Kommentar von Theodora Mavropoulos: Das gefährliche Erbe der Pasok
Die Pasok, Griechenlands sozialdemokratische Partei, zerbröselt. Von ihrem Niedergang profitieren nicht zuletzt die sich volksnah gebenden NeofaschistInnen.
Eine so grosse Geschichte und ein so tiefer Fall: Griechenlands Panhellenistische Sozialistische Bewegung (Pasok), die die Politik des Landes in den vergangenen vier Jahrzehnten gemeinsam mit der konservativen Nea Dimokratia dominierte, dümpelt derzeit in der WählerInnengunst im tiefen, gerade noch zweistelligen Prozentbereich. Ihre Parlamentsfraktion zerbröselt – und mit ihr die erst im Mai inthronisierte Regierungskoalition unter dem konservativen Antonis Samaras, an der neben der Nea Dimokratia und der Pasok auch die kleine «Demokratische Linke» (Dimar) beteiligt ist. Erst Ende vergangener Woche wurden sechs Pasok-Fraktionsmitglieder ausgeschlossen, weil sie das von der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) geforderte Sparpaket nicht mittragen wollten.
Die Ablehnung des 13,5 Milliarden Euro schweren Streichungspakets durch die sechs Pasok-RebellInnen hat nichts genützt. Es wurde mit 153 gegen 128 Stimmen bei 18 Enthaltungen vom Parlament angenommen. Die Pasok aber verlor damit noch mehr Sympathien. Seit Monaten steuert sie sich mehr und mehr ins Aus: Bereits im vergangenen Oktober hat Giannis Ragousis, Innenminister der letzten Pasok-Regierung in den Jahren 2010 und 2011, seinen Austritt aus der Partei erklärt. Parteichef Evangelis Venizelos verstrickt sich derzeit immer tiefer in die sogenannte Lagarde-Affäre. Die damalige französische Finanzministerin und heutige IWF-Chefin Christine Lagarde hatte 2010 dem damaligen griechischen Finanzminister Giorgos Papaconstantinou eine CD mit den Namen von rund 2000 GriechInnen mit Konten bei der HSCB-Bank in Genf übergeben. Die Liste sollte mögliche SteuerhinterzieherInnen auffliegen lassen. Doch weder der Finanzminister noch der Pasok-Parteichef leitete eine Untersuchung ein. Die CD verschwand und tauchte später mit weniger Namen wieder auf. Die Pasok verlor darüber weiter an Glaubwürdigkeit.
Dabei war die Partei lange eine der massgeblichen Spielerinnen in der griechischen Politik. Als sie 1974 nach dem Ende der Militärdiktatur von Andreas Papandreou gegründet wurde, stand sie noch sehr weit links. Volksherrschaft, Befreiung und Transparenz waren ihre zentralen Werte, dazu kam die mitreissende sozialistische Rhetorik ihres charismatischen Gründers. Doch viel mehr als schöne Parolen und viele Versprechen hat sie in ihrer Geschichte nicht zustande gebracht. Allenfalls hat sie die einst dominierende griechisch-orthodoxe Kirche mit der Stärkung von Frauenrechten und der Einführung der standesamtlichen Trauung ein wenig zurückgedrängt. Der oft versprochene Austritt aus dem nordatlantischen Militärbündnis Nato aber wurde nie vollzogen.
Von Anfang an war auch die Pasok tief ins System der griechischen Vettern- und Günstlingswirtschaft verstrickt und kommt bis heute nicht heraus. Noch während der Verhandlungen um das jüngste Sparpaket setzte die Partei durch, dass ParlamentsmitarbeiterInnen trotz aller Streichungsbeschlüsse weiterhin ein Gehalt bekommen, das rund dreimal so hoch liegt wie das eines Facharzts. Mit der einst propagierten Volksnähe hat das nichts zu tun.
Das linke Spektrum in Griechenland wird inzwischen ohnehin vom Bündnis Syriza besetzt. Bei der Wahl im Mai landete es noch knapp auf Platz zwei hinter der Nea Dimokratia, nach neusten Umfragen aber würde es heute gewinnen. Parteichef Alexis Tsipras wirft der Regierungskoalition im Parlament regelmässig vor, das Land mit immer neuen Sparpaketen in den Ruin zu treiben. Wahrscheinlich hat er damit recht. Aber seine eigenen vollmundigen Versprechungen, alles ganz anders zu machen, wenn er regieren könnte, klingen gefährlich nach dem Linkspopulismus der ersten Jahre der Pasok.
Nicht nur die radikale Linke profitiert vom Zerbröseln der längst nur noch lauwarm sozialdemokratischen Partei. Zum ersten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur spüren die FaschistInnen wieder Rückenwind. Die 1985 gegründete und lange bedeutungslose Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung) mit ihrem einem Hakenkreuz ähnlichen Emblem sackte bei der Wahl im Mai knapp sieben Prozent der WählerInnenstimmen ein und baut diesen Anteil langsam aus. Sie geht dabei sehr geschickt vor: Sie schürt die Angst vor EinwanderInnen, ihre Rollkommandos werfen gleichzeitig MigrantInnen gewalttätig aus deren Wohnungen. Diese Partei verspricht nicht nur, sie handelt auch. Und das nicht nur mit rechtsradikalen SchlägerInnen, sondern auch ganz zahm: So stellen sich die Neofaschisten alten Menschen, die Angst vor Überfällen haben, als Begleitschutz auf dem Weg zur Bank zur Verfügung. Gezielt suchen sie jenen Ort, an dem man die traditionellen Parteien schon lange nicht mehr gesehen hat: an der Seite des einfachen Volks.
Die Wurzeln der Pasok liegen in der von Papandreou gegründeten Allgriechischen Befreiungsbewegung (PAK), die in den Jahren 1968 bis 1974 gegen die Militärdiktatur kämpfte. Es wäre fatal, wenn der heutige Niedergang der Partei den faschistischen EnkelInnen der Obristen nützte. Auszuschliessen ist es nicht.