Spanische Bergarbeiterstreiks: Klassenkampf mit Steinschleudern
Bergarbeiter und eine erzkonservative Regierung: Eine Konfrontation dieser Konfliktparteien sorgt in der Regel für erbitterte Auseinandersetzungen. In Nordspanien geht es seit bald vier Wochen hart zur Sache.
Selbstgebastelte Raketen, Pflastersteine, Schleudergeschosse, brennende Autoreifen, blockierte Autobahnen und Zuglinien. Sie sind nicht mehr empört, sondern einfach nur noch wütend. Seit dem 29. Mai liefern sich die Bergarbeiter in den nordspanischen Regionen Asturien und Kastilien-León einen erbitterten Kampf mit der Bereitschaftspolizei und der paramilitärischen Guardia Civil, die die Barrikaden attackieren und einmal auch eine Zeche stürmen wollten.
Zimperlich ist niemand, auf beiden Seiten gab es bereits Verletzte. Seit 24 Tagen haben sich ausserdem siebzehn Bergleute in drei Schächten verschanzt, und sie wollen erst dann wieder an die Oberfläche kommen, wenn sich Industrieminister José Manuel Soria mit ihnen an den Verhandlungstisch setzt.
Die dritte «Marcha negra»
Es geht bei diesem Kampf um die staatlichen Subventionen für den Steinkohleabbau. Die rechtskonservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy hat im Zuge ihrer Spar- und Energiepolitik, die unter anderem die Förderung von Atomenergie vorsieht, beschlossen, 64 Prozent der öffentlichen Gelder für den Bergbau zu streichen. Spanische Kohle ist teurer als Importkohle; die Kürzung der Zuschüsse von bis anhin 300 Millionen Euro auf nur noch 110 Millionen jährlich wäre das Aus für die vierzig Zechen im Land. Nach Angaben von Gewerkschaften stehen 8000 Arbeitsplätze direkt und 17 000 indirekt auf dem Spiel.
Was zunächst als ein Viertagestreik begann, hat sich inzwischen zum ersten grossen Arbeitskampf seit Beginn der Sparmassnahmen entwickelt. Alle grossen Gewerkschaften unterstützen den Kampf der Kumpel und haben eine dritte «Marcha negra» auf Madrid angekündigt. Seit Einführung der Demokratie hat es bisher zwei «schwarze Märsche» gegeben: 1992, als rund 500 Bergleute aus dem Norden nach Madrid zogen, gegen die Schliessung einer Zeche protestierten und mehr finanzielle Unterstützung forderten. Sie hatten Erfolg; die damalige sozialdemokratische PSOE-Regierung führte die Subventionierung ein. Und 2010 waren sie wieder unterwegs – diesmal gegen die Pläne der EU-Kommission, die alle nicht gewinnbringenden Steinkohlezechen schliessen wollte. Wiederum lenkte die PSOE-Regierung ein und versprach, die staatliche Kohlehilfe beizubehalten. Doch nun regiert die rechtskonservative Volkspartei PP mit absoluter Mehrheit. Und Industrieminister Soria will die europaweit koordinierten Stilllegungspläne der Zechen offenbar noch schneller umsetzen als vorgegeben: Die EU hatte 2010 vereinbart, dass die Zechen nach und nach bis 2018 geschlossen werden sollen.
Generalstreik
Die Kumpel haben nun angekündigt, dass sie ihren Kampf «so lange fortführen, bis es eine Lösung gibt». Sie haben schon früher gezeigt, dass sie hart im Nehmen sind und sich nicht leicht einschüchtern lassen. Schon 1962, während der Repression der Franco-Diktatur, hatten die Bergleute das faschistische Regime herausgefordert und zwei Monate lang für mehr Sicherheit und höhere Löhne gestreikt. Am Ende erhielten sie zwar nur wenig mehr Geld, aber ihr Ausstand war der erste grosse Arbeitskampf unter Francisco Franco und löste in anderen gesellschaftlichen Bereichen erste Proteste und Forderungen nach mehr Freiheit aus.
Inzwischen werden die Bergarbeiter von grossen Teilen der spanischen Gesellschaft unterstützt. Nicht nur die Bergwerksbesitzer und die BürgermeisterInnen der umliegenden Orte stehen hinter ihrem Kampf, auch Angestellte anderer Industriezweige: Am Montag befolgten hundert Prozent der Lohnabhängigen in den Minenregionen einen Aufruf zum Generalstreik. Auch die Indignados, Spaniens Empörte, haben sich mit den «Mineros» solidarisiert. Und immer mehr SpanierInnen fragen sich, weshalb die Regierung 23 Milliarden Euro zur Rettung einer einzigen Bank bereitstellt und gleichzeitig 200 Millionen Euro einsparen will, obwohl das mehrere Tausend Arbeitsplätze kostet.
Die Bergleute selbst stellen sich auf eine lange Auseinandersetzung ein. Sie haben wenig zu verlieren: In den Zechenregionen ist die Arbeitslosigkeit noch höher als im spanischen Durchschnitt – und da hat mittlerweile ein Viertel aller Erwerbsfähigen keine bezahlte Stelle. In ihren Gebieten besteht kaum Aussicht auf einen anderen Job.