Ausschaffungsgeschäft: Genügend Handlanger im Angebot

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Mit der Fluggesellschaft Hello verliert das Bundesamt für Migration einen «erfahrenen Partner» bei Ausschaffungen. Wer weiter profitiert, bleibt ein veritables Staatsgeheimnis. Das stösst im Parlament auf Kritik.

«Swiss Repat»: Diesen Namen trägt das Reisebüro für Ausschaffungen. Wobei Ravin Marday, der stellvertretende Chef, eine solche Beschreibung nicht gerne hört. Er nennt die Aufgabe «Ausreisemanagement». In der Dienststelle des Bundesamts für Migration (BFM) in den Flughäfen Zürich und Genf Cointrin arbeiten über dreissig Angestellte. Sie buchen Sitzplätze auf Linienflügen und sind zuständig für die Einhaltung von sicherheitspolizeilichen und medizinischen Standards bei Ausschaffungen.

Die Zahl der Ausgeschafften hat gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte zugenommen: Vom 1. Januar bis zum 31. September 2012 mussten 10 202 Personen die Schweiz verlassen. Über vierzig Prozent reisten selbstständig aus. Die anderen wurden von Polizisten bewacht zum Flughafen gebracht, wo sie unbemerkt von den übrigen Passagieren durch einen Seiteneingang das Flugzeug besteigen mussten. «Die Fluggesellschaften haben ein kommerzielles Interesse, dass ihre Beteiligung an den Ausreisen nicht sichtbar ist», sagt Marday. Für Zwangsmittel bis zur Ganzkörperfesselung gibt es sogenannte Sonderflüge: 2011 wurden 33 Flugzeuge gechartert, um 165 Menschen unter Zwang auszuschaffen, im laufenden Jahr waren es bisher 31 Flüge mit 154 Personen.

Die Aufträge an die Fluggesellschaften werden über ein Submissionsverfahren ausgeschrieben, wobei die Auswahl von Fluggesellschaften von Fall zu Fall entschieden wird, je nach benötigter Grösse und Reichweite des Flugzeugs. Auf das Grounding von Hello angesprochen, sagt Marday: «Hello zählte zu den erfahrenen Partnern.» Im Jahr 2011 wurde die Fluggesellschaft mit drei Sonderflügen beauftragt. Dass sie nun wegfällt, ist für Swiss Repat aber kein Problem: «Wir pflegen ein breites Anbieterportfolio», sagt der Vizechef. «Wir müssen immer damit rechnen, dass eine kleinere Firma Konkurs geht.» Die Rechnung für einen Sonderflug wird deshalb erst nach erfüllter Mission bezahlt.

Hello und goodbye

Letzte Woche musste die Fluggesellschaft Hello von Moritz Suter wegen Liquiditätsproblemen ihren Betrieb einstellen. Das Geschäft mit den Ausschaffungsflügen hätte sie zwar kaum vor dem Konkurs retten können. 2011 zahlte der Bund 1,8 Millionen Franken an die reinen Flugkosten der Sonderflüge, Hello dürfte davon rund 200 000 Franken verdient haben. Doch nachdem die Menschenrechtsgruppe Augenauf 2009 publik gemacht hatte, dass die Firma mit dem Willkommensgruss im Namen nicht nur Pauschalreisende und den FC Basel durch Europa fliegt, sondern auch Asylsuchende ausschafft, wurde Hello zum fliegenden Sinnbild für die Schweizer Abschreckungspolitik. Erst recht, als sich SVP-Milliardär Christoph Blocher an der angeschlagenen Airline beteiligte und Moritz Suter umgekehrt den Strohmann bei der «Basler Zeitung» spielte.

Die Sonderflüge sind ein gut gehütetes Geheimnis des BFM. Auf die Frage nach weiteren Fluggesellschaften, die Flieger und Besatzung zur Verfügung stellen, lautet die offizielle Antwort von Pressesprecher Jürg Walpen: «Aufgrund der Verschwiegenheitspflicht und aus Rücksicht gegenüber unseren Leistungserbringern können zu den jeweiligen Fluggesellschaften keine Angaben gemacht werden.» Bekannt ist, dass auch die Swiss am Geschäft beteiligt ist. «Wir bestätigen nur, dass wir Ausschaffungsflüge durchführen», heisst es dort kurz angebunden. Wie Augenauf neu weiss, macht auch die slowenische Adria Airways mit, sie gehört wie die Swiss zur Star Alliance. Auf der Website der europäischen Grenzschutzagentur Frontex ist ausserdem ersichtlich, dass sich die Schweiz 2012 an einem Ausschaffungsflug mit anderen Vertragsstaaten beteiligte: Von Österreich organisiert, führte er nach Georgien und Armenien.

Selbst ParlamentarierInnen aus der Staatspolitischen Kommission, der die Asyl- und Ausländerpolitik zugewiesen ist, kennen die Namen der beteiligten Flugfirmen nicht. «Für die Airlines wäre eine Veröffentlichung wohl schlecht fürs Geschäft», meint SP-Fraktionspräsident Andy Tschümperlin. Der grüne Nationalrat Balthasar Glättli findet, die Bürger und Konsumentinnen sollten wissen, wer an den Zwangsausschaffungen verdient. «Die Verschwiegenheit zeigt, dass die Flüge nicht als unproblematisch gelten.» Glättli überlegt sich eine schriftliche Anfrage.

Um Leben und Tod

2010 starb der Nigerianer Joseph Ndukaku Chiakwa während einer Zwangsausschaffung. Ein Arzt muss seither auf den Sonderflügen dabei sein. Hinzu kommt aufgrund des Dublin-Vertrags ein Monitoring, das die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter ausübt. Letztes Jahr zeigte das Nachrichtenmagazin «10 vor 10», wie Polizisten bei einer Ausschaffung mit Stockschlägen auf Nigerianer eindroschen. Kürzlich enthüllte der «Tages-Anzeiger», dass die medizinische Betreuung privatisiert wurde: mit der Firma Oseara in Stans. Inhaber ist der Militärarzt Daniel Herschkowitz, der unter MedizinerInnen umstritten ist. Das Pilotprojekt soll nächstes Jahr in den definitiven Betrieb übergehen. Darüber informierte das BFM ebenfalls nicht.

«Die Geheimniskrämerei des BFM, fern vom Öffentlichkeitsprinzip, ist skandalös», sagt Ursula Weber von Augenauf. «Das Schweigen ist umso gefährlicher, als die Zwangsausschaffungen einer der wenigen staatlichen Bereiche sind, in denen es regelmässig um Leben und Tod geht.»