Medientagebuch: Fremde Chefredaktoren

Nr. 47 –

Theodora Mavropoulos über griechische JournalistInnen.

Journalistinnen und Journalisten in Griechenland führten in den vergangenen Monaten immer wieder Warnstreiks durch. Vom 1. bis zum 9. November sind auch die Angestellten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Griechenlands ERT in Dauerstreik getreten. Der aktuelle Sendebetrieb wurde eingestellt – stattdessen liefen auf allen Kanälen des ERT Wiederholungen und Musik. Weitere Streiks über einige Stunden legten den informativen Sendebetrieb vom 10. bis zum 14. November lahm. Bisher ohne Ergebnisse.

Die Hauptforderung der ERT-Angestellten ist der Schutz der Pressefreiheit. Im letzten Monat wurden in der staatlichen Rundfunkanstalt nämlich von der Regierung neue Chefredaktoren eingesetzt. «Dadurch ist ein von der Politik unabhängiger Journalismus kaum mehr möglich», so Georgios Savvidis, Vorsitzender der griechischen JournalistInnenvereinigung POESY. Ausserdem fordern die ERT-JournalistInnen, dass ihre Löhne nicht weiter gesenkt werden. Viele von ihnen mussten bereits Kürzungen von 35 Prozent hinnehmen.

Künftig wollen die ERT-Angestellten auch enger mit KollegInnen aus privaten Medien zusammenrücken. Auf einem Treffen am Montag letzter Woche im Gebäude der griechischen JournalistInnengewerkschaft ESIEA wurde das gemeinsame weitere Vorgehen beratschlagt: Dabei geht es nach Ansicht der Betroffenen um den Fortbestand der griechischen Medienlandschaft überhaupt.

JournalistInnen aller griechischen Me-
dien sind von den Folgen der letzten sogenannten Rettungspakete und der darauf folgenden Sparmassnahmen längst existenziell betroffen: Über Monate wurden zum Beispiel Gehälter nicht bezahlt, Stellen wurden abgebaut, es gab spontane Entlassungen, und manche Institutionen – wie die linksgerichtete Tageszeitung «Eleftherotypia» – verschwanden ganz von der Bildfläche.

Viele griechische JournalistInnen haben keine Einkommensquelle mehr und müssen mit einem sehr geringen Arbeitslosengeld auskommen. Früher betrug die Arbeitslosenhilfe einheitlich 461,40 Euro pro Monat. Nach den jüngsten Sparbeschlüssen wurde sie um 22 Prozent gesenkt. Der Grundbetrag liegt nun bei 360 Euro pro Monat, und nach einem Jahr erlischt der Anspruch auf die staatliche Unterstützung ganz – weitere Hilfen zur Grundsicherung sieht der griechische Staat nicht vor.

Neue Massnahmen aufgrund der Sparforderungen der Troika bedrohen auch jene JournalistInnen, die noch nicht von der Arbeitslosenhilfe leben. Vor gut zwei Wochen hat Finanzminister Ioanis Stournaras einen neuen Gesetzesentwurf zulasten der Medienleute Griechenlands vorgestellt: Die finanziell intakte Kranken- und Rentenversicherung der JournalistInnen müsse mit der staatlichen Versicherung zusammengelegt werden. Letztere ist überschuldet und kann ihre Versicherten kaum mehr versorgen. Durch das neue Gesetz würde sie auf Kosten der JournalistInnen entlastet. Die JournalistInnengewerkschaft ESIEA rief deshalb zum Protest und zum Streik auf. Für einmal mit Erfolg: Die Gesetzesvorlage wurde am gleichen Nachmittag zurückgezogen. «An diesem Entwurf sieht man wieder, dass das Geld des Rettungsschirms nicht dem Volk helfen, sondern die Löcher der Banken füllen soll», sagte der Vorsitzende der griechischen Fotoreporter, Marios Lolos, an der Demonstration der griechischen JournalistInnen, die auf dem Platz neben dem Parlamentsgebäude stattfand.

Theodora Mavropoulos ist Mitarbeiterin 
der WOZ.