Kommentar: Frauenquoten – kein schlechter Anfang

Nr. 39 –

Endlich kommt wieder Bewegung in die Diskussion: Das Berner Stadtparlament hat letzte Woche beschlossen, dass Frauen 35 Prozent der Kaderstellen in der Stadtverwaltung und in öffentlich-rechtlichen Anstalten bekommen. In Basel hat der Grosse Rat schon 2009 eine ähnliche Motion überwiesen, in Zürich soll bald ein Vorstoss folgen.

Die Entrüstung ist gross, auch bei vielen Frauen: «Das haben wir doch nicht nötig!» Aber dass alle gleich weit kommen, wenn sie nur «Leistung bringen», ist eine neoliberale Behauptung, mehr nicht. Die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Cordelia Fine hat in ihrem Buch «Die Geschlechterlüge» Studien über die unsichtbaren Wände zusammengetragen, an die Frauen heute noch stossen. Untersuchungen mit fiktiven Bewerbungen zeigen, dass bei gleicher Qualifikation Männer vorgezogen werden – nicht aus bewusstem Sexismus, sondern weil die Testpersonen ehrlich überzeugt sind, die Männer seien geeigneter. Noch krasser wird die ungleiche Einschätzung, wenn die Bewerberinnen Kinder haben.

Eine andere Untersuchung zeigt: Kaderfrauen machen sich unbeliebt, wenn sie Verärgerung äussern – bei Kadermännern führt dasselbe Verhalten zu einem Prestigegewinn. Ist die Chefin nett, gilt sie schnell als inkompetent, ist sie kühl, gilt sie als «unweiblich». «Dasselbe Verhalten, das sein Ansehen verbessert, macht sie unbeliebter», so Cordelia Fines Fazit.

«Die meisten Frauen wollen gar keine Kaderstellen!» ist ein anderes Argument. Das stimmt – solange die Möglichkeiten, Beruf und Familie zu verbinden, so miserabel sind wie in der Schweiz. Und solange sich Frauen auf Chefposten allein in einer Männerwelt behaupten müssen, die ihnen vorführt, dass sie nicht willkommen sind. Wer erleben will, wie es anders geht, darf gerne bei uns vorbeikommen: In der fünfköpfigen Geschäftsleitung der WOZ sitzen vier Frauen.

Frauenquoten werden weder den Kapitalismus abschaffen noch die Welt retten. Sie sind ein Anfang. «Wir reden immer darüber, was sein wird, wenn Frauen mit an der Macht sind», sagte die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz Anfang Jahr im WOZ-Interview. «Jetzt möchte ichs mal sehen.»