Tag zur Unterstützung von Folteropfern: Die Würde zurückerhalten
Aus Anlass des Uno-Tags zur Unterstützung von Folteropfern am 26. Juni hat die WOZ das Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer des Schweizerischen Roten Kreuzes in Bern besucht.
In 101 Staaten dieser Welt wird laut aktuellem Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gefoltert. Als Folter gilt laut Definition der Uno «jede Handlung, bei der ein Vertreter staatlicher Gewalt einer Person vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügt, zufügen lässt oder duldet».
Hinter dieser juristischen Formulierung verbergen sich oft lebenslange Leidensgeschichten. Menschen, die gefoltert werden, verlieren nicht nur ihre Gesundheit, die Folter ist stets auch ein gezielter Angriff auf die Würde und das Selbstwertgefühl einer Person. Therapieangebote gibt es – gemessen am Bedarf – weltweit nur wenige, und häufig wird eine Aufarbeitung zusätzlich erschwert, wenn die Betroffenen ins Ausland fliehen müssen und sich in einer fremden Kultur und Gesellschaft integrieren sollen.
Monatelanges Warten
Viele Flüchtlinge in der Schweiz wurden in ihrer Heimat Opfer von Folter und Misshandlungen. Dies zeigte eine Studie des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) aus dem Jahr 1991: Ein Viertel der anerkannten Flüchtlinge hatte diese Extremform der organisierten Gewalt erlitten. Auf Basis dieser Studie gründete das SRK 1995 in Bern das erste Therapiezentrum für Folteropfer in der Schweiz. 2002 wurde es in Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer (afk) umbenannt.
Seither sind drei weitere Behandlungszentren in Zürich, Genf und Lausanne eröffnet worden. Alle vier sind im Verbund «Support for Torture Victims» zusammengefasst, in dem der fachliche Austausch im Bereich der Psychotraumatologie und der Sozialarbeit mit Traumatisierten verbessert werden soll. Ein weiteres Ziel des Verbunds ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit in Bezug auf dieses Thema.
Bis zu 800 Personen können derzeit in den Zentren des Verbunds jährlich betreut werden, die Nachfrage ist jedoch um ein Vielfaches grösser. Die Folge sind lange Wartelisten. Mithilfe medizinischer, psychotherapeutischer und psychosozialer Methoden versuchen die MitarbeiterInnen der Ambulatorien, den Opfern von Folter, Krieg und Vertreibung zu helfen. Die Betroffenen können ihre traumatischen Erlebnisse aufarbeiten, werden bei ihren Integrationsbemühungen unterstützt und erhalten so die Möglichkeit, wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Das Angebot der Ambulatorien ist nicht statisch. Vielmehr würden die Ziele, die Therapieformen und Dienstleistungen immer wieder überprüft und auch den veränderten Bedürfnissen der PatientInnen angepasst, sagt Angelika Louis, Leiterin des afk in Bern, im Gespräch mit der WOZ. So habe das afk vor kurzem das Therapieangebot für Kinder von PatientInnen erweitert: «Wenn auch nur ein Elternteil durch Flucht oder Folter traumatisiert ist, hat das immer Auswirkungen auf die Kinder», sagt Louis. «Um die Kinder zu erreichen, braucht es aber viel Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit. Einerseits wollen die Eltern natürlich ihre Kinder schützen, andererseits ist das, was den Eltern passiert ist, oft mit einem Tabu behaftet.» Deswegen kommen die Konflikte, die Traumatisierte eventuell innerhalb des Familiensystems haben, auch immer wieder in der Therapie zur Sprache.
Nutzen für die Gesellschaft
Finanziert wird das afk aus unterschiedlichen Quellen: Von der humanitären Stiftung des SRK, vom Bundesamt für Migration, durch Spenden und die Unterstützung durch diverse private Stiftungen sowie mit einem Beitrag des Uno-Fonds zur Unterstützung von Folteropfern. Über einen eigentlichen Versorgungsauftrag vom Staat verfügt das afk allerdings nicht.
Zwar ist in der «Bundesstrategie Migration und Gesundheit 2008–2013» die «Verbesserung der Gesundheitsversorgung besonders auch für traumatisierte Flüchtlinge, Sans-Papiers und neu einreisende Asylsuchende» speziell erwähnt. Doch das afk muss die Unterstützung des Bundes für seine Arbeit immer wieder aus Neue beantragen. Laut Louis ist die Arbeit des afk aber ohnehin «Teil des humanitären Engagements des SRK und basiert auf einem selbstgewählten Auftrag zum Wohl der verletzlichsten Menschen in einer Gesellschaft».
Louis sieht noch einen weiteren Nutzen der Arbeit des afk: «Psychisch stabile Menschen können sich viel einfacher etwa in der Arbeitswelt integrieren.» Und dies komme schliesslich der ganzen Gesellschaft zugute.