (Xstrata) zusammenfasst und damit immun gegen steigende Einkaufspreise ist. Die Marge liesse sich durch eine künstliche Verknappung des Angebots noch zusätzlich steigern: Xstrata könnte die Produktion herunterfahren, während Glencore als weltweit grösster Rohstoffhändler die potenzielle Macht hat, auch die Waren anderer Produzenten zurückzuhalten.

«Im Laufe der letzten Jahre entwickelte sich Glencore durch Beteiligungen und Akquisitionen von der reinen Rohstoffhändlerin zu einem Unternehmen, das die gesamte Wertschöpfungskette inklusive der Verarbeitung kontrolliert», schreiben die Hilfswerke Fastenopfer und Brot für alle. In Sambia profitierte Glencore auf ihrer Einkaufstour vom Privatisierungsdruck, den Weltbank und Internationaler Währungsfonds auf die Regierung des rohstoffreichen Lands ausübten. Aufgrund gesunkener Rohstoffpreise und gestiegener Zinsen war der Staat Ende der Achtziger hoch verschuldet und musste die Strukturanpassungsprogramme der internationalen Geldgeber durchsetzen. Das bedeutete 1991 die Zerschlagung des öffentlichen Diensts und schliesslich 2000 den Verkauf der Minen. Glencore sicherte sich einen Anteil an der Mopani Copper Mine, einer der grössten Minengesellschaften Sambias, und machte so – wie die 2007 publik gewordenen Verträge belegen – ein Bombengeschäft: Die Royaltys, die Förderabgaben an den Staat, beliefen sich auf weltweit rekordtiefe 0,6 Prozent, dazu kamen eine Reihe steuerliche Vorteile.

Globale und lokale Ungleichheit

Verloren hat bei diesem unter Druck zustande gekommenen Deal das rohstoffreiche Sambia, gewonnen die rohstoffarme Schweiz. Neben der globalen gibt es aber auch eine lokale Ungleichheit. Durch Bestechung erreichten ausländische Firmen im Kongo die vollständige Befreiung von Royaltys und Gewinnsteuern, stellte 2007 eine Kommission fest. Keines der 61 analysierten Abkommen mit den Minenbetreibern entspreche den gesetzlichen Vorgaben.

Einige lokale MachthaberInnen füllen sich aber nicht nur die Taschen, sondern richten sich aktiv gegen die eigene Bevölkerung. So erschossen Angehörige der philippinischen Armee im Oktober drei Familienmitglieder eines Bergbaugegners (siehe WOZ Nr. 43/2012). Der indigene Aktivist hatte sich gegen das Tampakan-Kupfer-Gold-Projekt gewehrt, das der Bergbaukonzern Xstrata zusammen mit seiner philippinischen Tochter Sagittarius Mines im offenen Tagebau betreiben möchte – was die Umsiedelung der Indigenen voraussetzt. Dabei handelt es sich um keinen Einzelfall: Der ehemalige Uno-Sonderbeauftragte für aussergerichtliche Hinrichtungen, Philip Alston, brachte schon 2008 Angehörige der philippinischen Armee mit solchen Morden an Umwelt- und MenschenrechtsaktivistInnen in Verbindung.

Aus solch politisch instabilen Gebieten stammen rund zwei Drittel der Weltrohstoffproduktion, besagt eine Studie des österreichischen Staates. Die rohstoffreichen Länder haben oft keine funktionierende Umwelt- und Sozialgesetzgebung nach westlichen Standards – was von den multinationalen Unternehmen zur Gewinnoptimierung ausgenützt werden kann. Die Kosten für Umweltschäden, die der Bergbau verursacht, werden auf Bevölkerung und Staat abgewälzt; die Ausgaben für Löhne kann tief halten, wer die gewerkschaftliche Organisation der LohnempfängerInnen unterbindet.

Wieso die Schweiz?

Für sein «antigewerkschaftliches und umweltschädigendes» Verhalten in Kolumbien erhielt Glencore 2008 den Schmähpreis Public Eye Award. Die Nominierung begründete die entwicklungspolitische Organisation Erklärung von Bern (EvB) einerseits mit den Folgen für die Bevölkerung, die die Glencore-Töchter durch die Kohleförderung im Tagbau verursachen: Die Trinkwasserversorgung durch Flüsse sei unterbrochen, verunreinigte Bäche verseuchten Weideland, und der Kohlestaub verursache Atemwegserkrankungen. Andererseits verhalte sich der Rohstoffmulti «äusserst gewerkschaftsfeindlich und entlässt Arbeiter, wenn diese versuchen, sich zu organisieren».

Für die Rohstoffkonzerne scheint ihr Bild in der Öffentlichkeit keine Priorität zu haben – dafür der erwirtschaftete Gewinn. Um diesen zu maximieren, versuchen sie, alle Aufwände zu minimieren. Neben der Kostensenkung bei Konzessionen und Personal sowie der Abwälzung der Kosten aus Umweltschäden bleibt noch ein Punkt mit gewaltigem Potenzial: die Steuern auf den Gewinn. Die Organisation als Konzern spielt dabei eine wichtige Rolle. Um eine hohe Besteuerung der Minenbetreiber vor Ort zu vermeiden, werden die Gewinne der Tochtergesellschaften an die Holding im Ausland verschoben.

«Transfer Pricing» nennt sich dieser buchhalterische Trick zur Gewinnverschiebung. Die Lieferungen von Materialien und Maschinen an die Minenbetreiber werden dabei viel zu teuer verrechnet, während der Verkauf der geförderten Rohstoffe an die Holding zu einem lächerlich tiefen Preis erfolgt. Am Ort der Förderung fallen so kaum Gewinne oder sogar Verluste an, und die Besteuerung entfällt; derweil verbucht die Holding horrende Gewinne – die aber vergleichsweise gering besteuert werden, wenn die Holding ihren Sitz in einer Steueroase wie dem Kanton Zug hat.

Zusammen mit anderen Steuertricks sorgt das Transfer Pricing dafür, dass in den rohstoffreichen Entwicklungsländern ein grosser Teil der dringend benötigten Staatseinnahmen ausbleibt. Auf 174 Millionen US-Dollar beziffert die Hilfs- und Entwicklungsorganisation Christian Aid den Steuerverlust in Sambia. Während in Norwegen siebzig Prozent der Gewinne aus dem Rohstoffexport in die Staatskasse fliessen, bleiben in Sambia nur fünf Prozent im Land. Laut Savior Mwambwa, Geschäftsführer des sambischen Zentrums für Handels- und Entwicklungspolitik, könnte Sambia seine Entwicklung selbst finanzieren, wenn unter anderem die Rohstoffkonzerne das zahlen würden, was sie ihrem Gastland schulden.