Swissprinters: Wenn Behörden Widerstand leisten

Nr. 35 –

Nach St. Gallen wollte Swissprinters auch in Renens VD eine Druckerei schliessen. Diese Woche wurde bekannt: Dank der Intervention von Stadt und Kanton bleibt die Hälfte der Arbeitsplätze erhalten.

Ost- und Westschweiz – zwei verschiedene Welten. In der einen folgen die Behörden einem wirtschaftsliberalen Credo und nehmen untätig den Verlust von Stellen in Kauf. In der anderen kämpft man gemeinsam um den Erhalt der Arbeitsplätze – und gewinnt. Dies zeigt sich jetzt im Fall von Swissprinters, der grössten Druckerei der Schweiz. Sie gehört den Medienhäusern Ringier, Tamedia und NZZ, wobei Ringier dank Mehrheitsbesitz den Ton angibt. Seit 2009 ist beschlossene Sache, dass die Druckstandorte abgebaut werden.

Zuerst kamen St. Gallen und Zürich dran. Anfang des Jahres wurde die Traditionsdruckerei Zollikofer AG geschlossen. 172 Mitarbeitende verloren ihre Stelle. Protestaktionen der Mitarbeitenden zusammen mit der Gewerkschaft Syndicom nützten insofern, als bessere Abgangsleistungen erreicht wurden. Von einem anständigen Sozialplan wollte aber niemand sprechen. Die Swissprinters-Leitung tat alles, um Syndicom fernzuhalten. Im Juli wurde dann die Schliessung der ehemaligen Imprimeries Réunies Lausanne (IRL) bekannt gegeben. 126 Arbeitsplätze standen auf dem Spiel.

Autoritär, arrogant, unverfroren

Anders als im Fall Ostschweiz musste diesmal nicht der starke Franken als Begründung für den Abbau herhalten. Swissprinters machte Ertragsschwäche und Überkapazitäten im Druck geltend. Was nach Ansicht von Hans-Peter Graf von Syndicom zwar nachvollziehbar ist, doch sagt er gleichzeitig: «Swissprinters hat noch nie irgendwelche Zahlen offengelegt.» Er zweifelt, ob ein Unternehmen wie Ringier, das sich immer mehr zum Eventkonzern mausert, überhaupt noch ein Interesse an Druckereien hat.

«Massenentlassung ohne Konsultation» hiess die Strategie, die Swissprinters auch im Waadtland durchziehen wollte. Obwohl der Betrieb dem Gesamtarbeitsvertrag untersteht und zur Kooperation mit dem Sozialpartner verpflichtet wäre, wollte die Swissprinters-Geschäftsleitung nur mit der Personalkommission verhandeln. Alle Eingaben von Syndicom, unter anderem auf Verlängerung der Konsultationsfrist, wurden abgeblockt. CEO Alfred Wälti hielt an der vertragswidrigen Gesprächsverweigerung sogar noch dann fest, als die Mitarbeitenden die Gewerkschaft formell für Verhandlungen mandatierten. Syndicom hat diese Arroganz scharf verurteilt. Der autoritär auftretende Druckereiboss blieb freilich davon unbeeindruckt und behauptete weiterhin unverfroren, man werde «in jedem Fall die sozialpartnerschaftlichen Regeln einhalten». Ein Protest von Syndicom beim Branchenverband Viscom blieb ohne Folgen. Dies zeigt drastisch, welchen Stellenwert die Firmenleitungen im Druck- und Medienbereich dem GAV-System noch beimessen.

Für Swissprinters ging die Strategie jedoch nicht auf. Warum? Weil die Behörden Druck ausübten, um die Arbeitsplätze zu erhalten und zumindest eine Lösung über ein Management-Buy-out forderten – allen voran die Stadtpräsidentin von Renens, Marianne Huguenin, die bis 2007 als Verteterin der welschen Partei der Arbeit (Parti Ouvrier et Populaire, POP) im Nationalrat sass. Im Gespräch mit der WOZ meint sie, dass politische Interventionen zugunsten der Betroffenen unerlässlich seien: «Die IRL sind die letzte Offsetdruckerei in der ganzen Westschweiz. So etwas kann man nicht einfach opfern, wenn man auch nur ein bisschen politischen und gesellschaftlichen Weitblick hat.»

Gemeinsam für Arbeitsplätze

Huguenin sondierte mit der lokalen IRL-Direktion schon früh Möglichkeiten für eine teilweise Weiterführung des Betriebs. Sie glaubte fest daran, dass rund die Hälfte der Arbeitsplätze zu retten sei. Auch der Kanton intervenierte. Die Betroffenen lancierten eine Petition und zogen vor den Grossen Rat nach Lausanne. Das alles wirkte: Diese Woche gab Swissprinters bekannt, dass es ab Oktober eine Nachfolgefirma gibt. 69 von 126 Arbeitsplätzen, mehr als die Hälfte, werden gerettet.

Das neue Unternehmen wird als «IRL plus» firmieren und damit die in der Westschweiz verankerte Traditionsmarke wiederbeleben. Nicht nur der Bogenoffset, sondern auch der Rollenoffset, den Swissprinters schon lange hatte dichtmachen wollen, bleibt. Eine Zehnfarbendruckanlage, die bei Swissprinters in Zürich stand, kommt nach Renens. Die Leitung der neuen Firma übernimmt Michel Bernay, ein ehemaliger Druckmanager von Edipresse. Syndicom-Präsident Roland Kreuzer ist über die gelungene Rettungsaktion erleichtert: «Die neue Firma wird dem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen. Und wir werden beim Sozialplan für die Entlassenen mitreden können.» Einziger Wermutstropfen: Die Mitarbeitenden müssen eine Lohnkürzung von fünfzehn Prozent in Kauf nehmen. Immerhin übernimmt Swissprinters die Lohndifferenz für die ersten sechs Monate.

Für Roland Kreuzer ist klar, dass dies nur dank der Intervention der Behörden gelingen konnte: «Die Stimmung ist hier ganz anders als in der Ostschweiz. Hier kämpft man gemeinsam für die Arbeitsplätze.» Ermöglicht wurde der Nachfolgebetrieb vor allem dadurch, dass der Kanton und die Stadt Renens Garantien für die Bankenkredite leisten und dass die Stadt Renens über eine ihr nahestehende Gesellschaft die Druckereiliegenschaft aufkauft und der neuen Firma günstig zur Verfügung stellt. Wie sagt doch Statdtpräsidentin Marianne Huguenin? «Wenn die Behörden eingreifen und der politische Druck gross genug ist, bleibt das nicht ohne Folgen für das Image des Betriebs. Das Kräfteverhältnis kann zugunsten der Angestellten verändert werden, denn kaum ein Unternehmen kann sich leisten, seinen guten Ruf in der Öffentlichkeit und damit auch seine Kunden zu verlieren.»

Das ganze Interview «Politische Interventionen sind unerlässlich» mit Marianne Huguenin.