Medientagebuch: Drama im fünften Akt
Richard Aschinger über das Strohmanntheater um die «BaZ».
«Das Schlimmste, was man einer Redaktion antun kann, ist, ihr nicht zu sagen, wem ihr Unternehmen gehört», erklärte Markus Spillmann, Chefredaktor der NZZ, zu Beginn eines Podiumsgesprächs in Zürich. Angesprochen durften sich Kreise um Christoph Blocher fühlen, die seit zwei Jahren ihre Kontrolle über die «Basler Zeitung» («BaZ») mit immer neuen Strohmannkonstrukten verschleiern. Aktuelle Mogelpackung ist die Medienvielfalt Holding AG mit Hauptaktionär Tito Tettamanti, der die «BaZ» offiziell gehört und die zum Einstand im Klub der Medienunternehmer ins Hotel Savoy geladen hatte. Als letzter Referent des Podiums spitzte «Tages-Anzeiger»-Journalist Constantin Seibt die Substanz des «BaZ»-Dramas zu: «So etwas machen russische Oligarchen.»
Das Drama läuft bereits im fünften Akt: Im ersten präsentiert sich Anfang 2010 Tettamanti als neuer Eigentümer. Auch Tamedia und NZZ bemühten sich um einen Kauf. Warum sie aus dem Rennen schieden, wurde nie klar. Tettamanti hat einen medienpolitischen Ruf: 2001 übernahm er mit Blocher-Sympathisanten die «Weltwoche», 2006 verkaufte er sie günstig an Roger Köppel. Seither fährt sie auf ultrakonservativem Kampfkurs. Trotzdem herrscht 2010 in Basel Freude. Man ist die «Zürcher» los.
Die Hoffnung auf eine «Basler Lösung» entpuppt sich als Trug. Tettamanti macht Köppels Nummer zwei bei der «Weltwoche» zum Chefredaktor der «BaZ». Markus Somm beginnt sofort, die Zeitung mit antieuropäischer, neoliberaler, Blocher-höriger Meinung zu profilieren. Als zwei Monate später bekannt wird, Blochers Beratungsfirma Robinvest sei bei der «BaZ» tätig, beginnen Proteste in der Redaktion und der Öffentlichkeit. Das passt Tettamanti nicht. Der offizielle «BaZ»-Eigner läuft von der Bühne.
Für den Akt 2 zaubert die Regie Ende November mit Ex-Crossair-Chef Moritz Suter ein Basler Urgestein aus den Kulissen. Im Interesse der Stadt, sagt er, habe er die «BaZ» gekauft. Die Rede ist von siebzig Millionen. Es gibt Fragen, woher Suter das Geld habe. Aber die Medien lassen schon bald die Finger vom «BaZ»-Theater. BaslerInnen gewöhnen sich daran, dass die «BaZ»-Eigentümer sie mit einem Strohmanntheater verhöhnen. Die «BaZ» verliert an Auflage und beste JournalistInnen. Ein Jahr lang spielt Suter Pilot, am 14. November 2011 fällt die «Basler Lösung» plötzlich vom Himmel.
Für den dritten Akt stehen neue Schauspieler nicht bereit. Die Drahtzieher müssen selbst auf die Bühne. Blochers Tochter Rahel wird offiziell Eigentümerin der «BaZ». Schon nach wenigen Wochen geht der Vorhang aber wieder zu: Im vierten Akt wird die Medienvielfalt Holding AG gegründet, der die «BaZ»-Gruppe heute gehört. Als Hauptaktionär spielt Tettamanti zum zweiten Mal Eigentümer.
Der fünfte Akt ist eine Realityshow. Im September 2012 kommt Rolf Bollmann als CEO an die «BaZ»-Spitze. Bei Tamedia sitzt er seit Jahren in der Geschäftsleitung und arbeitet weiter an Konzernprojekten. Bollmann sagt öffentlich, Blocher sei Besitzer der «BaZ». Viel deutet darauf hin, dass die «BaZ» nun kommerziell, aber nicht publizistisch an Tamedia angegliedert werden soll. In einem ersten Schritt wird die Zeitung wohl ihre Sonntagsausgabe einstellen und dafür Tamedias «SonntagsZeitung» anbieten. Bei Tamedia könnte die «BaZ» auch gedruckt werden. Tamedia erhielte wirtschaftlich viel von dem, was sie bis vor zwei Jahren durch einen Kauf der «BaZ» anstrebte. Blocher bekäme eine rentable, aber inhaltlich von Tamedia unabhängige «BaZ».
Richard Aschinger ist freier Journalist und Autor des Buchs «Newsfabrikanten. Schweizer Medien zwischen Tamedia und Tettamanti» (Zürich 2010).