Aktion Together: Eine Million, bitte. Zum Mitnehmen
Sie verstecken sich hinter dichten Hecken und videoüberwachten Toren: Wir baten die Reichsten im Lande dennoch um eine Million Franken – für eine Umverteilungsinitiative.
Der viertreichste Mann der Welt, Warren Buffett, forderte diese Woche höhere Steuern für die Reichsten. Bereits vor einem Jahr schrieb er: «Meine Freunde und ich sind lange genug von einem milliardärfreundlichen Kongress verhätschelt worden» – und rief damit zur Umverteilung von oben nach unten auf. Weitere prominente Vermögende auf der ganzen Welt stimmten Buffett zu und forderten eine höhere Besteuerung. Nur in der Schweiz blieb es seltsam still. Wollen die Reichen in der Schweiz nicht teilen? Unter dem Motto «Together» hat sich die WOZ aufgemacht, um dieser Frage auf den Grund zu gehen.
Es ist fast Mittag, die Zürcher Goldküste ist ganz in den Händen der Gartenbauarbeiter. Bereitwillig öffnen sie die Eisentore und bestätigen, dass die gesuchte Familie wirklich hier wohnt, denn wir lernen: Wo die richtig Reichen wohnen, sind weder Briefkästen noch Klingeln angeschrieben.
Um sich in solcher Umgebung so natürlich wie möglich zu bewegen, hat sich das Together-Team in Schale geworfen und einen Mercedes samt Chauffeur besorgt – um keinen Preis auffallen, lautet die Devise, schliesslich soll die Kontaktaufnahme nicht an sichtbaren Klassenunterschieden scheitern.
Ziel der Mission: mindestens einen der 300 Reichsten der Schweiz dazu bringen, die WOZ-Together-Initiative zu unterstützen, die die Umverteilung der Vermögen fordert. Die 300 Reichsten – gemäss letztem «Bilanz»-Rating – hatten vorgängig folgenden Brief erhalten:
Sehr geehrteR …
Die Lage ist ungemütlich. Der Ruf der Vermögenden ist angeschlagen, radikale Kräfte fordern eine höhere Besteuerung von Reichtum, soziale Unruhen bestimmen die Schlagzeilen in Europa. Wir machen uns Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie auch? (…)
Werden Sie prominentes Aushängeschild der Together-Volksinitiative. Mit der Together-Volksinitiative sollen die Vermögen so aufgeteilt werden, dass auch die Ärmsten etwas vom Reichtum der Reichsten haben. Die Together-Initiative will der Verteilungsfrage proaktiv begegnen, anstatt abzuwarten, bis der Druck die Politik zu überstürztem Handeln zwingt.
Sind Sie bereit, Ihren Teil für eine gerechte Schweiz zu leisten? Dann unterstützen Sie die «Together»-Initiative mit Ihrem Beitrag von 1 Million Franken. (…)
Wir haben die Idee, Sie das Geld!
Die Idee war, eine Volksinitiative zu lancieren, die die Politik verpflichtet, bis 2025 in der Schweiz den sogenannten Gini-Koeffizienten zu senken, der die Ungleichverteilung der Vermögen misst – sodass die Reichsten nur noch fünfzig Prozent des Vermögens unter sich aufteilten, während dem Rest der Gesellschaft die anderen fünfzig Prozent zustünden. Das hielten wir für einen fairen Anfang.
Leider waren die Rückmeldungen spärlich: Konrad Hummler war so freundlich, die Anfrage persönlich, wenn auch ablehnend zu beantworten. Hummler störte zunächst, dass der Anfragebrief nicht persönlich unterschrieben war, was angesichts eines «solchen Betrags» doch «ziemlich frivol» sei. Nach der obligaten rhetorischen Frage, ob wir denn auch die mit dem Reichtum verbundenen «entsprechenden Risiken» zu teilen gewillt seien, kam Herr Hummler zum Punkt: «Eine Million Franken ist, auch bei mir, ein knappes Gut.» Ohne dem Together-Team «bezüglich Ernsthaftigkeit Ihres politischen Anliegens nahetreten zu wollen, glaube ich, mit meinen Steuer- und AHV-Zahlungen und mit der von mir und meiner Familie gewählten Wohltätigkeit genügend positive Effekte für das gesellschaftliche Zusammenleben zu erzielen», schreibt der Privatbankier.
Theo Müller (Müller-Milch) wiederum drückte seine Sorge um das gesundheitliche Wohlergehen der Briefautorin Stühlinger aus:
Sehr geehrter [sic!] Frau Stühlinger
Ihren Brief habe ich (…) mit grossem Staunen gelesen. Es kamen mir starke Zweifel an Ihrer Zurechnungsfähigkeit – falls ich Ihnen die Adressen einiger exzellenter Psychologen und Psychiater in Zürich nennen darf, lassen Sie es mich wissen.
Michael Hilti vom Hilti-Clan wiederum verwies in einem längeren Brief auf die Aktivitäten der Hilti Foundation, um dann zu bedauern, dass er uns keine bessere Antwort geben könne. Im Klartext: Schon wieder keine Million.
Deshalb wurde beschlossen, die Reichen telefonisch oder gleich persönlich mit der Forderung nach der besagten Million zu konfrontieren. Während Gautier und Stühlinger im Aussendienst um den Zürichsee kurven, laufen in der Zentrale bei den Together-Telefonisten Surber und Hanimann die Drähte heiss. Oder auch nicht. Die Reichen sind offenbar nicht zu Hause. Ausser bei Financier Nathaniel Rothschild, da ist schon seit einer halben Stunde besetzt. Doch dann, endlich, verbucht Hanimann einen ersten Erfolg:
Frau T. nimmt bei Philippe Gaydoul das Telefon ab und ist erstaunt.
Hanimann: «Ich würde gerne Herrn Gaydoul sprechen.»
Frau T.: «Er ist nicht erreichbar.»
H: «Wann ist er denn wieder erreichbar?»
T: «Das kann ich Ihnen nicht sagen.»
H: «Aber ich bin schon an der richtigen Adresse, oder? In Küsnacht? Bei Philippe Gaydoul. Sie heissen ja anders, deswegen bin ich etwas verwirrt.»
T: «Ja, Sie sind schon richtig. Aber was mich jetzt eigentlich interessieren würde: Woher haben Sie überhaupt diese Nummer?»
H: «Das würde ich Ihnen gerne sagen, aber ich weiss es auch nicht. Ich nehme an, dass sie öffentlich ist.»
T: «Nein, das ist sie nicht. Sie sollten diese Nummer eigentlich nicht haben.»
H: «Nun, dann weiss ich auch nicht. Wir haben ein Rechercheteam, das die Adressen und Nummern der 300 Reichsten recherchiert hat. Ich habe hier nur eine Liste vor mir.»
Stille.
H: «Ja, was machen wir jetzt?»
T: «Ja, das wollte ich Sie auch gerade fragen.»
H: «Ich sage Ihnen jetzt mal, worum es in diesem Brief geht.»
Hanimann erzählt, was in dem Brief steht – «… ausserdem ist heute Generalstreik und so weiter. Jetzt wollen wir, dass die 300 Reichsten unsere Initiative mit einem Startkapital von einer Million unterstützen. Schliesslich sind die 300 Reichsten wohl am ehesten die, die eine Million übrig haben.»
Frau T. lacht.
H: «Warum lachen Sie jetzt?»
T: «Einfach so.»
H: «Dahinter steht eine sehr ernste Angelegenheit.»
T: «Ich lache, weil Sie das so schön aufgesagt haben.»
H: «Gut, aber wie verbleiben wir jetzt?»
T: «Machen wir es doch einfach so: Ich nehme mal Ihre Kontaktangaben auf. Wenn Herr Gaydoul sich dafür interessiert, wird er sich melden. Wenn er kein Interesse hat, dann müssen Sie das aber auch akzeptieren. Ist das gut so?»
Offenbar interessiert sich Herr Gaydoul nicht, denn wir haben bis dato nichts von ihm gehört. Das akzeptieren wir.
Derweil in Zollikon am Zürichsee, 11.10 Uhr: Bei Bankier Raymond Bär gelingt es dem Team, bis zur Tür vorzudringen. «O senhor não está para em casa», sagt die Haushälterin. Immerhin lässt sich ein Blick ins Innere erhaschen, wo ein prächtiger Kronleuchter von der Decke baumelt und warmes Licht verbreitet. Die Spendenanfrage für die Million lässt das Together-Team sodann im nicht angeschriebenen Briefkasten zurück, beäugt von mehreren Überwachungskameras.
Die Welt der Reichen hat ihre eigene Flora: Hauptsächlich besteht sie aus Hecken, sauber gestutzter Thuja oder Kirschlorbeer, die sind schön dicht und beide hier nicht heimisch, was den Strassenzügen ein internationales Flair verleiht. Die Thuja heisst auch «Lebensbaum» und kann zur Behandlung von Warzen benutzt werden, die Beeren des Kirschlorbeers führen ab einer Dosis von über zehn Stück zu Atemnot und Herzstillstand.
Zollikon, 11.40 Uhr: Der Laster eines Gartenbauunternehmens versperrt den Weg zu Jacob Schmidheinys Villa. Herr Schmidheiny ist ein Spross des anderen Familienzweigs der Schmidheiny-Dynastie, also der mit der Ziegelei, nicht der mit dem Asbest. Hinter dem Lastwagen versperrt ein vier Meter hoher Wall aus Thuja- und Kirschlorbeerhecken die Sicht auf Jacob Schmidheinys Villa. Als das Together-Team den unprätentiösen Eingang in Form eines kommunen Gartenzauns findet, ist es mehr als überrascht: Jacob Schmidheinys Villa ist gar keine, sondern ein normales, an den Rändern schon etwas schmuddeliges Haus, wie es unserer Oma gehören könnte. Den gleichen Eindruck macht Frau Schmidheiny selbst, eine nette Oma im Wollpullover, die trotz Abwesenheit ihres Mannes geduldig den Together-Brief entgegennimmt, während ein freundlicher Hund um ihre Füsse wuselt.
Sich erklären lassen, worum es bei der Together-Initiative geht, will sie dann doch nicht, sie werde es mit dem Mann besprechen, jetzt habe sie gerade die Enkelin da. An der Tür hängt ein selbst gemachtes «Welcome»-Schild aus glasiertem Ton, wir lernen: Reiche sind unter Umständen ganz normale Leute wie du und ich.
In der Telefonzentrale steht derweil die Leitung zu einem anderen der 300: Eine portugiesische Raumpflegerin nimmt ab. «Niemand ist zu Hause. Versuchen Sie es Donnerstag oder Freitag wieder. Oder vielleicht am Wochenende. Er ist derzeit gerade im Ausland. Er ist viel unterwegs. Ich weiss gar nicht, was die machen. Jedenfalls viel im Ausland.»
Küsnacht, 12 Uhr: Besuch bei SVP-Automobilhändler Walter Frey. Vom obligaten Kamerakullerauge beäugt, steht das Together-Team vor der imposanten Herrschaftsvilla. «Herr Frey? Da müssen Sie ein Haus weiter», sagt freundlich eine Frauenstimme durch die Gegensprechanlage – kein Wunder, dass man sich mal im Haus irrt, wenn keines angeschrieben ist.
Überraschenderweise ist die Liegenschaft eins weiter dann angeschrieben, und zwar mit «Fernandes». Es handelt sich um eine Art Pförtnerhaus. Der Herr, der sich mit grossen Schritten von der Villa hinter dem Pförtnerhaus nähert, muss Herr Fernandes sein. Die Familie sei gegenwärtig nicht da, sagt Herr Fernandes, der sich als Angestellter der Familie Frey vorstellt. Ein sehr guter Patron sei Herr Frey, schon seit zwölf Jahren arbeite er für ihn. Als Gautier auf Französisch die Ziele der Together-Initiative erläutert, lacht Herr Fernandes herzhaft. Stellung nehmen möchte er zwar nicht, dafür lässt er das Together-Team einen Blick auf die umfangreichen Gartenbauarbeiten werfen, gerade werden mehrere Hundert Quadratmeter Rollrasen neu verlegt. Ein vorläufiges Fazit: Wenn die PortugiesInnen es so wollten, stünden an der Goldküste alle Räder still.
Anruf beim Rolex-Erben, Hotelbesitzer und Arzt Daniel Borer beziehungsweise bei seiner Sekretärin: «Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich werde überschwemmt mit Anfragen. Und da gibt es ganz tolle Sachen darunter. Er unterstützt auch andere Projekte, mit Kindern und so. Im Rahmen von Stiftungen. Da bleibt er im Hintergrund. Er hängt das nicht an die grosse Glocke. Ich bin gerade daran, das Investitionsbudget von 2013 zu machen, und da muss ich Ihnen sagen, dass wir da bereits schon Absagen machen, obwohl es viele gute Projekte dabei hat. Ich kläre das gerne ab, aber ich möchte Ihnen auch keine falschen Hoffnungen machen. (…) Ich habe die Together-Initiative jetzt gerade ausgedruckt und werde es ihm geben. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe so viele coole Projekte gesehen, auch mit Solar und so, da muss ich Ihnen sagen, das ist schwierig. Es gibt ganz viele Sachen. Aber wir werden das gerne prüfen.»
Küsnacht, 12.30 Uhr: Während Walter Freys Villa noch die Aura einer noblen Residenz in einem Pariser Vorort versprühte, lernen wir bei Erbsohn Carl Hirschmann: Wer Geld hat, hat nicht zwingend auch geschmackvolle Häuser. Wo die Tür ist, wissen auch die beiden Gipser nicht, die im Pick-up ihre Mittagsstullen verzehren. «Die Herrschaften gehen immer durch die Garage ein und aus.» Nach längerem Studium von Holz und Backsteinen findet Gautier dann doch noch eine Tür. Es öffnet ein Mittdreissiger mit einer untertellergrossen Armbanduhr, er spricht sehr langsam. «Nein, Herr Hirschmann ist im Ausland, ich weiss nicht, wann er zurückkommt, frühestens nächste Woche.» Er passe nur aufs Haus auf, sagt der Mann, einen Brief wolle er nicht entgegennehmen.
Während der Fahrt durchs Küsnachter Zentrum stellt Gautier fest: Hier sind sogar die Migros-Einkaufswagen anders, nobler, aber hässlicher, genau wie die Immobilien. Das Together-Team rastet in der Gaststube Weinberg, das Schnipo für 31.50 Franken ist lecker und der Preis für hiesige Verhältnisse durchaus günstig. «Sie kommen alle hierhin», sagt der leutselige Gastwirt, «Tina Turner, Udo Jürgens, Walter Frey, Christoph Blocher.» An der Goldküste befänden wir uns hier, nur Millionäre gebe es, was wohl mit dem Steuerfuss zu tun habe, mutmasst der Wirt: «Ich bin der einzige Nichtmillionär hier in Küsnacht!» Er deutet auf ein Mehrfamilienhaus, das im hier verbreiteten Lachsrosa gestrichen ist: «Da oben steht eine Wohnung zum Verkauf. Wollen Sie wissen, was sie kostet? – 5,8 Millionen!»
Der Kellner schwärmt von seinem Job: «Ich sags mal so: All die prominenten Leute müssen auch aufs Klo. Und sobald sie hier reinkommen, sind sie total entspannt und legen alle Allüren ab.» Tina Turner sei unglaublich nett, wenn sie gelegentlich auf ein Mistkratzerli vorbeikomme, überhaupt alle, sehr nett, sehr grosszügig. Die Kombination aus Bodenständigkeit und gehobener Gastronomie sei für ihn sehr reizvoll, «zu mir als Kellner blicken hier jene Leute hoch, die mich sonst nicht mal mit dem Hintern anschauen würden, und wenn ich ihnen ein Gericht empfehle, ist das, als ob sie mir aus der Hand frässen». Im Übrigen hätten Kinder und Hunde im «Weinberg» Vortritt, und es komme schon mal vor, dass der Chef den Gästen sage, dass sie gern gehen dürften, wenn es ihnen nicht passe, dass Hunde oder Kinder zugegen seien. Das klingt plausibel, zumindest der Restauranthund scheint wohlgenährt. Im Entree der Gaststube liegen Visitenkärtchen auf, für Garten, Cleaning, Catering und die von Johannes Grieder, «Personal Shopper und Fashion Consultant». Beim Gehen trifft das Together-Team auf den Weinlieferanten. Der sagt: «Auch beim Wein gilt: Bei den Reichen lernt man sparen», zu achtzig Prozent beliefere er Privatkunden, darunter viele Promis, vornehmlich mit Weinen im tiefen und mittleren Preissegment.
Bei Nathaniel Rothschild ist noch immer besetzt. Bei Peter Spuhler bekommt Hanimann die Medienverantwortliche von Stadler Rail an die Strippe.
Medienfrau: «Und was wollen Sie jetzt von ihm? Wollen Sie Robin Hood spielen? Wenn man den Brief liest, neigt man ja dazu, das Ganze für einen Witz zu halten.»
H: «Dahinter steckt ein ernstes Problem.»
M: «Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, wenn Sie da die 300 Reichsten anschreiben und deren Geld den Ärmsten geben wollen. Herr Spuhler ist gemeinnützig engagiert, auch in Brasilien zum Beispiel und auch privat. Er unterstützt auch ein Kinderhilfswerk. Das ist seine Sache, das nicht öffentlich zu machen. Es ist jedem seine eigene Sache, was er tut.»
H: «Gäbe es eine Gelegenheit, mit Herrn Spuhler persönlich zu reden?»
M: «Wissen Sie, es ist bald Weihnachten, Jahresende, es gibt viel zu tun, Jahresabschluss. Und dann ist auch noch eine Session. Uns brennen andere Themen unter den Nägeln.»
Küsnacht, 13.30 Uhr: Zeit, die freundliche Tina Turner und ihren Gatten zu besuchen. Ein Schild neben dem schmiedeeisernen Portal weist darauf hin, dass vor Mittag keine Lieferungen entgegengenommen werden. Hinter Gitterstäben pulen Gartenbauarbeiter mit Rechen das Laub aus den Hecken.
Auf das Klingeln folgt keine Reaktion, doch als man sich schon zum Gehen wendet, öffnen sich die Tore. «Halt, was tun Sie da?», ruft der als Gartenarbeiter getarnte Sicherheitsmann, der im Baum an einer Überwachungskamera herumhantiert. «Wir dachten, das öffnet sich für uns», sagt Gautier. «Ganz und gar nicht», bellt der Mann, und jäh rast ein schwarzer Mercedes hupend durchs Portal und karrt fast den Together-Fotografen über den Haufen.
Herrliberg, 14 Uhr: «Herr Blocher ist in den Ferien, er ist erst am Montag wieder da, aber dann muss er sich erst vom langen Flug erholen, kommen Sie am Dienstag wieder.» Da nützen auch die schönen WOZ-Jasskarten nichts, die das Together-Team als Präsent mitgebracht hat.
Zurück in der Telefonzentrale: Der Sprecher der BZ Bank ist am Apparat: «Ich weiss nichts davon, Herr Ebner hat mich auch nicht darauf angesprochen. Aber so, wie ich ihn kenne, macht er generell nicht mit bei solchen Umfragen oder Initiativen.»
Bei Nathaniel Rothschild ist immer noch besetzt.
Mittlerweile macht sich das Together-Team zur nächsten Station auf, der Villa Bella Vista, wo Zeitschriftenverleger Jürg Marquard zu Hause ist. 14.30 Uhr: Hinterm Tor fällt der Blick auf mehrere Autos, darunter ein Rolls-Royce und ein Porsche-Geländewagen. Eine Frau mit einem Star-Spangled-Banner-Halstuch öffnet die Tür. Im Innern sieht man viel lichtdurchflutetes Glas. In buntem Muster verlegter Marmorboden. Weisse Sessel. Ein Frauenporträt, blond, auf türkisblauem Grund. Ein rechteckiges Dekowasserbecken am Boden. «Herr Marquard hat keine Zeit, er ist voller Termine, nein, das geht nicht, seine Agenda ist uuuhh … – Sie müssen im Büro anrufen für einen Termin, dort hat man auch die Agenda im Griff.»
Niedergeschlagenheit macht sich breit – der Benz, die guten Kleider, alles umsonst. Das Team beschliesst, es auf der anderen Seeseite zu versuchen. In Freienbach ist Exschauspieler und Unternehmer Hausi Leutenegger nicht zu Hause. Ein bunter Flickenteppich aus lachsrosa Mehrfamilienhäusern erstreckt sich bis nach Wollerau. Dort will das Together-Team den Glencore-Manager Daniel Maté an der Felsenstrasse besuchen. Das ist gar nicht so einfach. Hilfsbereite Schulkinder weisen den Weg in viele verschiedene Richtungen. Hinter den Jalousien linsen Wollerauer Augen misstrauisch auf die Eindringlinge. Sowie das gelbe Mehrfamilienhaus gefunden ist und man sich auf dem Vorplatz nach der Tür umschaut, steigt ein Mann aus einem Offroader: «Was habt ihr hier zu suchen?» – «Daniel Maté», sagt Stühlinger wahrheitsgemäss. «Er ist nicht da, gehen Sie weg!» So leicht lässt sich das Together-Team nicht abwimmeln und sucht weiter nach der Tür. Eine Frau springt aufgeregt aus dem Gefährt: «Fahrt ab! Lasst uns in Ruhe! Das ist mein Grund und Boden! Ihr habt hier nichts zu suchen! Wir sind anständige Leute!»
Die Reaktion lässt darauf schliessen, dass Daniel Maté nicht zum ersten Mal Besuch bekommt. – «Aber wir wollen doch nur …» – «Nichts ist», bellt es nun auch von der Terrasse her, «abfahren, sofort!» – «Schreib das Kennzeichen auf … Wir holen die Polizei!»
Der letzte Versuch erfolgt, als es bereits dämmert, bei Marcel Ospel, der in einer lachsrosa Villa, umgeben von phallischen Thujatürmen, wohnt. «Wir würden gern Marcel Ospel sprechen» – Knacken in der Gegensprechanlage. «Herr Ospel ist nicht da und auch die ganze nächste Woche nicht, nur seine Familie.»
In der Zentrale hat Telefonist Surber nun die Verlegergattin Ellen Ringier erreicht.
Ellen Ringier: «Den komischen Brief habe ich erhalten. Wir kriegen pro Tag zehn oder zwanzig solcher Bettelbriefe, aber der von Ihnen ist auf ganz negative Resonanz gestossen.»
S: «Weshalb? Vielleicht fallen wir mit der Tür ins Haus, aber die Ungleichverteilung ist doch tatsächlich ein Problem.»
R: «Ich finde das falsch. Also, dass Sie mich richtig verstehen: Die Ungleichverteilung finde ich falsch. Aber mit solchen Initiativen und weiss der Gugger was erreichen Sie nichts. Die Realisierungschancen sind zu gering.»
S: «Aber die Ungleichverteilung ist eine der Ursachen für die Wirtschaftskrise in den letzten Jahren. Man muss etwas machen!»
R: «Müssen muss man nichts. Aber ich akzeptiere Ihre Meinung.»
S: «Wie gehen Sie denn mit der Kritik um an den Reichen, als Reiche?»
R: «Wir stellen über Sozialstiftungen Geld für wohltätige Zwecke zur Verfügung. Aber ich weiss schon, dass Sie auf das Politische hinauswollen. Da könnte man lange diskutieren, aber wir haben zu tun im Büro. Ich wünsche Ihnen auf alle Fälle einen ganz schönen Tag! Sie machen ja eine gute Zeitung. Und viel Erfolg!»
Das wünscht auch die Sekretärin von SVP- und Neue-Helvetische-Bank-Mann Thomas Matter. Sie lässt ausrichten: «Er ist nicht interessiert daran, bei ihrer Initiative mitzumachen, wünscht Ihnen aber viel Erfolg!»
Fazit: Die Reichen können nicht teilen. Und zu Hause sind sie auch nicht. Aber Erfolg wünschen können sie – auf eine ungeheuer motivierende Weise. Bei Nathaniel Rothschild ist das Telefon immer noch besetzt.
P.S.: Kurz vor Redaktionsschluss rief einer der bekanntesten Bankiers der Schweiz zurück (er will nicht genannt werden): «Ich glaube, dass für die Aufrechterhaltung der demokratischen Strukturen längerfristig kein Weg an einer höheren Besteuerung der Reichen vorbeiführt.»
Preisgekrönt
WOZ-Inlandredaktorin Susi Stühlinger hat für diesen Text einen der diesjährigen Zürcher Journalistenpreise gewonnen. Wir gratulieren ihr herzlich.