Was Nahrung kosten darf: Fatales Luxusimage

Nr. 11 –

Bettina Dyttrich über eine Marktordnung, die die Falschen belohnt.

Ich mag sie ja nicht mehr hören, die Klagen über die angeblich zu teuren Schweizer Lebensmittel. Der Waadtländer Kommunist und Geniesser Josef Zisyadis brachte es einmal auf den Punkt: «Wir haben immer dafür gekämpft, dass alle Menschen genug zu essen haben – nicht dafür, dass am Schluss mehr Geld für Mobiltelefone als für Nahrungsmittel ausgegeben wird.» Genauso ein Genfer Bauer, der zur WOZ sagte: «Ich bin sicher, dass es für drei Viertel der Leute in der Schweiz keine Rolle spielt, ob die Milch siebzig Rappen oder einen Franken kostet.»

Ja, gute Nahrung darf etwas kosten, muss etwas kosten, damit die ProduzentInnen nicht sich selbst, ihre MitarbeiterInnen, Tiere und Böden ausbeuten müssen. Unfair ist aber, dass die schlechte Nahrung so billig ist: Das mit Gentechsoja gefütterte Käfigpoulet aus Brasilien ist billiger als das Biopoulet. Die Hors-sol-Tomaten sind billiger als die Freilandtomaten (die es eh kaum noch gibt). «Wer heute die Umwelt schonen will, muss Zusatzpreise bezahlen. Wer sie einer stärkeren Belastung aussetzt, spart hingegen Geld», schreibt Beat Ringger, Sekretär des linken Denknetzes.

Eigentlich war es einmal umgekehrt gedacht: Die sogenannten externen Kosten für Umweltverschmutzung und Zerstörung von Landschaften sollten internalisiert und damit Teil des Preises werden. Hätte das geklappt, wären «dreckige» Produkte teurer als ökologische: «Würden die tatsächlichen Kosten konventioneller Methoden in der Landwirtschaft in die Preisbildung einfliessen, wären sie für die Produzenten nicht mehr rentabel», schreibt der Bodenspezialist David Montgomery. Doch die Regulierung der Wirtschaft, die dafür nötig wäre, blieb schon lange auf der Strecke.

Eine wirksame Umweltpolitik braucht Gebote und Verbote. Ringger zieht den Vergleich zum Auto: «Hätte man es Ende der achtziger Jahre weiterhin den KonsumentInnen überlassen, ob sie sich für ein Auto mit Katalysator entscheiden, dann wäre dieser auch heute noch eine Zusatzvorrichtung für umweltbewusste LenkerInnen – gegen Aufpreis selbstverständlich.» Wenn «der Markt spielt», werden die UmweltverschmutzerInnen belohnt.

Da stehen wir heute – mit der fatalen Folge, dass Bioprodukte als Luxus gelten. Immerhin gibt es inzwischen besondere Direktzahlungen für BiobäuerInnen. Doch sie genügen nicht, um die höheren Produktepreise auszugleichen.

An einer Podiumsdiskussion zum Jubiläum des Zürcher Quartierbioladens Chornlade letzten Herbst kam die Idee zur Sprache: Warum belohnt der Staat nicht die KonsumentInnen, die biologisch und regional einkaufen, mit Einkaufsgutscheinen oder Steuererleichterungen? Klar, die genaue Ausgestaltung (was heisst regional?) wäre nicht ganz einfach. Aber einen Versuch wäre es wert.

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.