Haiti: Diplomatenpass für «Baby Doc»

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Offiziell steht er unter Hausarrest. Trotzdem wurde Jean-Claude «Baby Doc» Duvalier, von 1971 bis 1986 blutiger Diktator Haitis, in den vergangenen Wochen immer wieder in den besten Restaurants der Hauptstadt Port-au-Prince gesehen. Jetzt kann er sogar ungehindert reisen: Am vergangenen Wochenende gab sein Anwalt Reynold Georges bekannt, die Regierung habe dem 62-Jährigen einen Diplomatenpass ausgehändigt. «Eine pure Selbstverständlichkeit», so Georges. Schliesslich sei sein Mandant ein ehemaliger Präsident des Landes.

Duvalier war am 16. Januar 2011 nach Haiti zurückgekehrt. Obwohl er in seiner Regierungszeit je nach Schätzung zwischen 300 und 800 Millionen US-Dollar aus der Staatskasse gestohlen hatte, war ihm nach 25 Jahren im luxuriösen Exil in Frankreich das Geld ausgegangen. In der Schweiz aber liegen bis heute rund 7,6 Millionen Franken, die seit 2002 blockiert sind. An die wollte er gelangen, und zwar bevor am 1. Februar 2011 die nach ihm benannte «Lex Duvalier» in Kraft trat. Dieses Gesetz ermöglicht es der Schweiz, «unrechtmässig erworbenes Vermögen politisch exponierter Personen» erst für zehn Jahre zu sperren und dann ohne grosse Formalitäten an das Land, in dem sie gestohlen wurden, zurückzuerstatten. Einzige Voraussetzung: Das Geld muss zur Verbesserung der Lebensbedingungen, zur Stärkung des Rechtsstaats oder zur Verbrechensbekämpfung verwendet werden.

Ein Jahr nach dem schweren Erdbeben vom Januar 2010 mit weit über 200 000 Toten herrschte noch immer Chaos in Port-au-Prince. Duvalier wollte dies nutzen und einfach ein paar Tage lang unbehelligt durch die Trümmerlandschaft spazieren. Dies wäre ein Beweis dafür gewesen, dass in seiner Heimat nichts gegen ihn vorliegt. Als «unbescholtener» Bürger hätte er dann gerade noch rechtzeitig seine letzten Schweizer Konten plündern können. Der Rückflug nach Frankreich war schon gebucht. Doch dann machte ihm ein Ermittlungsrichter einen Strich durch die Rechnung. Er liess ihn festnehmen und stellte ihn unter Hausarrest.

Am 14. Mai 2011 trat der politisch eher rechtsgerichtete ehemalige Schlagersänger Michel Martelly das Amt des Präsidenten von Haiti an. Seither sieht es wieder besser aus für «Baby Doc». Das Verfahren gegen ihn verläuft schleppend, eine Anklage wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen wurde vom Gericht zurückgewiesen. Es drohen ihm nur noch höchstens fünf Jahre Haft wegen Korruption. Auch mit dem Hausarrest nimmt man es nicht mehr so genau. Duvalier plane eine Reise in die Dominikanische Republik, sagte Anwalt Georges. Der Diplomatenpass wird dabei behilflich sein.