Olympische Winterspiele: Jonglieren mit Millionen und Milliarden

Nr. 44 –

Seit über einem Jahr plant und weibelt der Verein Graubünden 2022 für Olympische Winterspiele in St. Moritz und Davos. Noch vor der Bündner Abstimmung im März 2013 wird er dafür 5,4 Millionen Franken ausgegeben haben – grösstenteils staatliche Gelder.

Derzeit ist es nicht mehr als eine Idee, eine Handvoll Engagierte mit einem Stapel Dokumenten – und viel Ärger. Aber in zehn Jahren soll daraus einer der weltweit wichtigsten Sportanlässe entstehen: St. Moritz 2022, die dritten Olympischen Winterspiele in der Schweiz. Dabei waren sich vor fünf Jahren fast alle einig: Olympische Spiele sind in der Schweiz nicht sinnvoll. Im November 2007 entschied sich der Sportdachverband Swiss Olympic gegen eine Kandidatur für die Winterspiele im Jahr 2018. Aufgrund einer Studie, für die rund fünfzig ExpertInnen zu Rate gezogen worden waren, kam man zum Schluss, dass die Schweiz ökonomisch kaum von Olympia profitieren könne. Die NZZ folgerte, das Thema sei damit vom Tisch – «wenn nicht für die Ewigkeit, dann bestimmt für Jahrzehnte».

Heller Wahnsinn

Heute ist alles anders. Zwar hiess es am vergangenen Dienstag bei Swiss Olympic nach wie vor, es sei «unbestritten», dass man mit Olympischen Spielen «keinen finanziellen Gewinn macht», aber das behaupte ja auch niemand. Am gleichen Tag präsentierte der eigens von Bund, Kanton Graubünden und Swiss Olympic gegründete Verein Graubünden 2022 eine Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Winterspielen in der Schweiz. Vereinsdirektor Gian Gilli erklärte, die wirtschaftlichen Effekte seien wichtig, «denn auch ökonomisch muss Graubünden 2022 Sinn ergeben».

Im Moment ist Olympia ein 60-Millionen-Projekt. So viel beträgt das Budget für eine allfällige Kandidatur, falls die Bündner Stimmbevölkerung im kommenden März zustimmt. Dreissig Millionen soll der Bund übernehmen, je fünfzehn Millionen der Kanton Graubünden und Swiss Olympic. Der Verband hat die Sportmarketingfirma Infront Ringier beauftragt, Sponsoren zu suchen. Die Hälfte der benötigten Summe sei bereits erreicht, heisst es bei Infront Ringier.

Für manche BeobachterInnen ist bereits das Kandidaturbudget heller Wahnsinn, zumal in den Sternen steht, wie gross die Schweizer Chancen mit kleinen, weissen und nachhaltigen Winterspielen beim Internationalen Olympischen Komitee (IOK) sind. Der Trend bei den beiden letzten Vergaben (nach Sotschi in Russland und Pyeongchang in Südkorea) ging in eine ganz andere Richtung, und einige IOK-Mitglieder liessen sich bei ihren Entscheidungen in der Vergangenheit ohnehin eher von der Höhe der Schmiergelder als von einem überzeugenden Dossier leiten.

Die OlympiapromotorInnen um Gian Gilli lassen sich davon nicht beirren. Seit über einem Jahr planen und organisieren fünf bis zehn Personen das Projekt Olympia, bis zur Abstimmung im März werden sie weiter die Werbetrommel rühren und viel Überzeugungsarbeit in den Bündner Tälern leisten. Dafür wird der Verein Graubünden 2022 bis im März 5,4 Millionen des 60-Millionen-Budgets beansprucht haben. Für die laufenden Kosten kommen Bund, Kanton und Swiss Olympic zu je einem Drittel auf, also für je 1,8 Millionen Franken. Der Anteil des Kantons Graubünden stamme aus dem ordentlichen Budget für Wirtschaftsentwicklung, erklärt Sandra Felix, Sekretärin im kantonalen Departement für Volkswirtschaft und Vorstandsmitglied von Graubünden 2022.

Im September hatte der zuständige Bündner Regierungsrat Hansjörg Trachsel erklärt, dass keine Steuergelder in die Kampagne für die Abstimmung 2013 fliessen würden. Aber im laufenden Budget der OlympiaorganisatorInnen fallen Personal- und Betriebskosten von fast 2,5 Millionen Franken an und auch Aufwendungen für Marketing und Kampagnen in der Höhe von rund 1,5 Millionen Franken. Bezahlt also die Bündner Regierung die Überzeugungsarbeit für Olympia 2022? Nein, erklärt Sandra Felix. Die Abstimmungskampagne werde über Sponsoringmittel finanziert. Dass im Budget staatliche und private Mittel vermischt werden, liege an der Struktur des Vereins Graubünden 2022, in dem kantonale, nationale wie auch private VertreterInnen Einsitz haben. Einen Interessenkonflikt sieht sie darin nicht.

Sollten die BündnerInnen Olympia zustimmen und sollte die Schweiz später vom IOK tatsächlich den Zuschlag erhalten, fielen Kosten in der Höhe von rund 4,5 Milliarden Franken an: 2,8 Milliarden für das Ausrichten der Spiele, 1,7 Milliarden für damit verbundene Infrastrukturprojekte. Zwar will sich der Bund mit einer Milliarde an den operativen Kosten von 2,8 Milliarden Franken beteiligen, dennoch bleibt auch bei geschätzten Einnahmen von 1,5 Milliarden ein Loch von 300 Millionen.

Wer soll das Loch stopfen?

Wer das zahlen soll, ist unklar. Der Kanton Graubünden beteiligt sich lediglich am Kandidaturbudget und an den Infrastrukturkosten (Sicherheit). Der Bund wiederum hat erklärt, nicht mehr als eine Milliarde zu zahlen. Der Verein Graubünden 2022 sucht deshalb nach Einsparungsmöglichkeiten bei der Durchführung. So soll etwa die Zahl der temporären Bauten verringert werden. Vieles ist dabei noch in der Schwebe.

Die Erfahrung zeigt, dass die Kosten für sportliche Grossanlässe am Ende aber meist höher ausfallen, gerade im Bereich der Sicherheit. Bei den Winterspielen in Vancouver 2010 betrugen die Sicherheitskosten 900 Millionen, fünfmal mehr als ursprünglich geplant. Diese Tendenz lässt sich in der Schweiz schon jetzt feststellen: Im Mai 2012 betrug das Kandidaturbudget noch 36 Millionen Franken. Mittlerweile ist man bei 60 Millionen angelangt.